Ferrari-Konzernchef Sergio Marchionne sprach von einem Versagen seines Teams. Doch warum fiel der Vorsprung von Mercedes in Monza so groß aus? In unserer Analyse blicken wir auf das einseitige Duell an der Spitze.
Ferrari-Konzernchef Sergio Marchionne sprach von einem Versagen seines Teams. Doch warum fiel der Vorsprung von Mercedes in Monza so groß aus? In unserer Analyse blicken wir auf das einseitige Duell an der Spitze.
Nach dem Krimi in Spa haben viele Experten in Monza ebenfalls mit einem engen Kampf zwischen Mercedes und Ferrari gerechnet. Doch dann zogen die Silberpfeile beim Auswärtsspiel in Italien eine große Show ab. „Die waren heute in einer eigenen Liga unterwegs“, stellte Red Bull-Teamchef Christian Horner nach dem Rennen erstaunt fest. Schon nach wenigen Runden konnten die Ingenieure am Mercedes-Kommandostand ihre Piloten anweisen, die Motoren auf den Schon-Modus umzuschalten. Lewis Hamilton und Valtteri Bottas fuhren anschließend im Cruise-Modus entspannt zum Doppelsieg.
Eine Analyse der Sektoren ergab, dass der W08 der Konkurrenz nicht nur auf den Geraden überlegen war, sondern auch in den kurvigen Abschnitten. Wie war das möglich? Hamilton versuchte das Wunder des in sieben Tagen verwandelten Silberpfeils zu erklären: „In Spa hat uns Ferrari in einigen Bereichen gekillt. Wir haben das genau analysiert und an diesen Bereichen gearbeitet, in denen sich das Auto nicht so wohl fühlt.“
Teamchef Toto Wolff wurde etwas präziser: „Die Balance am Kurvenscheitel hatte in Spa nicht ganz gepasst. Auch bei der Bremsstabilität und der Traktion haben wir Schwächen gezeigt. Hier in Monza haben wir versucht, genau diese Schwächen abzustellen.“ Offenbar gelang das besser als erwartet: „Das Auto war von der ersten Trainingsrunde sehr gut aufgestellt. Die Balance hat gepasst. Beide Fahrer haben sich einfach wohlgefühlt“, freute sich Wolff.
Der große Vorsprung von über einer halben Minute ließ sich nicht nur durch die Stärke von Mercedes erklären, sondern auch durch die Schwäche von Ferrari. „Wir hatten nach den Longruns am Freitag gedacht, dass es enger wird“, zeigte sich auch Wolff überrascht. „Irgendwas muss bei ihnen schiefgelaufen sein. Es sah so aus, als hätten sie einen Schritt rückwärts gemacht.“
Die Pleite bei Ferrari war das Ergebnis mehrerer Faktoren. Offenbar passte das spezielle Monza-Aero-Paket nicht so gut, wie bei der Konkurrenz. Dazu wurde nach dem Training am Freitag noch das Setup des roten Renners umgebaut. Durch den Regen am Samstag konnte man aber nicht überprüfen, ob die Maßnahmen auch erfolgreich waren. Vor allem zu Beginn des Rennens mussten sich die Piloten erst einmal zögerlich ans Limit herantasten. „Ich hatte nicht das richtige Vertrauen. Und das kann hier gleich mehrere Zehntel wert sein“, erklärte Sebastian Vettel.
Beim Heppenheimer kam in den letzten 20 Runden auch noch ein Problem mit der Lenkung dazu. Von den TV-Kameras nicht aufgenommen war der vierfache Weltmeister vor der ersten Schikane in letzter Sekunde noch in den Notausgang abgebogen. „Ich habe das Lenkrad rumgerissen und plötzlich gab es einen Schlag. Danach hatte die Lenkung offenbar einen Knacks. Das Steuer stand nach links schief und vor allem beim Bremsen wurde das Auto unruhig.“ Vettel musste am Ende sogar in einen höheren Motor-Modus schalten, um den Angriff von Daniel Ricciardo abzuwehren.
Die Red Bull-Verantwortlichen waren nach dem Rennen von Monza selbst über die gute Pace überrascht. „Wir hatten heute das zweitschnellste Auto im Feld“, zeigte sich Teamchef Horner zufrieden. Dank einigen aerodynamischen und mechanischen Upgrades nahm der RB13 der Angststrecke Monza den Schrecken. Doch wegen der Entscheidung für den Einbau neuer Komponenten und der damit verbundenen Rückversetzung in der Startaufstellung wurde es nichts mit dem Podium.
War die Entscheidung also ein Fehler? „Nein“, betont Horner. „Wir mussten neue Motorenteile in unseren Pool bringen, weil jetzt Strecken kommen, auf denen wir noch stärker sind.“ Vor allem in Singapur rechnet sich Red Bull viel aus. Insgeheim hofft man dort sogar um den Sieg kämpfen zu können. Aber selbst mit den schlechten Startplätzen hätte in Monza ein besseres Ergebnis rausspringen können. „Wenn alles glatt gelaufen wäre, wären wir auf Platz 3 und 4 gelandet. Ricciardo hatte einen schlechten Start, und Max musste wegen des Reifenschadens früh an die Box“, grantelte Teamberater Helmut Marko.
Bei Mercedes erzählt man gerne das Märchen, dass Ferrari in Sachen Motor-Power auf einem vergleichbaren Niveau zum eigenen Triebwerk liegt. Der Highspeed-Kurs in Monza bewies ganz klar, dass dies nicht der Fall ist. Für diese Erkenntnis reicht ein kurzer Blick auf die Kundenteams, die mit V6-Turbo-Triebwerken aus Brixworth beliefert werden. Selbst die beiden Williams, die in den letzten Rennen noch weit hinterherfuhren, waren plötzlich Kandidaten für die vorderen Plätze.
Wer einen Mercedes-Motor im Heck hatte, dem waren in Monza Punkte garantiert. Sowohl die beiden Werksrenner als auch die vier Kundenautos kamen am Ende in die Top Ten. Bei Ferrari rechnete man aus, dass der PS-Vorteil der Silberpfeile rund vier Zehntel auf einer Strecke wie Monza ausmacht. Auch der Blick auf die Top-Speed-Werte sprach eine eindeutige Sprache: Mit 357,4 km/h war Sergio Perez im Force India der schnellste Pilot auf der Geraden, gefolgt von Felipe Massa (356,7 km/h) im Williams.
Schon vor dem Rennen gab es jede Menge Diskussionen. Neun von 20 Fahrern kassierten in Monza Startplatzstrafen. Doch keiner wusste, wie die Reihenfolge der Aufstellung am Ende aussehen würde. Red Bull-Teamchef Christian Horner gab zu, dass auch die Experten verwirrt waren: „Nach dem Getriebewechsel von Perez haben wir noch auf dem Weg zur Startaufstellung gegrübelt, ob Max nun auf Platz 13 oder 12 losfährt.“
Die FIA gab immer wieder provisorische Listen heraus, die aber nur zu noch mehr Konfusion führten. So war zum Beispiel Sauber-Pilot Marcus Ericsson durch zahlreiche Motorenstrafen sechs Plätze nach vorne auf Rang 12 gerückt. Doch Sergio Perez wurde von seinem zwischenzeitlichen Startplatz 9 nicht hinter den Schweden gesetzt, sondern davor.
Um das zu kapieren muss man den Berechnungsmodus der FIA kennen. Jeder Pilot bekommt die Strafe zuerst auf seinen ursprünglichen Startplatz draufgerechnet. Erst ganz am Ende wird dann sortiert. So kam im vorliegenden Fall Perez auf den Wert 16 (11+5) und Ericsson ohne Strafe auf 18 – seiner Platzierung im Qualifying.
Haben zwei Piloten den gleichen Wert, dann kann es entscheidend sein, welche Strafe zuerst angerechnet wird. Auch hier gibt es einige Dinge zu beachten: Bei Motorenstrafen zählt der Zeitpunkt, wann die entsprechende Komponente das erste Mal auf der Strecke eingesetzt wird. Bei Getriebewechseln ist der Zeitpunkt der Anmeldung bei der FIA ausschlaggebend. Und bei Sport-Strafen zählt der Zeitpunkt des Vergehens.
In der Galerie zeigen wir Ihnen noch einmal die Highlights des Rennens.
GP Italien 2017: Ergebnis Rennen
Fahrer | Team | Zeit / Rückstand |
---|---|---|
1. Lewis Hamilton | Mercedes | 1:15.32,310 Std. |
2. Valtteri Bottas | Mercedes | + 0:04.471 Min. |
3. Sebastian Vettel | Ferrari | + 0:36.317 |
4. Daniel Ricciardo | Red Bull | + 0:40.335 |
5. Kimi Räikkönen | Ferrari | + 1:00.082 |
6. Esteban Ocon | Force India | + 1:11.528 |
7. Lance Stroll | Williams | + 1:14.156 |
8. Felipe Massa | Williams | + 1:14.834 |
9. Sergio Perez | Force India | + 1:15.276 |
10. Max Verstappen | Red Bull | + 1 Runde |
11. Kevin Magnussen | Haas | + 1 Runde |
12. Daniil Kvyat | Toro Rosso | + 1 Runde |
13. Nico Hülkenberg | Renault | + 1 Runde |
14. Carlos Sainz Jr. | Toro Rosso | + 1 Runde |
15. Romain Grosjean | Haas | + 1 Runde |
16. Pascal Wehrlein | Sauber | + 2 Runden |
17. Fernando Alonso | McLaren | Ausfall |
18. Marcus Ericsson | Sauber | Ausfall |
19. Stoffel Vandoorne | McLaren | Ausfall |
20. Jolyon Palmer | Renault | Ausfall |