An der Spitze war der Grand Prix von Katar ein Selbstläufer. Lewis Hamilton fuhr wieder einmal weltmeisterlich. "Er fährt brutal gut und eiskalt. Das ist der beste Lewis, den wir je gesehen haben. Er schafft es, aus der Not heraus Superkräfte zu entwickeln", gratulierte Teamchef Toto Wolff seinem Superstar, und bezog sich noch einmal auf die Disqualifikation in Brasilien. In der Rennanalyse beantworten wir die wichtigsten Fragen zur Premiere im Emirat.
Wilhelm
Max Verstappen machte seine Startplatzstrafe im Rennen wieder wett.
Wieso wurde Verstappen strafversetzt?
Rund 90 Minuten vor dem Rennstart kam die Hiobsbotschaft für Max Verstappen. Ein Vergehen unter doppelt-gelb geschwenkten Flaggen am Ende der Qualifikation kostete ihn den zweiten Startplatz und warf ihn auf den siebten zurück. Valtteri Bottas verlor drei Positionen, weil er unter einer gelben Flagge nicht verlangsamt hatte. Der Auslöser war Pierre Gasly gewesen, der mit Frontflügelschaden rechts auf der Zielgerade strandete.
Red Bull war außer sich. Teamchef Horner nannte den Streckenposten einen Schurken und kam nach einer öffentlichen Entschuldigung mit einer Verwarnung davon. "Kleine Dinge haben in einer engen WM große Auswirkungen. Das war ein Kommentar aus der Frustration heraus, und nicht als individueller Angriff auf den Marshall zu verstehen." Sportchef Helmut Marko polterte auch nach dem Rennen. "Wir sind im Hightech-Zeitalter. Den Fahrern wird alles auf das Display gespielt. Max war darauf fixiert. In dem Fall erschien aber nichts. Der Clerk of Course hat den Streckenposten angewiesen, gelb zu schwenken. Plötzlich entscheidet der sich, die zweite hinzuzunehmen. Für einen Spitzensport wie die Formel 1 ist das eine Farce. Völlig unprofessionell."
Aber Regel ist nun mal Regel, zumal es einige Präzedenzfälle gibt. Da spielt es auch keine Rolle, dass es ein Wirrwarr mit dem System gab. Dass die Leuchttafeln kein Gelb anzeigten. Dass Verstappen nicht am Funk gewarnt wurde. Er hatte Gasly gesehen, und hätte mindestens damit rechnen müssen, dass eine Gelbphase ausgerufen ist. Nach fünf Runden tauchte der WM-Führende bereits an zweiter Stelle auf. Er überholte drei Autos am Start, sowie Gasly und Fernando Alonso. "Das war einer meiner besten Starts. Ich bin für die erste Kurve nach innen gewechselt. Das war goldrichtig, weil es die anderen nach außen getragen hat, und ich durchschlüpfen konnte."
Wilhelm
Lewis Hamilton hatte in Katar keine echte Konkurrenz.
Wieso war Mercedes überlegen?
Red Bull fiel über zu viele Stolpersteine. Die Quali verhagelte man, weil man kurz zuvor von weniger auf viel Abtrieb schwenkte. Der größte Heckflügel stabilisierte zwar den flatterigen Flap bei geöffnetem DRS. Er führte allerdings dazu, dass das Heck zu stark wurde, und die Front im Verhältnis zu schwach. Die Balance fehlte, was den Red Bull ins Untersteuern trieb. Im Rennen wurde es mit mehr Benzin besser.
Ohne Verstappen im Rücken konnte Hamilton nach gewonnenem Start direkt enteilen. Als Verstappen die Verfolgerrolle einnahm, war er bereits 3,791 Sekunden zurück. In der Startphase hatte er sich zudem den Frontflügel minimal beschädigt – im Zweikampf mit Alonso. "Ich hatte dadurch leichtes Untersteuern. Aber nichts, was den Speed-Unterschied zu Mercedees erklärt." Die Aufholjagd kostete Reifen. Deshalb schwenkte Red Bull ziemlich schnell von einem auf zwei Boxenstopps um. Mercedes kopierte jeweils die Taktik mit Hamilton als Reaktion auf Red Bull, obwohl ein Stopp in der Theorie schneller war. In dieser Situation macht man einfach, was der Gegner vorgibt.
Speziell auf den harten Reifen schien Verstappen im Verhältnis näher an Hamilton zu sein. Die Mercedes-Ingenieure erläuterten, dass der Weltmeister da zwischendrin auf Anschlag fuhr. Doch schlussendlich ging der W12 schonender mit den Reifen um – zumindest mit Hamilton im Auto. Er kontrollierte den Abstand und wurde angewiesen, die Randsteine zu meiden als die Lücke wieder aufriss. "In Summe waren wir mit Lewis zwei Zehntel schneller als mit Max."
Horner rechnet vor. "Die haben sie uns in Kurve sechs eingeschenkt." Auf der Gerade herrschte Gleichstand. Red Bull behauptet, Mercedes habe vor der Quali das Hauptblatt des Flügels getauscht, um auf der sicheren Seite zu sein, was die Verbiegung anbetrifft. Der Gegner kontert, man habe nichts dergleichen getan, und es gäbe keinen Flexi-Wing. Red Bull sehe Geister. Den Probetest der FIA hat der Mercedes-Flügel mit zwei Gewichten von je 35 Kilogramm souverän bestanden.
Motorsport Images
An vier Autos gab der linke Vorderreifen nach - darunter an beiden Williams.
Warum platzten vier Reifen?
Die Reifen bauten über die Distanz kaum ab. Der Grip blieb überwiegend konstant von Anfang bis Ende des Stints. Allerdings war die Abnutzung hoch. Besonders vorne links. Der Losail International Circuit quält den linken Vorderreifen, weil die schnellen Kurven fast ausnahmslos rechtsherum führen. Die Fahrer mussten im Rennen deshalb besonders achtgeben. Trotzdem kam es zu vier Schäden. Es erwischte einen Mercedes, einen McLaren und die Williams.
Bei Bottas platzte in der 33. Runde der Mediumreifen, was auch den Frontflügel mitnahm. Ohne echte Vorwarnung. Die leicht fallenden Temperaturen der Lauffläche waren jedenfalls kein Alarmsignal. Der Gummi war aber schon zu weit heruntergehobelt. Dann traf Bottas noch einen der aggressiven Randsteine, was wohl Schwingungen im Reifen auslöste, welche ihn in der Anfahrt zur siebten Kurve zerstörten. "Mit vollen Tanks im ersten Stint lastet ohnehin mehr Ballast auf den Reifen. Die Lauffläche war zu 100 Prozent durch", sagt Pirellis Rennleiter Mario Isola. "Dann fehlt dem Unterbau der Schutz. Wir hatten den Teams vor dem Rennen eine Zweistopp-Strategie empfohlen." Ein Wechsel war aber der schnellere Weg ins Ziel.
Damit versuchten es auch die beiden Williams-Piloten, und bezahlten es. Der harte Reifen zerberstete jeweils an beiden Autos in der 32. Runde. Vermutlich aus demselben Grund wie bei Mercedes. Der Fall Lando Norris könnte anders gelagert sein. "Er hat mehr Runden auf dem Soft als auf der harten Mischung zurückgelegt", gibt McLaren-Teamchef Andreas Seidl zu Bedenken. 25 zu 24, um genau zu sein. Der Engländer hatte Glück, dass es ihn kurz vor und nicht nach der Boxenausfahrt erwischte. "Wir haben einen Schnitt an der Seitenwand festgestellt", sagte Isola. Die Außenschulter war der wunde Punkt der Pirellis in Katar.
xpb
Fernando Alonso raste zum 98. Mal in seiner Laufbahn auf das Podest.
Hat Alonso das VSC gerettet?
Alpine machte alles richtig. Flüssige Kurse schmecken dem A521. Das hat man in dieser Saison zum Beispiel in Barcelona gesehen. Die Ingenieure in der Fabrik leisteten die perfekte Vorbereitung. Das Basis-Setup stimmte im Vergleich zu Ferrari und McLaren, die eine langsamere Strecke erwartet hatten, und erst einmal hinterher hechelten. Der topfebene Asphalt begünstigte Alpine. So konnte das Auto tief und steif abgestimmt werden. Katar ist keine Motorenstrecke. Da wog der Nachteil von rund 35 PS weniger nicht so sehr.
Der Alpha Tauri fraß seine Reifen, was die Fahrer zu zwei Stopps zwang. Der Alpine streichelte sie. "Unser Auto geht pfleglich mit den Reifen um. Ich hatte noch ausreichend Puffer, und keine Sorge vor Schäden", berichtete Alonso. Der Spanier hatte im Kampf um den dritten Platz zwei Gegner. Der Reifenschaden eliminierte Bottas. Red Bull spielte mit zwei Wechseln die sichere Karte.
Da nutzte es Perez auch nichts, im schnelleren Auto zu sitzen, aus dem Mittelfeld vorzustürmen, und Alonso zwischendrin sogar zu überholen. Das späte virtuelle Safety Car in der dritt- und vorletzten Runde verschaffte dem Spanier Gewissheit, der schnell war, als er es musste, und die Reifen schonte, als er es konnte. "Ohne hätten wir ihn noch in der letzten Runde bekommen", glaubt Red Bull. Dafür hätte der Mexikaner in drei Runden aber neun Sekunden gutmachen müssen. Unwahrscheinlich. Er war bei freier Fahrt zuvor maximal 1,7 Sekunden flotter als sein Vordermann im Alpine. Alonso verdiente das Podest.
"Die zwei Runden unter VSC haben uns Luft verschafft. Wir konnten nicht sicher sein. Es zählte jede Kurve", führte Alpine-Technikchef Marcin Budkowski aus. "Wir haben unsere Fahrer angewiesen, die Randsteine zu meiden, nachdem bei anderen Autos durch zu hohe Abnutzung und Vibrationen die Reifen geplatzt sind." Alpine hatte Zahltag. Man setzte sich in der WM um 25 Punkte von Alpha Tauri ab.
Warum war Überholen leichter als gedacht?
Im Vorfeld war befürchtet worden, dass in Katar kaum überholt werden würde. Das Gegenteil trat ein. Vor allem Verstappen, Perez und Bottas trumpften auf. 800 Meter DRS auf der langen Zielgeraden reichten aus, eine eigentlich zu schnelle letzte und erste Ecke zu kompensieren.
Es half, dass bei Streckentemperaturen um die 30 Grad die Reifen nie aus dem Fenster purzelten. "Damit war die Lage ganz anders als in Barcelona, wo die Autos beim Hinterherfahren sonst nur herumrutschen, und nie nah genug herankommen", erzählen die Mercedes-Ingenieure. Der alte Asphalt, der seit 2004 verlegt ist, erwies sich als besonders griffig. Bei viel Haftung rutschen die Autos auch in Turbulenzen weniger. Das sollte der Formel 1 eine Lehre sein.
GP Katar 2021 - Ergebnis Rennen
Fahrer |
Team |
Zeit/Rückstand |
1. Lewis Hamilton |
Mercedes |
1:24:28.471 h |
2. Max Verstappen |
Red Bull |
+ 25.743 s |
3. Fernando Alonso |
Alpine |
+ 59.457 s |
4. Sergio Perez |
Red Bull |
+ 62.306 s |
5. Esteban Ocon |
Alpine |
+ 80.570 s |
6. Lance Stroll |
Aston Martin |
+ 81.274 s |
7. Carlos Sainz |
Ferrari |
+ 81.911 s |
8. Charles Leclerc |
Ferrari |
+ 83.126 s |
9. Lando Norris |
McLaren |
+ 1 Runde |
10. Sebastian Vettel |
Aston Martin |
+ 1 Runde |
11. Pierre Gasly |
Alpha Tauri |
+ 1 Runde |
12. Daniel Ricciardo |
McLaren |
+ 1 Runde |
13. Yuki Tsunoda |
Alpha Tauri |
+ 1 Runde |
14. Kimi Räikkönen |
Alfa Romeo |
+ 1 Runde |
15. Antonio Giovinazzi |
Alfa Romeo |
+ 1 Runde |
16. Mick Schumacher |
Haas |
+ 1 Runde |
17. George Russell |
Williams |
+ 2 Runden |
18. Nikita Mazepin |
Haas |
+ 2 Runden |
19. Nicholas Latifi |
Williams |
Ausfall |
20. Valtteri Bottas |
Mercedes |
Ausfall |