Lewis Hamilton erfuhr erst nach dem Rennen, dass ihm das Safety-Car mehr half als schadete. In unserer Rennanalyse erklären wir warum und beantworten weitere offene Fragen.
Lewis Hamilton erfuhr erst nach dem Rennen, dass ihm das Safety-Car mehr half als schadete. In unserer Rennanalyse erklären wir warum und beantworten weitere offene Fragen.
Während des Rennens schimpfte Hamilton über den Einsatz des Safety-Cars. Nach der Zieldurchfahrt durfte sich der Brite aber bei der Rennleitung bedanken. Toto Wolff klärte seinen Piloten auf, dass die Neutralisation nicht so ungelegen kam, wie es auf den ersten Blick schien: „Wir haben gesehen, dass Lewis eine Blase auf dem rechten Hinterreifen hatte. Durch das Safety-Car konnten wir den Reifen ohne Platzverlust wechseln.“
Ohne die Beschädigung im Reifen hätte man sich in der Safety-Car-Phase vielleicht dazu entschieden, gar nicht an die Box zu fahren. „Wir haben da heftig diskutiert. Bei einem Boxenstopp riskiert man immer, die Führung abzugeben. Ohne Boxenstopp wären wir aber mit alten Reifen unter Beschuss geraten. Die Blase auf dem Reifen gab am Ende den Ausschlag für den Boxenstopp“, erklärte Wolff.
Weil auch Vettel zum Reifenwechsel ging, verlor Hamilton die Führung nicht. Der Grund dafür, dass die Mercedes-Strategen die Mischung „Soft“ für den letzten Stint aufziehen ließen, war dagegen einfach. Wolff verriet: „Wir hatten keinen frischen Ultrasoft mehr. Der hätte auch nur direkt nach dem Restart einen Vorteil gebracht. Wir waren der Meinung, dass der Soft für die letzten 11 Runden die bessere Wahl ist.“
Für die Experten im Fahrerlager war der Fall klar: In der Windschattenschlacht durch Eau Rouge würde Hamilton mit seinen Soft-Reifen beim Restart chancenlos sein, gegen den mit „Ultrasoft“ bewaffneten Verfolger. Doch dann wehrte der Brite den Angriff überraschend souverän ab. Wie war das möglich?
Drei Faktoren führten am Ende zur Verteidigung der Spitzenposition. Der erste war Hamilton selbst. „Er hat vor Eau Rouge etwas Gas rausgenommen“, verriet Vettel. „Damit hing ich ganz nah an ihm dran und musste zu früh aus dem Windschatten ausscheren.“ Hamilton gab zu, dass er seinen Gegner absichtlich auflaufen ließ: „Er konnte mich ja nicht vor Eau Rouge überholen, sonst hätte ich direkt danach im Windschatten gekontert. So habe ich erst nach der Senke volle Leistung gegeben.“
Auch das Setup half Hamilton dabei, die Attacke des Ferrari abzuwehren, wie Teamchef Wolff erklärte: „Wir haben bewusst etwas Abtrieb rausgenommen, um den Speed auf den Geraden zu erhöhen. Mit den flacheren Flügeln haben wir etwas Pace im Qualifying geopfert. Wären wir mehr Abtrieb gefahren, hätten wir im zweiten Sektor nicht so viel Zeit verloren. Damit wäre die ganze Runde etwas schneller gewesen.“
Der dritte Grund lag in der Technik. Mercedes ist in den Einstellungen seines Hybrid-Modus variabler als Ferrari. Dadurch konnte Hamilton am Lenkrad die Leistungsabgabe für den Restart so speziell anpassen, dass er auf der kompletten Geraden mit Zusatzpower aus dem Elektromotor versorgt wird. Vettel fuhr mangels Alternative mit Standard-Einstellungen, die für eine gleichmäßige Energie-Abgabe über die komplette Runde sorgen. Damit ging ihm aber schon vor dem Ende der Geraden der Saft aus – in der Fachsprache „De-Rating“ genannt.
Die Force India-Piloten gerieten in Spa gleich zweimal aneinander. In der Startrunde versuchte sich Esteban Ocon bei der Anfahrt auf Eau Rouge innen an Sergio Perez vorbeizuquetschen. Weil aber auf der anderen Seite noch Nico Hülkenberg vorbeizog, ging der Platz aus. „Wenn man zu dritt nebeneinander fährt, kann man das schon mal übersehen. Aber eigentlich hätte er mich sehen müssen“, schimpfte Ocon.
Die Rennleitung verzichtete auf eine Strafe. Und so kam es in Runde 29 erneut zum Duell der beiden rosa Renner. Gleiche Stelle, gleicher Gegner, anderer Ausgang. Ocon setzte ungeduldig zur Attacke an. Dieses Mal berührte er mit seinem Frontflügel den rechten Hinterreifen des Schwesterautos, was in einem Flügel-Bruch und einem Plattfuß endete. Beide Piloten mussten zur Reparatur an die Box. Statt fetter Punkte gab es am Ende nur magere zwei Zähler.
Die Rennleitung war der Meinung, dass beide Piloten die Kollision hätten vermeiden können. Deshalb wurden erneut keine Strafen ausgesprochen. Für Ocon war die Schuldfrage dagegen klar: „Perez wollte mich zweimal umbringen. Das ist ihm zum Glück nicht gelungen“, twitterte der Franzose – und das direkt nach dem gemeinsamen Briefing. Die Teamführung will nun die Politik des freien Fahrens überdenken: „Wir entscheiden künftig, wann überholt wird“, kündigte Sportdirektor Otmar Szafnauer an.
Hamilton beklagte sich schon während des Rennens über die Entscheidung, nach dem Force India-Crash das Safety-Car rauszuschicken. Auch nach der Zieldurchfahrt, zeigte sich der Sieger wenig begeistert: „Da lagen doch kaum Trümmerteile herum. Und die waren dann auch noch sehr schnell weggeräumt. Da hätte es doch auch locker eine Virtuelle Safety-Car-Phase getan.“
Hamilton äußerte zwischen den Zeilen den Verdacht, dass die Schiedsrichter das Spiel im Finale etwas spannender gestalten wollten. Doch das wurde von den FIA-Männern direkt dementiert: „Die Trümmer aus Carbon- und Reifenteilen lagen weit über die Strecke verteilt“, erklärte Rennleiter Charlie Whiting. „Und auf einem Highspeedkurs wie Spa wollten wir keinen schweren Unfall durch einen Reifenschaden riskieren.“
In der achten Runde trauten die 80.000 holländischen Fans ihren Augen kaum. Max Verstappen rollte antriebslos auf der langen Geraden aus. Die Ingenieure wiesen den Lokalmatador an, den Motor abzustellen. Der Grund für den sechsten Ausfall im zwölften Rennen war ein fehlerhafter Sensor am vierten Zylinder, der den Renault-V6 ins Stottern brachte. Markenbotschafter Alain Prost entschuldigte sich anschließend persönlich bei Verstappen. Horner schimpfte: „Die Qualität ihrer Produkte ist einfach nicht gut genug.“
Für Kimi Räikkönen setzte es in Spa die zweithärteste Bestrafung, die das Regelbuch hergibt – nach einer Disqualifikation. Weil er bei doppelt geschwenkten gelben Flaggen volle Kanone die Kemmel-Gerade entlang schoss, sprachen die FIA-Kommissare eine 10-Sekunden Stopp-and-Go-Strafe aus. Der Pilot verstand die Welt nicht mehr: „Der havarierte Red Bull war doch schon halb hinter die Bande geschoben. Da bestand überhaupt keine Gefahr mehr.“
Rennleiter Charlie Whiting wiedersprach dem Iceman: „Der Fahrer hat nicht zu entscheiden, was gefährlich ist oder nicht.“ Bei Tempo 330 km/h ist auch zu bezweifeln, dass der Finne aus seinem Cockpit die komplette Lage überblicken konnte. Zudem hatten Regelhüter bei ihrem Urteil auch gar keinen Spielraum. Der F1-Strafenkatalog schreibt bei Vergehen unter doppelt gelb zwingend eine 10-Sekunden Stop-and-Go-Strafe vor.
Fernando Alonso stellte sein Auto ohne ersichtlichen Defekt in Runde 26 in der Box ab. Als Grund für den Ausfall gab der Spanier Motorprobleme an. „Er hatte ein komisches Gefühl im Auto“, wich Teamchef Eric Boullier aus. Honda-Rennleiter Yusuke Hasegawa ging ebenfalls in Deckung: „Das Gefühl des Fahrers hat immer Recht.“ Der Japaner sagte aber auch: „Wir konnten an den Daten keinen Schaden erkennen.“ Das lässt den Schluss zu, dass Alonso den McLaren einzig und allein aus Frust abstellte. Und um ein Zeichen zu setzen.
In der Galerie zeigen wir Ihnen noch einmal die Highlights vom Rennen in Spa-Francorchamps.
Ergebnis GP Belgien 2017
Fahrer | Team | Zeit / Rückstand |
---|---|---|
1. Lewis Hamilton | Mercedes | 1:24.42,820 Std. |
2. Sebastian Vettel | Ferrari | + 0:02.358 Min. |
3. Daniel Ricciardo | Red Bull | + 0:10.791 |
4. Kimi Räikkönen | Ferrari | + 0:14.471 |
5. Valtteri Bottas | Mercedes | + 0:16.456 |
6. Nico Hülkenberg | Renault | + 0:28.087 |
7. Romain Grosjean | Haas | + 0:31.553 |
8. Felipe Massa | Williams | + 0:36.649 |
9. Esteban Ocon | Force India | + 0:38.154 |
10. Carlos Sainz Jr. | Toro Rosso | + 0:39.447 |
11. Lance Stroll | Williams | + 0:48.999 |
12. Daniil Kvyat | Toro Rosso | + 0:49.940 |
13. Jolyon Palmer | Renault | + 0:53.239 |
14. Stoffel Vandoorne | McLaren | + 0:57.078 |
15. Marcus Ericsson | Sauber | + 1:07.262 |
16. Kevin Magnussen | Haas | + 1:09.711 |
17. Sergio Perez | Force India | Ausfall |
18. Fernando Alonso | McLaren | Ausfall |
19. Max Verstappen | Red Bull | Ausfall |
20. Pascal Wehrlein | Sauber | Ausfall |