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Autofahren in China: Ein Mann sieht Rot

Autofahren in China Ein Mann sieht Rot

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Rote Ampeln, rote Bremslichter, rote Mauern in der roten Volksrepublik China. Alle Reiseführer warnen vor dem Straßenverkehr in Peking. Also nichts wie rein ins Getümmel.

Chen Dong flucht, und das kann er sehr gut auf Deutsch. Er hat Germanistik studiert. Auf der zweiten Ringstraße geht mal wieder nichts vorwärts. Dabei ist es später Vormittag, aber Peking hält sich nicht an feste Rushhour-Zeiten. "In den letzten drei Jahren ist der Verkehr immer schlimmer geworden", schimpft er.

Mag sein, dass der Chinese völlig anders ist als unsereins, aber in einem unterscheidet er sich kein bisschen: Wenn er zu Wohlstand kommt, kauft er ein Auto. China ist der größte Wachstumsmarkt der Welt. Allein 100 nationale Hersteller tummeln sich im Reich der Mitte. Deren Ware kauft man sich aber nur, wenn es zu mehr nicht reicht. Wer es zu was gebracht hat, kauft ein deutsches Auto und für den Stadtverkehr gern einen SUV. Auf Chinas Straßen gilt das Gesetz des Stärkeren. Wer das größere oder teurere Auto fährt, hat Vorfahrt. Kenner warnen vor großen, dunklen Limousinen, deren Chauffeure sich aufführen, als ob sie über dem Gesetz stünden.

Fahrräder sind selten, hohes Tempo auch

Fahrräder sind in der Hauptstadt selten geworden, selbst die Rikscha-Fahrer stellen im großen Stil auf Elektroantrieb um. Wer auf zwei Rädern oder zu Fuß unterwegs ist, gilt eigentlich nicht als Verkehrsteilnehmer und muss sehen, wie er klarkommt. China will schneller werden und legt sich selbst lahm. Das Durchschnittstempo auf Pekings Straßen liegt bei 25 km/h, in den Stoßzeiten halb so viel. Das Fahrrad wird wieder konkurrenzfähig. Fünf Millionen Autos kämpfen sich täglich durch den Verkehr der 18-Millionen-Metropole. Es wären noch viel mehr, wenn die Regionalregierung nicht vor einigen Jahren die Neuzulassungen limitiert hätte. 20.000 neue Autos kommen pro Monat dazu.

Die begehrten Nummernschilder werden in einer Lotterie verlost. Sie berechtigen zum Führen des Autos an jedem zweiten Tag. Mag sein, dass der Gott des Abendlandes den Menschen am siebten Tage Ruhe verordnet hat, aber der ist eben auch nicht der Gott der Chinesen. "Sonntags ist es am unberechenbarsten. Da darf nämlich jeder auf die Straße", sagt Fong Lei, der als Fotograf in der Hauptstadt ständig mit seinem kleinen Geländewagen zum Sommerpalast im Westen oder zur Verbotenen Stadt im Zentrum muss.

Heute ist Sonntag. Wollen wir doch mal sehen. Von den fünf Ringstraßen ist zumindest die vierte keine gute Wahl. Aber gleich geht es ab auf die Jingmi Road, die vom Nordosten in die Innenstadt führt. Abgebogen wird auch auf einem Fahrstreifen mindestens zweispurig. Wer sich brav hinten anstellt, kommt nie an.

Verkehrsregeln gibt es auch

Natürlich gibt es auch in China eine Straßenverkehrsordnung, aber die interessiert nicht einmal die Polizei. Auf der Autobahn überholt man notfalls mit Tempo 120 auf dem Standstreifen, wenn die drei offiziellen Spuren belegt sind. An ein Rechtsfahrgebot hält sich niemand. Und so springen alle zwischen den Spuren hin und her, um die beste Lücke zu finden, die es mit dem Weitblick eines Schachspielers und der Zweikampfhärte eines Shaolin-Mönches zu suchen gilt. Paragraf eins der inoffiziellen Verkehrsordnung lautet: Wer zögert, verliert.

Die Anarchie auf den Straßen hat ihren Reiz. Wer gern Auto fährt, kann sich in China freier fühlen. Weil sich aber auch alle anderen einige Freiheiten herausnehmen, kostet das Gewimmel viel Nerven. Wer es entspannt will, sitzt hinten. In Peking hat angeblich jeder zweite Taxi-Fahrer Potenzprobleme.

Papperlapapp. Ist alles psychosomatisch. Man muss das Ganze sportlich sehen. Die Dongshi West Road ist dicht, also blitzschnell rechts ab und wieder links in eine Parallelstraße. Obacht, eine Mutter mit Kind quert ohne Hinschauen mit dem Moped die Straße. Sollte sie jemandem im Weg sein, wird der schon hupen. Tatsächlich verlassen sich die Chinesen im Verkehr eher auf ihre Ohren. Gehupt wird in allen Lebenslagen, ohne dass dabei jemand aggressiv würde. Nach einem kurzen Hallo-hier- komm-ich-Huper ist der Schwenk in die schmale Parallelstraße gelungen. Es geht 500 Meter gut weiter bis zur nächsten Ampel.

Um dort die Nervosität zu mildern, sind an den Lichtzeichenanlagen Uhren angebracht, die bis zur nächsten Grünphase die Zeit runterzählen. Aber auch die Pole-Position ist kein Garant für einen guten Start. Schon zehn Sekunden vorher tastet sich ein Dutzend Fahrradfahrer in die Kreuzung, obwohl der Verkehr aus der anderen Richtung noch läuft. Fünf Sekunden vor Grün rollen die ersten Konkurrenten an; wer pünktlich losfährt, ist höchstens noch Sechster.

Gassen sind zu meiden

Plötzlich steht wieder alles – und der Peking-Novize hinter einem stinkenden Lastwagen. Na wartet, wir können auch anders. Die Idee, auf die schmalen Gassen einer der Hutong genannten Altstadtbezirke auszuweichen, war aber nicht so clever. Viele Gassen bieten allenfalls Platz für Rikschas. Im Zickzack geht es zwischen Plastikstühlen von Straßenrestaurants weiter.

So lernt der Fremde immerhin einen Hauch des wahren Peking kennen. Plötzlich taucht am Horizont eine große Straße auf, wo der Verkehr munter fließt. Auf der sechsspurigen Straße des ewigen Friedens geht es entspannt vorbei am Mao-Mausoleum und dem Eingang zur Verbotenen Stadt, dem ehemaligen Kaiserpalast.

Davor sammeln sich die Reisegruppen. Die meisten Besucher sind mit Bussen aus der Provinz gekommen, weil sie von einem eigenen Auto nur träumen können. Aber sie üben schon mal am Tor des ehemaligen Kaiserpalastes – und stellen sich in eine 100 Meter lange Schlange.

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