Charles Leclerc war der Mann des Rennens in Bahrain. Der 21-Jährige erntete Lob von allen Seiten und setzt Sebastian Vettel jetzt schon unter Druck. Wer ist dieser Typ, der immer so sortiert wirkt?
Charles Leclerc war der Mann des Rennens in Bahrain. Der 21-Jährige erntete Lob von allen Seiten und setzt Sebastian Vettel jetzt schon unter Druck. Wer ist dieser Typ, der immer so sortiert wirkt?
Es war nur ein kurzer Moment, in dem Charles Leclerc sich von seinen Emotionen hinreißen ließ. „Da stimmt etwas mit dem Motor nicht. Was ist da los?”, sagte der 21-Jährige in Führung liegend am Funk mit hastiger Stimme. “Bleib ruhig”, antwortete sein Ingenieur – auch wenn er ihm letztlich nicht helfen konnte. Von Runde 46 auf 47 reduzierte sich der Abstand von Lewis Hamilton auf Leclerc schlagartig um rund vier Sekunden. Einen Umlauf später hatte sich Hamilton bereits die Führung geschnappt. Kurz darauf zog Valtteri Bottas ebenfalls vorbei. Leclerc blieb dank des Safety-Car Platz drei als Trostpflaster – sein erstes Podiumsergebnis in der Formel 1.
Leclerc hätte danach toben können. Fluchen. Seinem ersten Sieg hinterher weinen. Doch der Monegasse stellte sich nach dem Rennen hin und sagte: „Es passiert, das gehört zum Motorsport. Das war heute nicht unser Tag. Das Team hat aber einen tollen Job gemacht, die fehlende Pace von Australien aufzuholen.” Es klingt ein bisschen wie eine auswendig gelernte Rennfahrer-Floskel. Doch Leclerc scheint eine Art Buddha in sich ruhen zu haben. Er nimmt die Dinge, wie sie kommen, hadert nicht, akzeptiert die Situation.
“Charles war heute der emotionale Sieger”, sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. „Das war sehr, sehr eindrucksvoll. Er hat eine tolle Persönlichkeit, ist demütig und sehr schnell. Und er kann seine Gefühle in beide Richtungen kontrollieren.” Damit spielt Wolff darauf an, dass Leclerc auch nach seiner ersten Pole in Bahrain recht sortiert und ruhig wirkte. Er machte kein großes Ding daraus, war geradezu aufgeräumt.
Man mag das womöglich als emotionslos oder fast schon roboterhaft sehen. Es ist aber vielleicht schon jetzt eine der großen Stärken von Leclerc – vor allem im mentalen Zweikampf. Leclerc arbeitet seit einigen Jahren mit Mentaltrainern zusammen und sagt, er habe dadurch gelernt, in schwierigen Situationen ruhiger zu bleiben.
Interessant dabei: Die Höhen und Tiefen des Lebens so anzunehmen, wie sie kommen und sich nicht die Frage “Warum passiert mir das?” zu stellen, ist ein Kern der so genannten Resilienz. Damit bezeichnet man die psychische Widerstandskraft eines Menschen, sich von Rückschlägen zu erholen.
Davon hatte Leclerc schon einige in seinem Leben. Er verlor mit Jules Bianchi nicht nur einen sehr engen Freund und Mentor, sondern mit seinem Vater im Jahr 2017 seine wohl wichtigste Bezugsperson. Hervé Leclerc fuhr selbst Formel 3-Rennen und begleitete seinen Sohn von den ersten Anfängen im Kartsport. Nur vier Tage nach seinem Tod holte er in Baku einen Sieg in der Formel 2.
Leclerc sagte in einem Interview im vergangenen Jahr, als er noch für Sauber fuhr, dass der Tod seines Vaters ihn definitiv als Mensch verändert habe: „Ich bin viel reifer geworden und sehe die Dinge jetzt ganz anders. Der Druck, ich fühle ihn, aber 20 mal weniger.”
Im Fall von Leclerc stimmt die Kombination aus Talent, Ehrgeiz und richtiger Einstellung wie bei einem gut gemixten Cocktail. Ohnehin ist er sich selbst der größte Kritiker. “Ich tendiere oft dazu, mich auf das Negative an mir an einem Wochenende zu konzentrieren”, gibt er zu. „In Melbourne habe ich noch viele Fehler gemacht. Da war ich nicht zufrieden mit mir. Vor allem im dritten Quali-Abschnitt”, sagte Leclerc kurz nach dem Rennen. “Heute habe ich im Vergleich dazu einen guten Job gemacht. Es waren aber immer noch kleine Fehler drin, an denen ich arbeiten werde.”
Es wirkt wie eine große Kunst, dass er sich trotz seiner Selbstkritik, nicht verunsichern lässt. Denn da besteht oft die Gefahr, sich mit jedem weiteren Fehler noch mehr aus dem Konzept bringen zu lassen. Wohlgemerkt, der Junge ist 21 Jahre alt. Und fährt seine erste Saison für ein Team wie Ferrari.
Leclerc erntete für seine brillante Vorstellung mit 41 Führungsrunden Applaus von allen Seiten. Von Lewis Hamilton über Sebastian Vettel, Felipe Massa, Romain Grosjean oder Alex Zanardi. Sie alle fanden spezielle Worte für den Ferrari-Newcomer. Toto Wolff sieht ihn klar als künftigen Weltmeister. Ferrari-Teamchef Mattia Binotto sagt dazu: „Ich hoffe, Toto hat Recht. Solange Charles ein Ferrari-Fahrer ist.”