Mit zahlreichen Änderungen und einem günstigen Preis soll der Chrysler Neon im zweiten Anlauf aus dem Schatten seines glücklosen Vorgängers treten.
Einen Mercedes in Chrysler- Gestalt nach dem Muster des VW-Konzerns kann es gut ein Jahr nach der transatlantischen Mega-Fusion noch nicht geben, was auch für Chrysler- Käufer sein Gutes hat. Denn während der C 200 mit 52 084 Mark zumindest preislich die Spitzenposition bei den Mittelklasse- Limousinen einnimmt, rangiert das ähnlich große und starke US-Pendant genau am anderen Ende der Skala. Seinen nur halb so hohen Grundpreis von 26 400 Mark können nicht einmal schwächere Korea-Importe unterbieten, allein ein mager ausgestatteter Skoda Octavia mit 75 PS ist noch billiger.
Dass selbst der hier zu Lande nur 1000 mal pro Jahr verkaufte Vorgänger 5000 Mark mehr kostete, zeigt zwar die Radikalität der Neupositionierung, soll aber kein Hinweis auf geringeren Gegenwert sein. Der Neon bietet mehr denn je viel Auto fürs Geld, was der neue schon durch mehr Radstand, Länge und Spurweite gegenüber dem alten unterstreicht. Trotz unverändert zierlicher Gestalt lassen ihn besonders der Höhenzuwachs (plus fünf Zentimeter) und die nun eingerahmten Türscheiben erwachsener dastehen. Allerdings wirken selbst die 15-Zoll-Räder der LE- und LX-Versionen (Basismodell SE: 14 Zoll) verloren in den großen Radhäusern. Außer beim Vorgänger hat der Neon auch Anleihen beim größeren 300M gemacht.
Erhalten blieben das Cab-Forward- Design (Passagierkabine weit vorne) und die keilförmig ansteigende Silhouette mit coupéhafter Dachlinie, während der Kühlergrill mit dem geflügelten Chrysler-Emblem nun mehr Charakter und Markenidentität vermittelt.
Als Zugeständnis an die Form wird das Raumgefühl aber von der flachen A-Säule und der weit ins Dach hineinragenden Heckscheibe beeinträchtigt, unter der die Fondpassagiere von einer schraffierten Blende nur unzureichend vor Sonnenstrahlen geschützt sitzen. Außerdem lässt die Übersichtlichkeit der Karosserie – trotz hoher Sitzposition – zu wünschen übrig. Das Gestühl selbst bietet wenig Seitenhalt und Sitztiefe, dazu eine schwergängige Höhenverstellung und zu niedrige Kopfstützen. Ebenso wie von den Dreipunkt-Automatikgurten sind davon hinten nur zwei vorhanden, auch ESP, Sideund Kopfbags gibt es vorläufig nicht. Ansonsten ist die Serienausstattung schon beim Basismodell reichhaltig, der getestete LE hat zusätzlich Klimaanlage, Cassettenradio und Lederlenkrad.
Wie beim Vorgänger lässt sich der zerklüftete, kleine Kofferraum (371 Liter) mittels geteilt umklappbarer Rücksitzlehnen vergrößern. Neu ist hingegen das verbesserte Soliditätsgefühl. Das mess- und hörbar reduzierte Geräuschniveau zeugt von einer höheren Karosseriesteifigkeit, und die verwendeten Materialien wirken nun optisch ansprechender, obwohl Passgenauigkeit und Oberflächenanmutung klar hinter der von VW Golf oder Opel Astra zurückstehen. Das gilt nicht weniger für Funktionalität und Federung des Chrysler. Während die Zentralverriegelung (nur von innen) oder das Anlassen des Motors (nur mit voll durchgetretenem Kupplungspedal) noch als amerikanische Marotten durchgehen, verfehlt der Abroll- und Langsamfahrkomfort weiterhin europäische Standards. Bei kurzen Stößen kommen Aufbau und Radaufhängung trotz erkennbarer Fortschritte nie ganz zur Ruhe, erst längere Bodenwellen werden befriedigend absorbiert.
Allerdings mangelt es den ABS-unterstützten Bremsen (Scheiben rundum, vorn innenbelüftet) an Standfestigkeit und einem präzise definierten Druckpunkt. Das passt weder zum stattlichen Leergewicht (1226 Kilogramm) noch zum agilen Habitus des Neon. Schließlich warb er stets mit dem Argument, das Temperament eines Zweiliters zum 1,6-Liter-Preis zu bieten, obwohl mancher Interessent eine Alternative nach oben oder unten vermissen mag. Es bleibt also vorläufig beim schon im Vorgänger angebotenen, aber gründlich überarbeiteten und mit einer kürzeren GetriebeÜbersetzung versehenen Vierventil- Vierzylinder.
Mit seinen 133 PS fehlt es ihm nicht an Leistung und spontanem Antritt, aber an Durchzug und Laufkultur. Trotz des geringeren Drehmoments absolvieren die gängigen Vertreter der Kompaktklasse mit nur 115 PS die Elastizitätsmessungen durchweg flotter und zudem leiser und kultivierter. Brumm- und Dröhngeräusche begleiten den Chrysler-Motor über den ganzen Drehzahlbereich, um jenseits von 4000/min nochmals zuzulegen. Besonders lästig wirkt sein Nachschwingen bei Lastwechseln auf Grund der weichen Antriebsaufhängung, was sich vor allem im Stop-and-go-Verkehr als störend erweist. Mit Schaltbarkeit und Übersetzung des Fünfganggetriebes kann man hingegen zufrieden sein, so dass ein Verzicht auf die 1650 Mark teure Automatik mit nur drei Fahrstufen nicht schwer fällt. Auch der Benzinverbrauch (im Testmittel 9,2 Liter Normal pro 100 Kilometer) und die Dreijahres-Garantie stimmen am Ende versöhnlich. Dennoch ist der neue Neon wie der alte keine Lichtgestalt, sondern trotz mancher Fortschritte zumindest hier zu Lande zu einem Schattendasein verurteilt.
Wer eine gut ausgestattete, geräumige und individuelle Mittelklasse-Limousine zum Preis eines Kleinwagens sucht, findet zwar nirgendwo ein besseres Angebot. Aber in fast jeder anderen Disziplin wird der Chrysler – bei Licht betrachtet – von seinen europäischen Konkurrenten überstrahlt.
Vor- und Nachteile
- gutes Platzangebot für die Insassen geteilt umklappbare Rücksitzlehne mit Durchlade reichhaltige Serienausstattung
- dürftiger Qualitätseindruck kleiner Kofferraum Funktionalitätsmängel
- ordentliche Federung auf langen Bodenwellen Klimaanlage serienmäßig
- mäßiger Abroll- und Langsamfahrkomfort kurze Sitze mit wenig Seitenhalt störendes Antriebsruckeln
- drehfreudiger Vierzylinder mit guter Beschleunigung ausreichend exaktes, passend abgestuftes Fünfganggetriebe
- schwaches Durchzugsvermögen brummiges Motorgeräusch
- sicheres Kurvenverhalten agiles Handling gute Traktion
- stoßempfindliche Lenkung
- Airbag für Fahrer und Beifahrer
- Bremsen mit Fading wichtige Sicherheitsmerkmale nicht lieferbar
- angemessener Benzinverbrauch
- nur nach Euro 3 schadstoffarm
- sehr günstiger Kaufpreis Dreijahres-Garantie
- hohe Wartungskosten sehr dünnes Servicenetz ungewisse Wiederverkaufschancen
Fazit
Ein gutes Raumangebot, viel Ausstattung und drei Jahre Garantie für wenig Geld sind die Hauptargumente des Chrysler Neon. Der gebotene Komfort ist aber dürftig, der Motor laut und die Qualität insgesamt mäßig.