Nicht nur bei Autos wird ein niedriger Verbrauch immer wichtiger. Auch in der Produktion gewinnen Emissionssenkung und Nachhaltigkeit an Bedeutung. VW will hier eine Vorreiterrolle einnehmen und die Herstellung umweltfreundlicher machen.
Nicht nur bei Autos wird ein niedriger Verbrauch immer wichtiger. Auch in der Produktion gewinnen Emissionssenkung und Nachhaltigkeit an Bedeutung. VW will hier eine Vorreiterrolle einnehmen und die Herstellung umweltfreundlicher machen.
Was bei den VW-Automobilen "Blue Motion" ist, nennt sich bei den VW-Fabriken "Think Blue. Factory.". Die blaue Namensgebung hat einen grünen Hintergedanken: Bis in fünf Jahren soll die Produktion weltweit in allen 21 VW-Werken im Vergleich zu 2010 um insgesamt 25 Prozent pro Fahrzeug umweltfreundlicher sein.
Mit diesem ambitionierten Programm will Volkswagen global zum größten ökologischen Autohersteller werden. Als Maßnahmen zählen neben der Reduzierung von CO2-Emissionen auch das Minimieren von Abfall, Energie- und Wasserverbrauch je produziertem Auto. Bisher benötigt VW für die Produktion eines Fahrzeugs durchschnittlich rund 3,5 Megawattstunden (MWh) Strom – also fast so viel, wie ein deutscher Vier-Personen-Haushalt jährlich verbraucht.
Neue Fabriken entstehen bei VW nach ökologischen Aspekten, bei bestehenden Werken bessern die Ingenieure nach, erneuern oder verändern die Anlagen und ordnen die Prozesse neu. Dabei wird die Sparsamkeit nicht nur aus der Konzernzentrale diktiert; VW setzt neben einem standardisierten Maßnahmenkatalog zur Verbesserung auch auf Vorschläge der Mitarbeiter vor Ort. Das kostet erst mal: In den nächsten Jahren investiert das Unternehmen rund 600 Millionen Euro in den Ausbau von regenerativen Energien.
Künftig soll Strom für die Produktion auch aus Solar-, Wind- und Wasserkraftanlagen bezogen werden. Im US-Werk Chattanooga deckt heute ein Solarkraftwerk rund 12,5 Prozent des erforderlichen Energiebedarfs für die Passat-Produktion ab. Dafür liefern 33.600 Solar-Module jährlich insgesamt 13.100 MWh Ökostrom. Ein neues Wasserkraftwerk im polnischen Polkowice fördert zu 100 Prozent die für das Werk benötigte Energie.
Bei der Senkung des Wasserverbrauchs setzt VW auf effektivere Anlagen und geschlossene Kreislaufsysteme, bei der Vermeidung von Abfall auf eine bessere Materialausnutzung und, wo möglich, auf eine Weiterverwendung als Wertstoff. So werden im mexikanischen Werk Puebla rund 4.400 m3 Wasser aus der Fertigung entweder physikalisch-chemisch oder biologisch gereinigt. Mit einer neuen Aufbereitungsanlage können zusätzlich 1.700 m3 Abwasser wieder in der Produktion genutzt werden. Ein neuer Lackierprozess ohne Filler (Grundierung) spart im Werk Chattanooga pro Tag rund 75.000 Liter Wasser. Gleichzeitig ist der Energieverbrauch gegenüber konventionellen Lackierstraßen um etwa 20 Prozent niedriger. Auch in Uitenhage (Südafrika) setzen die VW-Mitarbeiter auf eine neue Lackiertechnik: Eine elektrostatische Zerstäubung steigert die Materialeffizienz um bis zu 70 Prozent und senkt gleichzeitig den zu entsorgenden Abfall.
Im Werk in Emden kommt schon seit 2005 ein Biomasseheizkraftwerk zum Einsatz, das den CO2-Ausstoß um die Hälfte reduziert. Eine neue Halle steht auf 3.300 je 20 Meter langen Pfählen, die mittels Wasserkanälen die Geothermie nutzen und für die Kühlung der Schweißarbeiten verantwortlich sind. Nebeneffekt: Einen Kühlturm braucht man nicht mehr, und das erwärmte Wasser dient im Winter zum Heizen der Halle.
Statt die langen Rohrleitungen für den Transport von Heizwasser in der Lackiererei im Stammwerk Wolfsburg zu sanieren, bauten die VW-Leute neue Heizhauser direkt an die entsprechenden Hallen an. So wird ein Wärmeverlust vermieden, was laut VW-Berechnung immerhin 18,4 MWh Fernwärme und 35 Prozent CO2-Einsparung im Jahr ausmacht.
Ein anderes Beispiel aus dem Werk Kassel: Durch eine neue Keramikfaser in der Innenbeschichtung von Härteöfen spart VW 14 Prozent Erdgas, erhöht die Haltbarkeit der Ofen um zwei Jahre und reduziert damit auch Instandsetzungskosten. Mit einem speziellen Niedrigemissionslack wird an Formharteöfen die Wärmestrahlung um bis zu 60 Prozent gesenkt, was eine Energieersparnis von zehn Prozent ausmacht.
Wegen der Problematik der Abfallentsorgung im indischen Werk Pune installierten die Mitarbeiter eine Biogasanlage, die täglich 500 Kilogramm organische Abfalle in Biogas und Düngemittel umwandelt. Damit reduziert der Standort den CO2-Ausstos um 18 Tonnen pro Jahr. Das Gas wird in der Zentralküche verfeuert, das Düngemittel auf der Grünanlage des Werkes vergraben. So ökologisch kann Autoproduktion sein.
Fragen an Hubert Waltl, VW-Vorstand für Produktion und Logistik zum Programm "Think Blue. Factory.".
Wofür steht „Think Blue.Factory.“?Waltl: Es steht für das erste ganzheitliche Umweltprogramm in der Automobilproduktion, das an allen Standorten der Marke VW umgesetzt wird. Jedes Werk senkt bis 2018 die Umweltbelastung je produziertem Fahrzeug, Motor oder Getriebe um 25 Prozent. Das gilt für den Energie-und Wasserverbrauch, das Abfallaufkommen sowie die CO2- und Losemittelemissionen. Wir setzen hoch innovative Technologien ein und fokussieren neben Qualität und Produktivität auch die Entlastung der Umwelt. Außerdem nutzen wir die Größe unseres Unternehmens, indem wir weltweit unser Wissen miteinander teilen.
Waltl: Jedes Werk erstellt – unterstutzt von unseren "Think Blue. Factory."-Experten in Wolfsburg – einen individuellen Entwicklungsplan mit den notwendigen Einzelmaßnahmen, um die Umweltziele zu erreichen. Es kann sich jeder Standort aus einer Art Werkzeugkoffer mit über 2.000 Maßnahmen bedienen, die sich in anderen Werken bewahrt haben. Dass jeder von jedem profitiert, zeigt sich auch, wenn unsere Fachleute aus aller Welt ein Mal im Jahr zum "Think Blue. Factory.-Day" zusammenkommen, um sich über die besten Maßnahmen auszutauschen.
Was können der modulare Querbaukasten und der modulare Produktionsbaukasten beitragen?Waltl: Sehr viel. Beide sorgen dafür, dass unsere Fahrzeuge und unsere Fertigungsverfahren effizienter und leistungsfähiger werden. Über den MQB kommen neue, verbrauchsarme Motoren und Antriebstechnologien schneller flachendeckend und markenübergreifend in Serie. Die Fertigungs-Standards des MPB bringen unsere umweltfreundlichsten Technologien, wie zum Beispiel wasser- und energiesparende Lackierverfahren, rascher zum weltweiten Einsatz. Mit einer neuen Laserquellengeneration konnten wir den Wirkungsgrad unserer Laser um das Zehnfache steigern. Und mit der Nutzung einer modernen Robotergeneration sparen wir rund zehn Prozent Energie im Vergleich zu den Vormodellen.
Macht eine umweltfreundlichere Produktion denn nicht die Produkte teurer?Waltl: Wer in Effizienz investiert, verbessert im Gegenzug Prozesse und spart Kosten. Außerdem wissen wir, dass unsere Mitarbeiter und unsere Kunden zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit legen.
Wurden schon konkrete Umwelt-Fortschritte erreicht?Waltl: Definitiv. Innerhalb von zwei Jahren wurden konzernweit rund zehn Prozent Energie und Wasser eingespart.
Setzt das Programm "Think Blue. Factory.“ thematische Schwerpunkte?Waltl: Ja. 2013 liegt der Schwerpunkt beim Thema Abfall. Wir fragen uns: Wie können wir Produktionsabfalle reduzieren? Wo können wir den Klebereinsatz optimieren, um weniger Reststoffentsorgen zu müssen? Wie können wir den Flüssigkeitsanteil in Abfallen verringern und so die Abfallmenge reduzieren? Die Lösung ist eine neue Entwässerungstechnik. Mithilfe von Kammerfilterpressen werden Lackschlamme entwässert. Im Verlauf können weitere Trocknungsprozesse angestoßen werden. In den Werken fallt an vielen Stellen Warme an, die für die Trocknung der Schlamme genutzt werden kann. Dies ist nicht nur effizienter als konventionelle Trocknungstechniken, sondern ermöglicht auch die Nutzung bestehender Warme und eine Abfallmengenreduktion von 30 Prozent.
Arbeitet VW beim Umweltschutz auch mit externen Partnern zusammen?Waltl: Wir haben mit dem Fraunhofer-Institut das Projekt "Innovationsallianz Green Carbody Technologies" koordiniert und mit mehr als 60 Partnerfirmen drei Jahre lang in 30 Fachprojekten an innovativen Konzepten für den Automobilbau von morgen geforscht. Diese Erkenntnisse fließen in das "Think Blue. Factory."-Programm ein.