Dieses Jahr wollte Nissan in Le Mans siegen, so kündigte es der damalige Nissan-Chef Andy Palmer bei der Präsentation des LMP1-Projekts im Sommer 2014 in London vollmundig an. Dazu wird es nun nicht mehr kommen. Klammheimlich und leise wurde das Projekt mittels einer dürren Pressemitteilung am 22. Dezember beerdigt.
Nissan wünschte fröhliche Weihnachten
Die Verantwortlichen hatten noch nicht mal die Eier, die Nachricht ordnungsgemäß an die Journaille zu versenden, auch auf Nissans LMP1-Webseite wurde der jammerlappige Nachruf nicht hochgeladen. Schlechtes Gewissen vielleicht? Das wäre immerhin berechtigt, denn bei keinem anderen Motorsportprojekt, an das ich mich erinnern kann, war die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität größer als bei diesem Nissan-Fiasko. Auf der einen Seite die verbalen Blütenträume aus dem Urinal der sozialen Medien, auf der anderen Seite das spektakuläre Scheitern technischer Inkontinenz auf der Rennstrecke.
Es macht einen fast sprachlos zu sehen, dass selbst das Ende des Programms an Dilettantismus nicht zu überbieten war: Das Team hatte die Teile für ein neues Aero-Paket noch im Dezember bestellt, für mehrere Millionen Euro. Dazu neue Getriebe und neue Bremsen. Und natürlich auch ein neues Hybridsystem, dass man schlaumeierisch als Ableger des Renault-F1-Hybridsystems verkaufte - obwohl es doch nur aus der Formel E stammt, und damit in der LMP1-Klasse vermutlich so wirkungsvoll gewesen wäre wie ein Regenschirm in der Wüste.
Fast noch schlimmer als die peinlichen Lügen und Fehltritte ist die Art und Weise, wie Nissan mit den Arbeitsbienen im LMP1-Stock umgegangen ist: Eine Stunde vor der Veröffentlichung der (nicht-öffentlichen) Mitteilung wurden die Mitarbeiter informiert, verbunden mit der charmanten Aufforderung, dass sie ihr Geraffel doch bitte bis Heiligabend aus dem Nissan-Workshop zu entfernen hätten, weil dann die Tür-Codes geändert werden. Schon das Timing des Ausstiegs ist eine Beleidigung für alle jene Mechaniker, die sich monatelang an der hoffnungslosen LMP1-Kiste die Finger fusselig geschraubt hatten. Deutlicher kann ein Hersteller die Geringschätzung für seine eigenen Mitarbeiter kaum dokumentieren.
Möge Bowlbys Pause lange halten!
Schuld am Scheitern sind natürlich nicht die Mechaniker, die sich jetzt einen neuen Job suchen müssen, sondern die Großkopferten an der Spitze des Programms. Die werden im Gegensatz zu den Mechanikern aber weich fallen, denn sie haben sich mit ihren feuchten Träumen vom LMP1-Sieg vermutlich auch die Taschen gut gefüllt.
Nismo-Motorsportchef Darren Cox war ja schon weg, Konstrukteur Ben Bowlby gönnt sich nach eigener Aussage nun erst einmal eine Auszeit. Möge sie lange halten! Anfang Dezember auf der PRI-Show in Indianapolis hatte er noch von Fortschritten bei den Testfahrten berichtet. Wer einmal mit dem Lügen beginnt, kann vermutlich nie mehr aufhören, denn in Wahrheit war die LMP1-Gurke mit neuer Aerodynamik genau so schnell wie vorher. Konnte ja auch anders nicht sein, denn natürlich war kein Hybridsystem an Bord, ergo wurde auch nichts an die Hinterräder geboostet. Seltsamerweise verkaufte Nissan die fortdauernde Langsamkeit diesmal nicht als Fortschritt - unter Darren Cox wäre das sicher anders gewesen.
Und die Moral von der Geschicht? Halbe Eier rollen nicht. Palmer, Cox und Bowlby haben die Marke Nissan vermutlich für alle Ewigkeit für den Langstreckensport verbrannt. Und ich behaupte: sehenden Auges, denn so wenig Ahnung vom Motorsport kann man gar nicht haben, nicht zu erkennen, dass man Audi und Porsche nicht mit einem Frontantriebskonzept schlagen kann. 40 bis 50 Millionen soll das Langstreckengespenst von Nissan bis heute verschlungen haben. Zwei Fragen: Wofür? Und wo ist all das Geld geblieben?