Die Gegend eine knappe Stunde nördlich von Buenos Aires macht einem selbst bei Tage Angst. Doch unweit der mächtigen Produktionsanlagen von Scania, Ford und VW baut Familie Abad in Heimarbeit Replikas des Porsche 906.
Die Gegend eine knappe Stunde nördlich von Buenos Aires macht einem selbst bei Tage Angst. Doch unweit der mächtigen Produktionsanlagen von Scania, Ford und VW baut Familie Abad in Heimarbeit Replikas des Porsche 906.
Mitte der sechziger Jahre eilte dr Porsche 906 von Erfolg zu Erfolg; gewann unter anderem Le Mans und die Targa Florio. Kaum mehr als 50 Fahrzeuge wurden für den Profi-Rennsport produziert, dazu zwei handvoll Prototypen – heute begehrte Sammlerobjekte. In einer kleinen, düsteren Halle werkeln Rodrigo Abad, Vater Isidoro und die beiden jüngeren Geschwister Mathias und Sebastian an einer Replika des legendären Le-Mans-Renners Porsche 906 herum.
„Der Wagen ist in zwei, maximal drei Monaten fertig“, erzählt ein strahlender Rodrigo, „dieser Porsche 906 ist bereits verkauft. Wir müssen in den nächsten Wochen nur noch ein paar Kleinigkeiten fertig stellen und den Wagen dann testen.“ Zeit spielt bei den automobilverrückten Abads scheinbar keine große Rolle. Zehn Jahre sind seit den ersten Plänen zum Nachbau eines Porsche 906 vergangen. Seit mehr als drei Jahren arbeitet die Familie an dem aktuellen Projekt. Die Modelle zwei und drei liegen neben großen Schablonen zerlegt bereits in der Ecke. „Alle roten Teile sind unsere Formen“, erklärt Sebastian, „damit wir sie nicht verwechseln, haben wir sie rot lackiert.“
Wer die düstere Werkshalle in dem wenig ansehnlichen Industriegebiet nördlich von Buenos Aires sieht, vermutet hinter dem grauen Wellblechtor kaum eine professionelle Karosserieschmiede. Zufällig verfährt sich hier niemand hin. Die Straßen sind schlecht; die Gegend wenig heimelig. Die letzten paar hundert Meter zu der Halle legt man im Schritttempo auf einem Feldweg zurück, der normale Pkw-Achsen vor fast unlösbare Aufgaben stellt. Dann, gegenüber von einer großen Lkw-Werkstatt das Haus von Vater Isidoro Abad. Gleich nebenan das große Tor, hinter dem seit Jahren an einem Familienprojekt der ungewöhnlichen Art geschraubt wird.
Die Werkstatt sieht aus wie ein Altmetalllager. Schleifmaschinen, Karosserieteile, Regalwände, eine Staubkammer und überall Gerümpel – auch auf dem Boden. In der Mitte thront der Porsche 906 mit der Produktionsnummer eins – natürlich in strahlendem weiß. Familie Abad tanzt um den noch nicht ganz fertig gestellten Boliden herum wie um das goldene Kalb. Alle vier Konstrukteure strahlen. Streitigkeiten zwischen Brüdern, mit dem Vater und der alltägliche Konstruktionswahnsinn sind vergessen: der erste Porsche 906 ist fertig – zumindest fast.
So wild und unaufgeräumt es in der düsteren Werkstatt auch aussieht: Rodrigo und seine beiden Brüder wissen, was sie tun. Seit Jahr und Tag basteln sie an Autos herum. Ihr Herz haben sie bereits in der Kindheit an europäische Renner verloren. In der Halle stehen ein paar Alfa- und Lancia-Modelle; vor dem Tor ein blauer Mercedes SLC 280 – alles wie aus dem Ei gepellt. Doch Umbauen und Reparieren war eines Tages nicht mehr genug. „Wir wollten etwas eigenes machen“, erinnert sich Rodrigo in gebrochenem englisch, „so sind wir auf Replikas gekommen.“
„Und weil es Nachbauten von Porsche 356, 550 oder Cobras auch in Südamerika an jeder Ecke gibt, wollten wir etwas Außergewöhnliches.“ Exklusiver als ein Rennwagen wie der Porsche 906 geht es kaum. Man fing bei null an – nur ein paar Fotos, Daten und Zeichnungen lagen vor. Der Rest war Erfindergeist und viel Zeit zum Ausprobieren. „Deshalb hat das Ganze auch so lange gedauert“, wirft der jüngere Bruder Mathias ein, „die nächsten Modelle gehen schneller – viel schneller.“ Seine Brüder nicken und auch der 66-jährige Vater kommentiert die Aussage mit einem Nicken. Pro Jahr sollen fünf Fahrzeuge entstehen – speziell nach den Wünschen der einzelnen Kunden. Fahrzeug Nummer eins geht nach Hiroshima zu einem Porsche-Fan, der die rund 600.000 Euro für einen echten Porsche 906 nicht ausgeben möchte.
„Der Kunde kommt bald zu den ersten Testfahrten nach Buenos Aires. Dann wird nochmals nachjustiert und danach geht der Wagen dann in einem Container ab nach Japan“, so Rodrigo Abad. Der zweite Wagen ist ebenfalls verkauft. Er geht an einen Privatier aus der Nähe von Madrid, der einen eigenen Rennstall besitzt. Der Spanier hat auch einen der wenigen echten Porsche 906, will diesen jedoch nicht in Rennen fahren lassen.
Die Karosserie des Porsche-906-Replikas besteht wie beim Vorbild aus einem Gitterrohrrahmen, der mit den entsprechenden Elementen verkleidet ist. Das Kunststoffkleid besteht aus 60 in zahlreichen Lagen verklebten Komponenten. Auf den ersten Blick ist der Nachbau von einem Original nicht zu unterscheiden. Aus Sicherheitsgründen ist der Rahmen etwas dicker als beim Original. Deshalb wiegt der Porsche 906 mit 700 Kilogramm rund 30 Kilogramm mehr als der Renner von 1965. Im Innern gibt es zwei winzige Rennschalen und eine karge Instrumentierung. Der Porsche 906 war schließlich für Targa Florio und Le Mans gebaut – ein Ausflug am Wochenende dürfte so auch mit dem Replika kaum anstehen.
Auch auf den zweiten Blick ist die nur rund einen Meter hohe Karosse kaum von der eines echten Porsche 906 zu unterscheiden. Selbst der lokale Porsche-Importeur kam bereits zur Begutachtung, hat eifrig genickt und sich zur bald anstehenden Premiereparty nebst Stapellauf eingeladen. Schließlich besitzen die Abads auch privat ein paar Porsche 911 – echte.
Liebevoll fährt Vater Isidoro über die seicht geschwungenen Kotflügel und das Dach während die beiden Söhne die Heckverkleidung montieren. Der Motorraum darunter ist gähnend leer, denn verkauft wird der Rennwagen ohne Triebwerk. „Wir kommen hier in Argentinien an keine Porsche-Motoren oder Getriebe heran. Es ist verboten, solche einzuführen“, berichtet Rodrigo mit hängendem Kopf, „wir sind nur über Umwege an drei Triebwerke von Unfallwagen gekommen.“
Der Testmotor ist ein 2,2 Liter großer Boxer von einem alten 911er aus den 70er Jahren. „Der leistet 210 PS. Damit dürften wir bei den Tests rund 280 km/h schaffen“, freut sich der junge Argentinier auf die ersten Kilometer in dem Familienzögling. Verkauft wird das Replika für rund 85.000 Euro – eben ohne Motor. Und ohne Schriftzüge – schließlich will man mit Porsche keinen Ärger haben.