Lamborghini wird als sechster Hersteller einen LMDh-Prototypen für die WEC und die IMSA bauen. Ab 2024 soll der Langstrecken-Rennwagen gegen die namhafte Konkurrenz antreten. Jetzt haben die Italiener erste Informationen zur Technik veröffentlicht.
Lamborghini wird als sechster Hersteller einen LMDh-Prototypen für die WEC und die IMSA bauen. Ab 2024 soll der Langstrecken-Rennwagen gegen die namhafte Konkurrenz antreten. Jetzt haben die Italiener erste Informationen zur Technik veröffentlicht.
Was lange währt, wird endlich gut: Im Januar 2020 kündigten ACO und IMSA beim 24h-Rennen in Daytona eine gemeinsame neue Topklasse bestehend aus den LMDh-Fahrzeugen nach US-Reglement und den Hypercars nach FIA-/ACO-Regelwerk an. Vom ersten Tag wurde dabei auch über den Zutritt von Lamborghini spekuliert.
Ursprünglich hätte das Prototypen-Projekt der italienischen Sportwagenmarke schon im Januar 2021 verkündet werden sollen, damals noch als Zweitverwertung der von Porsche entwickelten VW-Konzernplattform. Schließlich dauerte es bis Mitte Mai, bis die zum VW-Konzern gehörende Marke endlich den Einstieg für das Jahr 2024 bestätigte.
Im Gegensatz zu den ursprünglichen Planungen von 2021 wird Lamborghini das Programm jedoch in Eigenregie aufsetzen, und nicht auf die Porsche-LMDh-Plattform zurückgreifen. Mit dem neuen Projekt kämpft Lamborghini dann ab 2024 nicht mehr nur um Klassensiege im GT3-Sport, sondern endlich auch um Gesamtsiege bei den großen Langstreckenklassikern wie in Le Mans, Daytona oder Sebring.
"Der Aufstieg in die Top-Klasse des Langstreckensports ist ein Meilenstein in der Geschichte von Lamborghini", erklärte CEO Stephan Winkelmannn. "Wir werden uns in Zukunft mit den stärksten Wettbewerbern bei den wichtigsten Langstreckenrennen der Welt messen. Durch den Einstieg in die LMDh-Klasse erreichen wir eine höhere Sichtbarkeit für unser Sportprogramm, außerdem können wir in der neuen Top-Klasse zukünftige Technologien für unsere Straßensportwagen erproben."
Am Dienstag (20.9.) veröffentlichte der Hersteller nun auch endlich die ersten technischen Informationen zum geplanten Prototypen. Demnach wird der neue Rennstier von einem hybrid-unterstützten V8-Biturbo befeuert. Das Aggregat soll eine Gesamtleistung von 681 PS über ein Siebengang-Xtrac-Getriebe auf die Hinterräder wuchten und muss laut Reglement mindestens 180 Kilogramm wiegen.
Die Frage nach dem Antrieb, also der zentralen Komponente, die im neuen amerikanischen LMDh-/GTP-Konzept wirklich direkt vom Hersteller stammt, ist ein Schlüsselelement im Konstrukt der neuen Topklasse: Eine Ableitung aus der Serie ist erwünscht, aber nicht zwingend notwendig.
Große Hersteller wie Porsche oder BMW können auf ehemalige Renntriebwerke zurückgreifen, weil der direkte Markenbezug nicht im Fokus steht. Kleine Hersteller wie Lamborghini müssen zwingend die Brücke zur Motorisierung der Seriensportwagen herstellen, weil sonst niemand das Engagement verstehen würde. Deshalb ist die Ankündigung von Lamborghini, beim kommenden LMDH/GTP einen V8-Biturbo einzusetzen, durchaus bemerkenswert.
Lamborghini gab bekannt, dass der V8-Biturbo direkt in der hauseigenen Rennabteilung Squadro Corse aufgebaut wird. Bisher wird nur das Urus-Modell mit einen V8-Biturbo aus dem Audi-Regal befeuert, und der verfügt über einen Bankwinkel von 90 Grad – wie der projektierte Lambo-Rennmotor. Gut möglich, dass es sich also zumindest beim Motorlayout um eine Audi-Ableitung handelt.
Quellen aus dem VW-Konzern verweisen darauf, dass aus Marketingsicht die Verwendung eines SUV-Triebwerks im GTP-Konzept wenig Sinn mache. Deshalb liegt die Spekulation nahe, dass auch der Huracan-Nachfolger, der ab 2025 an den Start gehen soll, über einen V8-Biturbo verfügen wird, womit der legendäre 5,2-Liter-V10-Motor ausgedient haben dürfte.
Mit dem Konzept ist Lamborghini in guter Gesellschaft: Porsche und BMW setzen ebenfalls auf V8-Biturbo-Motoren, Cadillac nutzt einen V8-Sauger. Lamborghini will das finale GTP-Konzept im Frühjahr 2023 vorstellen und direkt danach in die Testerprobung einsteigen, um ab 2024 in der WEC und der IMSA-Serie an den Start zu gehen.
Und wie sieht es beim Chassis aus? Hier spannt sich Lamborghini mit dem LMP2-Konstrukteur Ligier zusammen, was bereits im Rahmen des 24h-Rennen von Le Mans 2022 offiziell verkündet wurde. Die Carbon-Teile werden in Italien beim Zulieferer HP Composites hergestellt.
Insider hatten bereits erwartet, dass Lamborghini beim LMDh-Projekt seinen eigenen Technik-Weg gehen würde, und nicht auf den von Porsche entwickelten Konzernbausatz zurückgreift: "Wir hatten die Freiheit zu entscheiden, ob wir unser Auto auf der Porsche-Plattform aufsetzen wollen", sagt Winkelmann. "Wir haben jetzt die Chance, unseren eigenen Ansatz zu verfolgen, und diese Möglichkeit haben wir genutzt, ohne dass wir dabei die Kosten unnötig erhöhen."
Die besondere Herausforderung beim Design des Lamborghini-LMDh wird darin bestehen, die einzigartige, kantige Designsprache der Marke Lamborghini in ein eigenständiges Markengesicht des LMDh-Prototypen zu übersetzen. Kantige Formen sind aus aerodynamischer Sicht ja nicht immer der optimale Weg.
Bekannt sind immerhin schon die Dimensionen: Der Radstand ist auf 3,148 Meter festgelegt. Auch die Maximalbreite (2,00 Meter) und Länge (5,10 Meter) sind vom Reglement vorgegeben. MIt dem Blick auf das fertige Auto müssen sich die Fans noch bis Mai 2023 gedulden. Erst dann soll der Prototyp offiziell vorgestellt werden und die Erprobung starten. Die Homologation soll dann Ende 2023 erfolgen.
Der exakte Termin für das Renndebüt des LMDh-Autos ist auch noch nicht fixiert. Ziel sei es, in der Saison 2024 beim 24h-Rennen in Le Mans am Start zu stehen, bekräftigen die Verantwortlichen. Es wäre deshalb logisch, dass bereits davor Rennen in der WEC und der IMSA bestritten werden. Noch sei aber nicht klar, ob der Prototyp beim IMSA-Saisonstart, dem 24h-Rennen von Daytona, im Januar 2024 parat ist. Das Renndebüt könnte auch später erfolgen, je nachdem, wie der finale Entwicklungsplan für das Fahrzeug aussieht.
Sportchef Giorgio Sanna stellte in diesem Kontext klar, dass Lamborghini das LMDh-Projekt als Kundensport betrachtet: "Die Motorsportphilosophie von Lamborghini basiert ganz klar auf dem Kundensportansatz, so haben wir das bereits im GT3-Sport gehandhabt, und so werden wir das auch in der LMDh-Klasse tun. Das bedeutet, dass wir keine reinrassigen Werksteams an den Start bringen werden, allerdings werden wir in der WEC und der IMSA jeweils Referenzteams bestimmen, mit denen wir eng zusammenarbeiten."
Im Fahrerlager kursierten zuletzt Gerüchte, wonach sich eine Kooperation zwischen dem Iron Lynx-/Prema-Team und Lamborghini anbahnt. Natürlich hüllen sich die Verantwortlichen bei Lamborghini hierzu in Stillschweigen. Die Aussage von Lambo-CEO Winkelmann, dass das neue eigenständige Projekt nicht zu erhöhten Kosten führe, obwohl Lamborghini nicht die Porsche-Plattform nutzt, weist jedoch indirekt den Weg.
Schon im Frühjahr war am Rande des Rennens in Sebring zu hören, dass das Iron Lynx-Team in die neue Top-Klasse des Langstreckensports aufsteigen will, und zwar mit einem namhaften Hersteller. Die Kriegskasse ist bei Iron Lynx über die betuchten Besitzer des Rennstalls prall gefüllt. Angeblich liebäugeln die Macher im Hintergrund sogar mit dem Kauf eines F1-Rennstalls – zusätzlich zum verstärkten Engagement im Langstreckensport.
Es ist also durchaus legitim darüber zu spekulieren, dass Iron Lynx, die zuvor schon mit Ferrari und Mercedes bezüglich eines Hypercars-Einsatzes verhandelt haben sollen, einen Teil der Entwicklungskosten beim LMDh-Projekt von Lamborghini mittragen könnte. Eine solche Konstellation wäre für einen kleinen Hersteller wie Lamborghini optimal.