Träume kosten nichts. Aber mal angenommen, man hätte mehrere 100.000 Euro in der Tasche. Was nehmen? Maserati MC 12 statt Mercedes SLR oder Porsche Carrera GT lautet die Frage. Entscheidungshilfe tut Not.
Von wegen Traum: Es ruft die Pflicht. Stunden später an den Ufern des Gardasees: Maserati liefert den MC 12 an, komplett mit Aufpasser. Schließlich kostet das Juwel (eines von 50) so viel wie ein mittlerer Palazzo, 696 000 Euro.
Dann trudeln die Konkurrenten ein. Welche? Leicht zu beantworten, denn die Auswahl ist bescheiden. Momentan bleiben nur Mercedes SLR und Porsche Carrera GT – harte Nüsse, auch wenn sie vergleichsweise zu Aldi-Preisen gehandelt werden: 435 000 und 452 690 Euro. Zusammen knapp 1,6 Millionen Euro, die hier stehen – die Rente wäre also sicher. Auch sonst kann das Trio mit großen Zahlen aufwarten: 1870 PS zum Beispiel.
Der Maserati hat 632, der Mercedes 626, der Porsche 612 PS. Erheblichere Unterschiede bei der Zahl der Zylinder: Acht genügen dem SLR, in dessen 5,4 Liter Hubraum sich bis zu 780 Nm Drehmoment zusammenbrauen.
Das ist deutlich mehr als bei der Konkurrenz und für diese schon deshalb peinlich, weil dazu ein nicht mehr taufrisches Großserientriebwerk genügt – allerdings Viagra-gestärkt. Nur blauestes Blut dagegen bei Porsche und Maserati.
Den Carrera GT befeuert ein Abfallprodukt der Rennabteilung, erstklassiges Rezyklat im 5,7-Liter-Gebinde mit zehn Zylindern. Beim MC 12 (Maserati Corse 12 cilindri) genügt der Hinweis, dass es sich um die Sechsliter-Preziose aus dem Ferrari Enzo handelt: molto furioso. Wie überhaupt Enzos Geist im MC 12 überall zugegen ist. Maserati steht drauf, aber Ferrari ist drin.
Der feine Unterschied: Auf der Klaviatur zwischen Sportwagen und Rennauto spielt der MC 12 eine Oktave höher. Seine Bühne ist der GT-Rennsport, entsprechend voluminöser der Klangkörper.
Der Mercedes wiederum tritt auf, als würde er im goldenen Lamé- Jackett zur Arbeit kommen – viel Glamour, aber leicht overdressed. Es kann losgehen. Der Einstieg in den MC 12 gelingt überraschend reibungslos, drinnen ist es gemütlicher als befürchtet – bequeme Enzo-Sitze, genügend Platz, Karbon, Alu und Brigh Tex, trendige Wirkware aus der Mode-Branche. Einige Plastikteile fühlen sich freilich an wie getrocknete Pasta, und die Schalter stammen scheinbar aus der Ausschusstonne. Macht aber nichts. Schließlich handelt es sich hier um keinen Luxustempel, sondern um eine Fahrmaschine.
696 große Scheine berechtigen folglich nicht einmal zu einem Rückfenster. Stattdessen gibt es eine „Race“-Taste (weniger ASR, schnelleres Schalten) und eine weitere, um die Nase zu liften und bei der Garageneinfahrt teures Karbon zu schonen. Geschaltet wird Enzo-like mit Paddel am Lenkrad, gestartet per Kopfdruck, worauf der V12 im Rücken zunächst schnorchelnd ansaugt und verhalten auspufft.
Auch sonst ist auf den ersten Kilometern alles verblüffend normal, abgesehen davon, dass man glaubt, einen Flugzeugträger zu navigieren. Der V12 ist die Geduld selbst, die Lenkung geht leicht wie im Lexus, und statt wie erwartet die Knochen zu rütteln, rollt der MC 12 im Schongang. Rennwagen fahren sich anders. Wie, das erlebt der Pilot, wenn es ernsthaft zur Sache geht.
Das 1335-Kilo-Gefährt, das zuvor so agil wirkte wie Bud Spencer beim Hürdenlauf, wird plötzlich zur Ballerina, begeistert mit perfekter Balance, messerscharfem Einlenken und unbeirrbarer Stabilität.
Unterdessen besteht kein Zweifel, dass die PS von Ferrari stammen: Mit rauem Celentano- Röhren reißt es den MC 12 nach vorn. Wechselt man danach, angenehm benommen, in den Porsche, fällt auf, dass sich die Maßstäbe unversehens verschoben haben.
Mehr Stradale als Corsa, fehlt ihm der saugende Abtrieb. Der Carrera GT wirkt nervöser, traktionsärmer, verlangt bei abgeschaltetem ASR mehr Konzentration und schnellere Reaktionen.
Spontan, scheinbar ohne Drehmasse, jagt der V10 in den Drehzahl-Orbit, erst etwas verhalten, dann ab 6000/min aber volle Kanone und untermalt von gellendem Formel 1-Geheul. Zuvor gilt es aber erst mal, einen akzeptablen Start hinzulegen. Mit der diabolischen Keramikkupplung sind peinliche Auftritte vorprogrammiert.
Davon abgesehen ist der Porsche jedoch höchst zivil – handlicher, übersichtlicher als der Maserati, konventionell per Knüppel schaltbar und aufs Feinste verarbeitet. Die frei schwebende Mittelkonsole ist cooler als ein Philippe-Starck-Entsafter, und wie beim MC 12 kann man dank herausnehmbarem Dach auch offen cruisen.
Im Mercedes ist es leider nichts mit al fresco. Auch sonst spielt der SLR sein eigenes Spiel: Der Motor ist vorn, die Gänge sortiert komfortabel ein Fünfgangautomat, Drehzahlorgien liegen ihm nicht, dafür bollert es aus den seitlichen Auspuffstutzen, dass der Boden zittert. Der Einstieg gestaltet sich dank der Flügeltüren spektakulär, aber drinnen empfängt einen bewährter Mercedes- Look: aufgeräumt, gediegen – so, als hätte man Luzifer eine Strickjacke verpasst. Das Fahrvergnügen resultiert hier daraus, dass der Kraftmeier unter der Haube stets aus dem Vollen schöpft. Man braucht nur den großen Zeh zu kröpfen, schon gehen die Nieren auf Anschlag. Bei diesem Drehmoment erübrigen sich alle Beschleunigungsfragen, woran selbst das trotz Kohlefaserkarosse hohe Gewicht (1768 Kilogramm) nichts ändert.
Hinderlich wirkt sich schon eher der Mangel an Traktion aus, denn auf ein Sperrdifferenzial muss der Mercedes verzichten. Da trifft es sich gut, dass das ESP die überschüssige Kraft konsequent wegregelt, zumal extremes Fahren im SLR auch so seine Tücken hat.
Die elektronische Keramikbremse wirkt schwammig, der Lenkung fehlt es an Linearität, was sauberes Kurvenfahren erschwert, und Radlastschwankungen beeinträchtigen die Fahrstabilität. Trost für den SLR-Fahrer: Früher oder später kommt auch wieder mal eine Gerade.
Welchen nehmen? Auf diese Frage gibt es nur eine Antwort: alle drei natürlich. Mercedes für den Alltag, Porsche für den Sonntag und den Maserati für den schönsten Tag. Den auf der Privatpiste hinter dem Haus.