Red Bull liefert sich ein erbittertes Titel-Duell mit Mercedes. Am Ende wird diese Weltmeisterschaft wohl auch über die Anzahl der Fehler entschieden. In dieser Wertung ist weniger ausnahmsweise mal mehr. Nach sechs Rennen ziehen wir Zwischenbilanz.
Red Bull liefert sich ein erbittertes Titel-Duell mit Mercedes. Am Ende wird diese Weltmeisterschaft wohl auch über die Anzahl der Fehler entschieden. In dieser Wertung ist weniger ausnahmsweise mal mehr. Nach sechs Rennen ziehen wir Zwischenbilanz.
Das WM-Duell zwischen Lewis Hamilton und Max Verstappen bescherte uns in Aserbaidschan eine Nullrunde. Damit blieb der Abstand auf vier Punkte zugunsten von Verstappen eingefroren. In der Konstrukteurs-Wertung führt Red Bull nach dem Sieg von Sergio Perez mit 26 Zählern Vorsprung. Ein völlig neues Gefühl für Herausforderer und Titelverteidiger.
Der sechste WM-Lauf in Baku hat gezeigt, dass die beiden Weltmeisterschaften in diesem Jahr in mehreren Disziplinen entschieden wird. Jede Kleinigkeit zählt. Der Grundspeed von Fahrer und Auto, die Tagesform und das Setup, die Zuverlässigkeit, die Entwicklungsarbeit, die Boxenstopps, die Rennstrategie, die Teamkollegen und die Fehler.
Max Verstappen meinte nach der doppelten Nullrunde: "Wir machen alle Fehler. Nur bei uns sind sie kleiner." Hat er Recht? Wir haben uns auf die Fehlersuche bei den ersten sechs Rennen gemacht und dabei nicht nur auf die offensichtlichen geschaut.
Neben den beiden Titelanwärtern stehen auch ihre Teamkollegen Valtteri Bottas und Sergio Perez und die Mannschaften hinter den Fahrern unter der Lupe. Gezählt wird nur, was das Gesamtergebnis potenziell verschlechtert haben könnte. Und was im Einflussbereich der Teams lag. Der Reifenplatzer von Verstappen in Baku zählt somit nicht dazu.
Wir teilen die Fehler nach ihren Auswirkungen in drei Kategorien ein:
Beim Saisonstart ging der Punkt an Mercedes. Red Bull hatte das schnellere Paket, aber Mercedes hat gewonnen. Beim Titelverteidiger geht nur der Boxenstopp von Bottas schief. Rechts vorne sträubt sich das Rad gegen das Abnehmen. Als der Mechaniker ein zweites Mal ansetzt, ändert der Schlagschrauber automatisch seine Drehrichtung. Die Radmutter wird wieder festgeschraubt. Bottas steht 10,5 Sekunden und fällt als Helfer für Hamilton aus.
Red Bull macht den ersten Fehler schon bei der Reifenwahl. Statt zwei harten Reifen reserviert man sich je einen Satz hart und medium und hat damit im Rennen weniger taktische Optionen. Am Ende des ersten Stints verschlafen die Strategen den Undercut. Der schenkt Hamilton die Führung.
Verstappen holt zwar im Finale auf frischeren Reifen mit Siebenmeilenstiefeln auf, doch als er endlich an seinem Gegner dran ist, zwingt der ihn beim ersten Angriff in Kurve 4 auf die Außenspur. Verstappen überholt jenseits der Streckenlimits. Er gibt den Platz wieder her, will gleich wieder kontern, steht dabei aber in Kurve 13 kurz quer. Das ruiniert ihm die Reifen. Damit ist die Nummer durch.
Die Chancen von Perez minimieren sich schon vor dem Start. Die Nummer zwei im Team bleibt wegen eines Elektrik-Blackouts in der Formationsrunde stehen und muss aus der Box starten. Dass daraus noch 10 Punkte werden, verdankt Red Bull seinem Fahrer.
Bilanz: Red Bull 8, Mercedes 2
In Imola tritt Mercedes öfter ins Fettnäpfchen. Hamilton rutscht auf feuchter Bahn mit Slicks in Tosa von der Strecke, rangiert eineinhalb Minuten lang um sich aus der Falle zu befreien, verliert dabei eine Runde und hat das unverschämte Glück, dass der Grand Prix wegen eines Unfall unterbrochen wird. Das schenkt ihm die Runde und am Ende den zweiten Platz, den er sich nach toller Aufholjagd von Rang neun aus noch holt.
Er hat an dem Tag sogar den Speed, Verstappen zu schlagen. Mercedes schont die Reifen besser. Der Undercut gegen Verstappen misslingt, weil der Boxenstopp vier Sekunden dauert. Es dauert zu lang das Klebeband von den vorderen Bremsbelüftungen zu entfernen.
Bottas schreibt eine Nullrunde. Die Misere beginnt schon im Qualifiyng mit Startplatz acht. Dann noch der Crash mit George Russell im Kampf um den 9.Platz. Egal, wer die Schuld daran trägt: Bottas hätte nie mit einem Williams um eine Position kämpfen dürfen.
Auch Red Bull ist nicht ganz fehlerlos. Verstappen baut in seine Q3 einen Fehler ein und verschenkt die ersten zwei Startplätze an Hamilton und Perez. Der Beinahe-Dreher vor dem Re-Start geht gerade noch einmal gut aus. Perez hat endlich einen guten Startplatz, vergeigt aber das Rennen komplett. Der Mexikaner landet drei Mal im Kies und kassiert eine Strafe, weil er hinter dem Safety-Car überholt. Die Quittung sind null Punkte.
Bilanz: Red Bull 3, Mercedes 6
Die Portimao-Runde geht wieder an Mercedes. Der Titelverteidiger hat sich wenig vorzuwerfen. Hamilton gewinnt, kritisiert sich aber selbst für einen misslungenen Re-Start. "Valtteri ist mir davongezogen, als ich Max im Rückspiegel gesucht habe. Dann schere ich auch noch aus und gebe Max den Windschatten von Valtteri." Hamilton korrigiert den Fehler mit zwei blitzsauberen Überholmanövern gegen seine WM-Gegner und einer souveränen Fahrt zu seinem zweiten Saisonsieg.
Bottas wird Dritter, hätte aber vielleicht Zweiter werden können. Ein kurzfristiges Motorproblem kostet ihn im Duell mit Verstappen vier Sekunden. Der Kommandostand holt ihn zu früh für den Sturm auf die schnellste Runde an die Box. Der Fehler wird nur deshalb nicht bestraft, weil Verstappen die schnellste Runde aberkannt bekommt.
Verstappen darf sich nur 20 Sekunden über den Extra-Punkt freuen. Dann ist er auch schon wieder weg. Er ist in Kurve 14 neben die Streckenlimits gerutscht. Das gleiche Vergehen in einer anderen Kurve kostete ihn schon die Pole Position.
Im Rennen liegt er bereits vor Hamilton, öffnet aber seinem WM-Rivalen die Tür, als er bei einer versuchten Attacke auf Bottas in Kurve 14 einen Rutscher einbaut. Der Fehler ist insgesamt nicht rennentscheidend. Mercedes hat im Rennen das bessere Auto. Die Silberpfeile gehen pfleglicher mit den Reifen um als Red Bull.
Perez kann Verstappen auch nicht helfen. Der Mexikaner qualifiziert sich zwar nur ein Zehntel hinter Verstappen für den vierten Startplatz, verliert aber in der Anfangsphase zwei Positionen. Das wirft ihn so weit zurück, dass er Kontakt zu dem Spitzentrio verliert.
Bilanz: Red Bull 6, Mercedes 4
In Barcelona hat Mercedes am Sonntag wieder einen taktischen Vorteil. Wieder streicheln die Silberpfeile ihre Reifen besser als Red Bull und sind in der zweiten Hälfte der Stints deutlich schneller. Und wie in Bahrain geht Mercedes bei der Reifenwahl klüger vor. Hamilton und Bottas haben zwei Medium-Reifensätze in Reserve, Verstappen nur einen.
Der frische Soft-Reifen taugt nur für einen späten Stopp. So kann Hamilton seinen Gegner mit der Ungarn-2019-Taktik locker auskontern. Zwei Boxenstopps sind besser als einer. Verstappen bleibt nur noch der Extra-Punkt für die schnellste Runde.
Es läuft das ganze Wochenende nicht rund beim Herausforderer. Red Bull verschwendet den Freitag mit Frontflügelbrüchen und einem Experiment mit dem falschen Heckflügel. So etwas darf man sich bei nur noch 180 Minuten Trainingszeit nicht mehr erlauben.
Perez startet nur von der achten Stelle. Schulterschmerzen sind dabei nicht hilfreich. Wieder fällt er als Manndecker für Verstappen aus. Bottas dagegen ist im Rennen trotz acht Sekunden Rückstand auf Verstappen aus taktischer Sicht immer eine Bedrohung für den Holländer.
Der zweite Mercedes-Fahrer hätte bei der Überlegenheit der Silberpfeile Verstappen eigentlich Platz zwei abknöpfen müssen. Hat er aber nicht, weil dem Siegerteam beim Start der einzige Fehler des Wochenendes unterläuft. Hamilton soll beim 580 Meter-Sprint in die erste Kurve Bottas im Windschatten an Verstappen vorbeiziehen und darf deshalb nicht die Spur wechseln.
Das Ergebnis der missglückten Aktion hätte Mercedes später auf den Kopf fallen können, hätten die Red Bull ihre Reifen besser geschont. Verstappen übernimmt die Führung, und Bottas fällt auch noch hinter Charles Leclerc auf Platz vier zurück. Damit kann Bottas auch nicht in den Kampf um die schnellste Runde eingreifen. Er muss seinen zweiten Boxenstopp an Leclerc ausrichten.
Bilanz: Red Bull 8, Mercedes 2
Monte Carlo ist keine Mercedes-Strecke. Drei Trainings lang suchen die Titelverteidiger nach einem Setup, das die Reifen schnell auf Temperatur bringt. Bottas findet schließlich Vertrauen in sein Auto und hätte sogar auf der Pole Position landen können. Hamilton kommt auf keinen grünen Zweig und stürzt auf den siebten Startplatz ab.
Er bleibt auch im Rennen, wo er ist. Kein Auto frisst den Reifengummi so wie der Mercedes. Eine Folge der Maßnahmen, die die Pirellis schnell auf Temperatur bringen sollen. Aus dem geplanten Overcut wird ein Undercut, und der geht auch noch schief, weil Hamiltons Runde in die Box zu langsam und der Reifenwechsel kein Rekord-Stopp ist.
Bottas ist auf dem Weg zu einem sicheren zweiten Platz, da trifft ihn ein Missgeschick, das nur alle paar Jahre vorkommt. Beim Versuch die vordere rechte Radmutter zu lösen, setzt der Mechaniker schräg an und schleift mit dem Schlagschrauber die Kanten ab. Die Radmutter bleibt dran und wird erst zwei Tage später in der Fabrik entfernt.
Red Bull hat eigentlich ein überlegenes Auto. Trotzdem steht ein Ferrari auf der Pole Position. Weil Verstappen im ersten Q3-Versuch nicht alles aus seinem RB16B herausholt. Schlimmer noch trifft es Perez. Red Bull ändert für das Q3 die Aufwärmstrategie für die Reifen. Perez, der sich immer noch nicht ganz zuhause in seinem Auto fühlt, kann sich nicht schnell genug anpassen und qualifiziert sich nur für Startplatz neun. Von dort gibt es nicht viel zu gewinnen.
Der vierte Platz ist maximale Schadensbegrenzung. Doch Red Bull versäumt es, Perez auf die schnellste Runde anzusetzen. So schenkt man Hamilton den Extra-Punkt. Erklärung von Perez: "Wir dachten, ich könnte Norris im Kampf um Platz drei noch in einen Fehler hetzen." Also bitte: Wer 75 Runden keinen Fehler macht, tut es in den letzten drei Runden auch nicht mehr. Die schnellste Runde wäre dagegen eine sichere Bank gewesen.
Bilanz: Red Bull 3, Mercedes 7
Baku ist ein Spiegelbild von Monte Carlo. Wieder braucht Mercedes 170 Minuten um den Schlüssel zu finden, wie man Temperatur in die Reifen bringt. Wieder klappt es nur mit einem Auto. Diesmal Hamilton. Bottas ist das ganze Wochenende nirgendwo. Er kommt ohne technische Probleme ins Ziel, aber nicht in die Punkte.
Für Hamilton läuft es besser als gedacht. Der zweite Startplatz vor Verstappen ist mehr als Mercedes erwarten durfte. Der langsame Boxenstopp wegen Verkehr in der Boxengasse macht keinen großen Unterschied. Schon eher die Tatsache, dass Mercedes seine Reifen wieder stärker verschleißt als Red Bull.
Trotzdem hätte Hamilton nach dem Verstappen-Crash noch das Rennen gewinnen können . Dann unterläuft ihm ein Flüchtigkeitsfehler, der eigentlich gar keiner ist. Er aktiviert aus Versehen ein Reifenwärm-Programm, dass die Bremsbalance um 86 Prozent nach vorne stellt. Der Verbremser beim Re-Start ist die logische Konsequenz. Er wäre in dieser Konstellation jedem passiert. Der Fahrer ist nicht darauf vorbereitet, weil er sich im Renn-Modus wähnt.
Red Bull holt sich die 25 Punkte, macht sich das Leben aber selbst schwer. Schon die Startplätze drei und sechs entsprechen nicht der Überlegenheit des Autos. Auf einem Stadtkurs muss man immer mit roten Flaggen rechnen und schon in den ersten Q3-Versuch alles reinwerfen.
Nach dem Boxenstopp segeln Verstappen und Perez einem Doppelsieg entgegen. Mit dem linken Hinterreifen platzen auch Verstappens Siegträume. Und Perez muss wegen eines Hydrauliklecks bis zum Ende zittern.
Mit Perez legt Red Bull einen seiner wenigen schlechten Boxenstopps hin. 4,3 Sekunden liegen weit über der Norm. Vielleicht ist es dem Team ganz recht so. Mit einem schnelleren Stopp wäre der Mexikaner womöglich noch vor Verstappen auf die Strecke zurückgekehrt.
Bilanz: Red Bull 3, Mercedes 8
Zählen wir alle Fehler zusammen, liegt Mercedes mit 29 zu 31 leicht vorne. Die Quote ist für die beiden Spitzenteams aber relativ hoch. Beide setzen sich so stark unter Druck, dass die Häufigkeit von Patzern steigt. Die Fans dürfen gespannt sein, wie es weitergeht. Schon am nächsten Wochenende stehen sich die Kontrahenten in Le Castellet wieder gegenüber.