Viele spektakuläre Rennstrecken bekamen das Prädikat "kleiner Nürburgring". Aber nur eine verdient es: Clermont-Ferrand war in jeder Beziehung eine Miniatur-Ausgabe der Nordschleife. Dafür reichen zwei Zahlen: 51 Kurven auf 8,055 Kilometer.
Viele spektakuläre Rennstrecken bekamen das Prädikat "kleiner Nürburgring". Aber nur eine verdient es: Clermont-Ferrand war in jeder Beziehung eine Miniatur-Ausgabe der Nordschleife. Dafür reichen zwei Zahlen: 51 Kurven auf 8,055 Kilometer.
Wie viele Rennstrecken gibt es, auf denen Rennfahrer über Übelkeit klagen? Der Circuit de Charade war eine von ihnen. Ein echtes Monster. 1958 in die Hügel oberhalb von Clermont-Ferrand hineinmodelliert, schlängelte sich die 8,055 Kilometer lange Berg-und-Talbahn mit einem Höhenunterschied von 179 Metern in 51 Kurven immer in Blickweite des Puy de Dome durch die Vulkanlandschaft des Zentralmassivs.
Es ist gar nicht so einfach die Strecke zu finden. Viele Wege führen hin, aber alles auf französischen Provinzstraßen, auf denen man leicht mal die richtige Abfahrt verpassen kann. Das erste Mal war ich 1985 da, als es den alten Kurs noch im Originalzustand gab. Ich pirschte mich vom Süden über eine schmale Passstraße an und stand plötzlich vor einer T-Kreuzung. Es war die Rennstrecke, deutlich zu erkennen an den alten Leitplanken, die die Straße dort einsäumten.
Damals war es noch möglich, die komplette Strecke abzufahren. Weil sie zur Gänze aus öffentlichen Straßen bestand. Seit 1989 gibt es eine verkürzte Version als permanenten Kurs, der nur noch für Rennen und Rennfahrerschulen öffnet. Er ist rund um das Start/Zielgelände entstanden, das noch identisch mit der Urversion ist.
Auf die kurze Zielgerade und eine mittelschnelle Linkskurve folgt die längste Gerade des Kurses. Früher war sie 900 Meter lang. Heute biegt man auf halber Höhe in den neuen Teil ein. Der Rest der Gerade mündet in einen Kreisverkehr, der im Zuge des Umbaus neu entstanden ist. Von hier kann man der alten Strecke noch folgen.
Der Kreisel teilt die ehemals schnellste Kurve des Kurses. An die alte Gerade schloss sich eine ultraschnelle Rechtskurve über eine Kuppe an. Sie mündete in ein Bergabstück, das mit der Ortsdurchfahrt durch Charade beginnt und nach atemberaubend schnellen Kurven in einer Haarnadel mündet.
Den Panoramablick auf die Stadt Clermont-Ferrand konnten die Fahrer nicht genießen. Der Passage schließt sich eine Serie von fünf engen S-Kurven an, die alle sehr ähnlich aussehen und leicht zu verwechseln sind. Es war die Stelle, an der die Fahrer seekrank wurden.
Dann wird es wieder schneller. Es geht zuerst leicht bergauf, dann wieder steil bergab in einen Streckenteil, der stark an Eau Rouge erinnert. Nur dass es in sechs Scheitelpunkt rechts herum geht. Schlüsselstelle der Gravenoire-Kurve ist eine Senke, nach der es so steil bergauf geht wie in Spa. Das ist der Streckenteil, an dem Le Mans-Ass Ivor Bueb in einem Formel 2-Rennen 1959 tödlich verunglückte.
Was dann folgt, bezeichnet Jean Alesi als den schwierigsten Teil der Strecke. "Wahnsinnig schnell, wahnsinnig eng, total unübersichtlich. 48 Jahre nach dem letzten Grand Prix endet die alte Strecke abrupt an einem Zaun, hinter dem die neue Strecke die Trasse der alten übernimmt.
Das langsame S, das den Vollgasabschnitt abschloss, gibt es nicht mehr. Auf der neuen Umgehungsstraße kann man nur noch den letzten Teil des Kurses erkennen. Er schlängelt sich hier mit insgesamt fünf Haarnadelkurven durch die Landschaft. Der Kurs schraubt sich in einer Naturarena mit tollem Überblick für die Zuschauer zwei Kilometer lang bis hoch zu Start und Ziel.
Der ehemalige Formel 1-Pilot Louis Rosier war einer der Initiatoren des Projekts. Er erlebte die Fertigstellung der für 108 Millionen Francs gebauten Strecke aber nicht mehr. Sie wurde im Juli 1958 eröffnet. 1965 erhielt die Achterbahn erstmals den Zuschlag für einen Grand Prix. Jim Clark fuhr mit seinen Gegnern Schlitten.
Jackie Stewart gewann 1969 und 1972, Jochen Rindt 1970. Der Österreicher hasste die Strecke. Er benutzte absichtlich einen offenen Jet-Helm, weil ihm in dem Kurvenlabyrinth immer schlecht wurde. Wie am Nürburgring bestimmten auch in Clermont-Ferrand nur die großen Meister und Streckenkenner das Tempo. Chris Amon und Jean-Pierre Beltoise feierten in der Auvergne unbelohnte Sternstunden.
Mit der vierten Ausgabe 1972 ging das Formel-1-Kapitel auf einer der letzten Naturrennbahnen zu Ende. Die Topografie an zwei Bergrücken entlang erlaubte keine großzügigen Auslaufzonen.
Mangels Randsteinen schleuderten die Piloten beim Kurvenschneiden immer wieder Steine auf die Strecke, die dann für nachfolgende Kollegen zu gefährlichen Geschossen wurden. Jochen Rindt erlitt im Training zum GP Frankreich 1970 einen Streifschuss auf der Oberlippe. Helmut Marko erwischte es schlimmer. Ein von Ronnie Peterson aufgewirbelter Stein durchschlug das Visier und verletzte den B.R.M.-Pilot so schwer am Auge, dass er seine Karriere aufgeben musste.
Jahr | Fahrer | Auto | Schnitt |
---|---|---|---|
1965 | Jim Clark | Lotus-Climax | 143,583 km/h |
1969 | Jackie Stewart | Matra-Cosworth | 157,251 km/h |
1970 | Jochen Rindt | Lotus-Cosworth | 158,391 km/h |
1972 | Jackie Stewart | Tyrrell-Cosworth | 163,454 km/h |