Gerade weil Mitsubishi und Volvo sich nicht als unmittelbare Konkurrenten betrachten, kam es zur gemeinsamen Entwicklung einer Mittelklasse-Limousine. Das Projekt brachte Mitsubishi Carisma und Volvo S40 hervor.
Die Entwarnung kam auf der Frankfurter IAA im Herbst letzten Jahres. Ganz so eckig und typisch wie frühere Volvo- Typen ist der neue S40 zwar nicht geraten, aber man muß den Volvo-Designern doch bescheinigen, auf der gegebenen Grundlage ein völlig eigenständiges, vom Mitsubishi klar abweichendes Erscheinungsbild geschaffen zu haben. Auch im Innenraum zeigt der S40, daß er die bekannten Tugenden der Marke hochhalten will.
Hier herrscht eine durchweg übersichtlichere Gestaltung vor als beim Carisma, der vor allem beim Bedienungsschema der Klimaanlage erkennen läßt, daß die Stylisten ihrem angeborenen Spieltrieb nachgeben durften. Daß – bei vergleichbarem Raumangebot und trotz der etwas üppigeren Serienausstattung des Mitsubishi (siehe Vergleichstabelle) – der Volvo in der Karosseriewertung gleichziehen kann, liegt an solchen Kleinigkeiten, aber auch an habhafteren Details, die in die Beurteilung der Karosseriefunktionalität mit eingehen. Die rundum laufenden Stoßleisten des Volvo etwa beweisen, daß den in einem Autoleben unvermeidlichen kleinen Zwischenfällen Rechnung getragen wurde. Trotzdem bleibt eine gewisse Enttäuschung nicht aus.
Der Mitsubishi bietet einen akzeptablen, aber wegen der Schwächen der Federung speziell auf kurzen Unebenheiten keinesfalls extra hervorzuhebenden Fahrkomfort. Der Volvo stellt seinen Käufer vor die Wahl, sich zwischen der normalen, etwa dem Mitsubishi entsprechenden Fahrwerksabstimmung oder einem Sportfahrwerk zu entscheiden, das 560 Mark oder, im Paket mit breiteren Reifen (205/50 u 15), Leichtmetallrädern, Lederlenkrad und Nebelscheinwerfern, sogar stolze 2050 Mark Aufpreis kostet.
Der Testwagen, mit all diesen sportlichen Zutaten ausgerüstet, legt eine klare Empfehlung nahe: Finger weg zumindest von der übertrieben straff abgestimmten Sportfederung, denn sie schränkt den Komfort sehr stark ein und sorgt auch auf scheinbar guten Fahrbahnoberflächen für eine ständige, hauptsächlich von der Vorderachse ausgehende Stuckerneigung. gegenüber dem Mitsubishi lassen sich zwar ebenfalls erkennen – in Form eines weniger untersteuernden Eigenlenkverhaltens in schnell gefahrenen Kurven und einer daraus resultierenden besseren Handlichkeit, aber das wiegt die erhebliche Komforteinbuße bei weitem nicht auf.
Die aktive Fahrsicherheit nämlich liegt ohnehin, wie es bei modernen Fronttrieblern nicht anders zu erwarten ist, auf einem hohen Niveau. Zu hohes Kurventempo bewirkt ein verstärktes Schieben über die Vorderräder, wobei Gaswegnehmen die Situation problemlos bereinigt, ohne daß eine überraschende Lastwechselreaktion zu befürchten wäre. Trotzdem erreicht die Punktwertung der Fahreigenschaften kein Niveau, mit dem die Schöpfer dieser neuen Limousinen zufrieden sein könnten.
Das Ende der Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Limousinen ist bei der Motorisierung erreicht. Beide besitzen zwar Vierventil-Vierzylinder mit 1,8 Liter Hubraum und einer Leistung von 115 PS, aber schon die Zahl der Nokkenwellen zeigt, daß es sich um grundsätzlich verschiedene Konstruktionen handelt: Beim Mitsubishi-Motor ist nur eine für die insgesamt 16 Ventile zuständig, bei der Volvo-Maschine teilen sich zwei diese Aufgabe. Mehr technischer Aufwand also beim Volvo und auch etwas verheißungsvollere Daten: Sein Vierzylinder entwickelt mehr Drehmoment, überdies auch noch bei einer geringeren Drehzahl.
Womit wieder einmal ein klassisches Beispiel dafür geliefert wird, daß die Fahrpraxis mitunter einen völlig anderen Eindruck vermitteln kann. Denn seinen Drehmomentvorteil verspielt der Volvo mit einer zu langen Übersetzung des fünften Gangs. In der Beschleunigungselastizität zieht ihm der Mitsubishi nicht nur davon, er deklassiert ihn geradezu. Und auch in der reinen Beschleunigung ist er besser, wenngleich die Differenzen hier im Alltagsverkehr keine so spürbaren Auswirkungen haben. Das höhere Drehzahlniveau, das aus der kürzeren Übersetzung des Mitsubishi resultiert, hat dabei keine negativen Auswirkungen auf den Geräuschkomfort, weil der Motor auch bei hohen Drehzahlen weder lästige Brummgeräusche noch Vibrationen verursacht.
Ganz anders die Volvo-Maschine. Sie entwickelt ab 4000 Umdrehungen ein so ungehobeltes Laufgeräusch, daß der Fahrer dankbar ist für den drehzahlsenkenden Schongang, auch wenn dieser schon an geringfügigen Autobahnsteigungen zum Zurückschalten zwingt. Damit ist die Partie entschieden: Der bessere Antrieb macht den Carisma zum Sieger in diesem Duell.
Fazit
Voraussichtlich bessere Wiederverkaufschancen, Karosserie und Interieur funktioneller gestaltet (übersichtlichere Bedienungselemente, Seitenairbags serienmäßig). Nicht befriedigende Karosseriequalität, bei hoher Drehzahl lauter und rauher Motor, zu lange Übersetzung im fünften Gang, relativ hoher Verbrauch.
Kultivierter Motor, bessere Elastizität, geringerer Benzinverbrauch, besserer Federungskomfort, reichhaltigere Ausstattung, Dreijahresgarantie. Eingeschränkte Übersichtlichkeit nach vorn, unbefriedigender Qualitätseindruck, weniger überzeugende Sicherheitsdetails (Türgriffe, keine Sidebags lieferbar).