Unter der puristischen Hülle dieses Porsche 911 steckt viel vom 964, aber auch ein bisschen was vom 993. In jedem Fall: Viel Liebe zum Detail sowie auf Wunsch auch ein Kompressor-Sechszylinder.
Unter der puristischen Hülle dieses Porsche 911 steckt viel vom 964, aber auch ein bisschen was vom 993. In jedem Fall: Viel Liebe zum Detail sowie auf Wunsch auch ein Kompressor-Sechszylinder.
Singer Vehicle Design, DP Motorsport, Lightspeed und und und: Die Schar an Firmen, die Restomod- oder Backdate-Umbauten auf Porsche-911-Basis umsetzen, wächst stetig und lässt sich selbst bei intensiver Suche nur unvollständig darstellen. Zu diesem illustren Kreis gehört seit 2016 auch Theon Design. Das neue Werk der Briten trägt zwar die Modellbezeichnung HK002, ist aber bereits die dritte Auftragsarbeit, welche die Werkshallen in Deddington, gelegen in der Grafschaft Oxfordshire, verlässt.
Als Basis dient, wie so oft bei derartigen Elfer-Projekten, ein Modell der Generation 964. Dieses wurde im ersten Schritt komplett restauriert, wobei der Porsche einen Striptease hinlegen musste, bis er mit blankem Chassis dastand. Um kleinste Fertigungs-Toleranzen zu garantieren, scannte die Truppe um Firmenchef Adam Hawley jedes Einzelteil in 3D. Und designte dem HK002 schließlich ein Karosserie-Kleid, das sich als Mischung der Elfer-Generationen präsentiert: Beim HK002 trifft beispielsweise die lange Fronthaube des Ur-Elfers auf die breiten Kotflügel späterer Generationen.
Theon Design hätte die Außenhaut komplett aus Karbon fertigen können, beließ es bei diesem Exemplar jedoch bei Stahl. Aus dem edlen Leichtbau-Werkstoff bestehen lediglich die Stoßfänger, der Tank und der ausfahrbare Heckspoiler. Dennoch ist der Backdate-Elfer mit einem Leergewicht von 1.248 Kilogramm recht leicht geraten. Die Retro-Außenspiegel aus gefrästem Aluminium zeigen sich von der 2018er Konzeptstudie Porsche 991 Speedster inspiriert und lassen sich elektrisch verstellen.
Mehrere Wahlmöglichkeiten lässt Theon Design auch bei den Motoren. Sechszylinder-Boxer mit 3,6 und 4,0 Litern Hubraum sowie mit oder ohne Turboaufladung sind zu haben. Aber beim Triebwerk für den HK002 hat sich der in Hong Kong (daher die Modellbezeichnung) ansässige Kunde für die goldene Mitte entschieden. Der 3,8-Liter-Saugmotor leistet 376 PS und liefert ein maximales Drehmoment von 407 Newtonmetern. Selbstverständlich zeigt sich der Boxer mit neuen Drosselklappen, Laufbuchsen und Kolben von Mahle, Pleuel aus dem Hause Carrillo, bearbeiteten Zylinderköpfen sowie anderen Nockenwellen rundum optimiert.
Neu im Theon-Angebot ist ein per Kompressor aufgeladener Sechszylinder. Als Basis dient der luftgekühlte 3,6-Liter-Boxer. Statt eine Turboladers wird hier ein Rotrex-Zentrifugal-Kompressor – quasi ein mechanisch per Riemen angetriebener Turbolader – angeflanscht. Theon will so das Turboloch ausmerzen und den Boxer wie einen noch hubraumstärkeren Sauger agieren lassen. Der Lader fügt sich nahtlos in die Motorperipherie ein und dockt an bereits vorhanden Schraubpunkten an. Auch an der bestehenden Motorhaube sind keine Änderungen erforderlich. Als Ersatz für einen leistungsfördernden Ladeluftkühler verbaut Theon eine Wasser-Methanol-Einspritzung. Die senkt die Temperatur und erhöht die Oktan-Zahl des Seriensprits von 98 auf 110. Und schon gibt es mehr Leistung. Unter dem Strich verspricht Theon für den Kompressor-Sechszylinder so 456 PS und ein maximales Drehmoment von 500 Nm.
Die Kraftübertragung auf die Hinterräder besorgt ein manuelles, aus dem Porsche 993 entliehenes G50-Sechsgang-Getriebe. Das Fahrwerk der Variante 3 stammt vom Spezialisten KW. Die Klimaanlage und Servolenkung hat Theon Design nicht nur gegen modernere Pendants getauscht, sondern teils auch neu angeordnet. Auch wegen solcher Detailarbeit gelang es den Briten nach eigener Aussage, das Gewichtsverhältnis zwischen Vorder- und Hinterachse bei 50:50 anzusiedeln.
Den Innenraum hat sich der Käufer des HK002 komplett nach eigenen Vorstellungen eingerichtet. Farblich trifft hier Grün auf Gelb, die Sportsitze liefert Recaro zu, das Lenkrad stammt von Nardi. Bei den vorrangig verwendeten Materialien handelt es sich um Karbon und Leder, wobei die Sitzmittelbahnen aus einem Leder-Gewebe namens Spinneybeck bestehen. Die selben Materialien aus dem Interieur finden sich im Kofferraum wieder: Karbon an den Seiten, Spinneybeck-Gewebe an der Domstrebe aus dem Porsche 964 RS und Leder rund um den Karbon-Tank.
Die Optik des 911-Interieurs wirkt naturbelassen, weist aber einige Überraschungen auf. Das Soundsystem ist ebenso versteckt wie das Display, welches das Bild der Rückfahrkamera zeigt. Dieses klappt erst heraus, sobald der Rückwärtsgang eingelegt wird. Hinter dem Armaturenbrett befindet sich eine kabellose Ladestation für ein Smartphone, über die auch die nötige Konnektivität hergestellt wird. Klar, dass auch hinter den Oldschool-Klimareglern moderne Technik arbeitet.
Theon Design fertigt seine Backdate-Porsches nur auf konkreten Kundenauftrag und benötigt etwa 18 Monate, um ein Exemplar fertigzustellen. Angesichts dessen erscheint der Preis von mindestens 300.000 Pfund (knapp 350.000 Euro) gar nicht mal besonders hochgegriffen. Denn Kenner wissen: Die Produkte der eingangs erwähnten Firmen sind in der Regel teurer.
Wer sich im 911-Backdate- und Restomod-Business tummelt, muss perfekte Arbeit abliefern und eine absolute Liebe zum Detail an den Tag legen. Ist das gegeben (und das scheint bei Theon Design der Fall zu sein), spielt der Preis allenfalls eine Nebenrolle. Den neuen Besitzer des HK002 können wir jedenfalls nur beglückwünschen. Bleibt zu hoffen, dass der Porsche auch fahren darf und nicht ausschließlich seine Garage von innen sieht.