Ist es ein Museum oder eine zu große Garage? Wer vor der Autosammlung von Nelson Piquet steht, der stellt sich diese Frage ganz automatisch. Der Brasilianer hat auto motor und sport exklusiv zu sich nach Hause eingeladen. Und während des Besuchs auf dem riesigen Anwesen in Brasilia nimmt er uns oft an diesen Platz mit. Gefühlte fünf Stunden jeden Tag.
Piquet liebt es sich auf seine Couch in einer Ecke der großen Halle zu setzen, sich bei einem Espresso seine Spielzeuge anzuschauen und sich die Frage zu stellen: Wohin fahre ich jetzt mit welchem Auto?
Wir reden hier nicht von Matchbox-Modellen. In der Garage des dreifachen Weltmeisters am Stadtrand von Brasilia stehen echte Autos zum Anfassen und zum Fahren. Rund 50 Stück. Alte, neue, im Originalzustand oder aufgemotzt. Alle blitzblank geputzt, als kämen sie direkt aus dem Prospekt. Dazu 25 Motorräder. Eine Werkstatt und ein Ersatzteillager. Und eine echte Tankstelle. Brasilien kann ein Märchenland sein. Wenn man ein gut gefülltes Bankkonto hat.
Nelson Piquet leistet sich Autosammlung plus Ersatzteillager
Nelson Piquet verdient mit seiner Firma Autotrac heute mehr Geld, als er früher in seiner kompletten Rennkarriere eingesammelt hat. So lässt sich der kostspielige Auto-Spleen finanzieren. Dazu noch die Helikopter und Flugzeuge. Angefangen hat alles im Alter von zehn Jahren.
„Meine Mutter fuhr einen alten DKW. Ein Freund der Familie hatte einen Cadillac. Was für ein Schiff. Was für ein Fahrgefühl im Vergleich zu unserem DKW. Ich verliebte mich in diese Autos, auch wegen ihrer Details. Sehen sie die Tankklappe, die unter dem Rücklicht versteckt ist. Einfach wunderbar. Deshalb war das erste Auto meiner Sammlung ein Cadillac Eldorado von 1956. Inzwischen habe ich vier Modelle davon. Einer wird gerade von meinen Mechanikern restauriert.“
Stichwort Mechaniker. Fünf Mitarbeiter helfen Piquet, alte Autos wieder flott zukriegen und die Sammlung im besten Zustand zu halten. Der 23-fache GP-Sieger macht sich aber auch gerne selbst mal die Finger schmutzig. „Ich habe ja mal als Mechaniker angefangen. Bei VW-Motoren macht mir keiner was vor.“
In der Werkstatt stehen gerade ein Mercedes aus dem Jahr 1939, ein Ford von 1929, eine türkisblauer Cadillac Eldorado mit 315 PS, ein Jeep und ein ausgebeinter de Tomaso Pantera. „Der wird in einem halben Jahr fertig sein“, verspricht Piquet.
Hinter der Werkstatt befinden sich zwei gut gefüllte Ersatzteillager. Dort stapeln sich Motoren, Turbolader, Getriebe, ganze Achsen, aber auch Zahnriemen, Reifen, Felgen, Dichtungen, Bleche aller Art um beschädigte Karosserieteile auszutauschen und jedes erdenkliche Zubehör für alte und neue Autos.
In einem Regal findet sich Lektüre zu den Autos, die Piquet fährt. Mit dem Sammeln kam das Interesse. Der Ex-Champion weiß erstaunlich gut über die Geschichte seiner Modelle Bescheid. Und er führt für jedes Auto eine Art Fahrtenbuch. Darin ist vermerkt, wo es herkommt, wie viele Vorbesitzer es hatte, wie viele Kilometer, welche Reparaturen, welches Tuning.
Nelson Piquet kauft alten Rolls Royce im Neuzustand
Bei all den Pretiosen stellt sich natürlich die Frage. Welcher ist der teuerste? Piquet zeigt auf einen Rolls Royce aus dem Jahr 1926 und erzählt eine interessante Geschichte dazu. „Er gehörte ursprünglich den Besitzern des Copacabana Palace Hotels in Rio. Die haben ihn an einen Geschäftsmann in Sao Paulo verkauft. Als ich von dem Auto Wind bekam, hieß es er sei wenig gefahren worden.“
„Ich habe mir den Rolls angeschaut und gesehen, dass der noch keinen Meter zurückgelegt hatte. Das Öl im Motor hatte sich über all die Jahre in Fett verwandelt, das Benzin in Pulver. Wir haben alles gereinigt, durchgespült, Benzin und Öl rein, den Motor angelassen, und das Auto lief. Weil keine Gummidichtungen oder sonstige kurzlebige Materialien verbaut wurden. Alles solide Mechanik. Für die Motorsteuerung haben sie einen Lederriemen genommen.“
Heute dürfte das Auto 2,5 Millionen Dollar wert sein. Aber es ist unverkäuflich. Piquet kramt die Bedienungsanleitung des Rolls hervor, die im Kofferraum verstaut ist. Das Buch ist für sich gesehen schon ein Museumsstück: „Schau dir das an. Es ist mehr eine Bauanleitung als eine Gebrauchsanweisung. Mit einer Schnittzeichnung vom Motor, der genauen Getriebeübersetzung und dem Schaltplan der Elektrik. Du könntest den Kabelbaum selbst verlegen.“
Die Firma Rolls Royce hat es Piquet angetan. Gleich nebenan steht noch ein beiger Rolls Corniche, Baujahr 1977, herum, den er in Miami gefunden hat. Der jüngste Vertreter des Traditionsunternehmens in Piquets Sammlung ist das 2012er Modell Ghost.
Exoten von Interlagos bis Puma?
Das Gegenstück zu den Luxuskarossen der britischen Edelmarke ist ein alter Renault 4CV. Piquet schätzt seinen Preis auf 10.000 Dollar. Auch ein echter Käfer darf nicht fehlen. „1974 hier in Brasilia gebaut. Er hat gerade mal 1.000 Kilometer auf der Uhr.“ Manchmal wird der letzte Playboy unter den Formel 1-Weltmeistern sentimental. „Ich hatte mal ein BMW M3 Cabrio. Das habe ich verkauft. Später habe ich ihn in einem Inserat hier in Brasilia wieder entdeckt. Ich habe ihn mir sofort zurückgeholt.“
Neben Klassikern wie einem Porsche 365 von 1959, zwei Jaguar E-Types von 1970 und 1973, dem Ur-Mini, einem Mustang wie im Film Bullit, zwei Corvettes, einem Karmann Ghia von 1970, einem Ferrari 308 GTSi von 1980 und einen 10 Jahre älteren Dino, stehen auch ein paar echte Exoten auf dem exklusiven Parkplatz des Ex-Weltmeisters. Zum Beispiel ein Interlagos. Das Auto, das 1975 in Sao Paulo gebaut wurde, ist ein Renault Alpine-Verschnitt mit 65 PS.
Auch der Puma ist ein Auto aus brasilianischer Produktion. Er kommt aus Porto Alegre. Piquet hat zwei davon. Einen im Originalzustand mit Vierzylinder VW-Motor aus dem Jahr 1984 und einen verschärften. Und dann gleich richtig. „Ich habe mir einen Formel 1-Motor von BMW aus den 80er Jahren besorgt und das Ding samt Ladeluftkühler ins Heck gebaut. Mit 1,8 bar Ladedruck hat er 650 PS. Das Auto ist gemeingefährlich. Kann vor lauter Kraft kaum geradeaus fahren.“
Ford GT40 mit 950 PS
Piquet ist kein Purist. Es macht ihm nichts aus, wenn er das Original ein bisschen tunt. So wie einen der beiden Minis, der jetzt 300 PS hat. Oder den VW-Bus, der erst drei Jahre alt aber auf Retro getrimmt ist und obendrein noch mit einem Turbo-Motor versehen wurde.
Oder der Lincoln von 1927, mit dem er Rennen fuhr. „Ursprünglich wurde das Auto für die 500 Meilen von Indianapolis gebaut und hat deshalb nur hinten Bremsen. Ich fahre auf echten Rennstrecken damit. Mit zwei Trommelbremsen wäre das lebensgefährlich. Also habe ich vorne zwei Scheibenbremsen eingebaut und hinten eine zusätzliche Feder, damit das Fahrwerk nicht so hart ist.“ Dann steht da noch ein Cobra-Nachbau mit einer Karosserie aus Karbon. „Die Karosserie wiegt nur 85 Kilogramm“, verrät Piquet.
Natürlich gehören auch modernere Autos der Kollektion an. Ein BMW Z8, von dem nur 4 Exemplare in Brasilien verkauft wurden. Ein Ferrari FF, ein Ferrari 599 und ein McLaren MP4-12C. Der Jaguar XJ220 ist schon wieder ein Exot. Nur 288 Stück wurden von dem 790 PS starken Sportwagen gebaut, der in Le Mans fahren sollte. Piquet hat das Auto von einem Onkel des Ex-Rennfahrers Pedro Diniz erstanden.
Das stärkste Auto im Portfolio ist der Ford GT40, dem Piquet einen monströsen Heckflügel verpasst hat, weil auch dieses Auto manchmal auf die Rennstrecke ausgeführt wird. Heute fahren wir damit auf die Landebahn. Richtig gehört. Piquet hat eine eigene Landebahn auf seinem 100 Hektar Grundstück. Für seine Flugzeuge.
Auf dem 900 Meter langen Asphaltstück mitten im Wald gibt er den 950 PS des Ford GT40 die Sporen. „Aber nur bergauf. So wie wir auch landen. Bergab ist mir zu riskant. Wenn die Bremsen versagen, liege ich im Wald.“
Die drei Tage auf dem Piquet-Anwesen in Brasilia gehen wie im Flug vorbei. Leider haben wir nicht genug Zeit, alle Autos zu probieren. „Ich brauche ungefähr einen Monat, bis ich alle durchhabe“, grinst der heute 63-jährige Brasilianer.
Letzte Frage: Keine Interesse an seinen alten Rennautos? „Ich habe nur den Williams von 1987 zuhause. Den habe ich mir von Frank gekauft. Leider hatte ich damals vergessen, mir vertraglich meine Rennautos zu sichern.“ Der Williams ist übrigens nicht Teil der Kollektion. Er hängt in der Villa im Treppenaufgang an der Wand.