Er ist leichter und noch stärker als der Turbo – der Porsche 911 GT2 verzichtet kompromisslos auf alles, was nicht der Dynamik des sportlichen Fahrens dient.
Denn GT2 ist mehr als
GT3, und wenn Porsche einen Sportwagen abspeckt, bekommt der Kunde zwar weniger Ausstattung, zahlt dafür aber einen höheren Preis.
Der neue GT2 liefert dafür wieder
ein treffliches Beispiel. Entstanden aus einer Synthese von 911 Turbo und dem inzwischen nach 1858 gebauten Exemplaren eingestellten GT3, soll das neue Topmodell der Porsche-Palette den Inbegriff der auf die Spitze getriebenen Sportlichkeit bilden. Weg also der gewichtsintensive Allradantrieb des Turbo, weg auch die hinteren Notsitze und unnötiger Ausstattungsluxus, der den wahren Sportsmann nur verweichlicht.
Ein solcher kann Sitze schließlich mit eigener Kraft in die korrekte Position bringen, und den Weg zur nächsten Rennstrecke findet er auch ohne Navigationssystem. Fensterkurbeln allerdings werden ihm ebensowenig zugemutet wie jene primitiven Textilschlaufen zum Türöffnen, die frühere Porsche-Leichtbauten auszeichneten. Klimaautomatik und Radio stehen als GT2-Option zur Verfügung – ohne Aufpreis.
Nicht dass das eine Rolle spielen würde. Beim neuen Super-Elfer, davon darf man ausgehen, ist nicht an der richtigen Adresse, wer nach dem Preis fragen muss. Der GT2 kostet 339 000 Mark, rund 100 000 Mark mehr als ein 911 Turbo.
Dafür steht dann der stärkste in Serie und für den Straßeneinsatz gebaute Porsche aller Zeiten vor der Haustür. Den bisherigen King auf dem PS-Podest, den legendären 959 aus den achtziger Jahren, übertrifft der 462 PS leistende GT2 um zwölf Pferdestärken. Gegenüber den 420 PS des 911 Turbo, auf dessen Motor die GT2-Maschine aufbaut, bedeutet dies einen Zuwachs um glatte zehn Prozent.
Größere Turbolader, die einen von 0,9 auf ein bar erhöhten Ladedruck liefern, tragen dazu ebenso bei wie effizientere Ladeluftkühler und eine geänderte Führung der Ansaugluft. Sie strömt mit Staudruck-Effekt durch Öffnungen im
neu gestalteten Heckflügel. Die Schlitze in der Motorhaube dienen nur dazu, warme Luft aus dem Motorraum per Gebläse nach außen zu befördern.
Dennoch ist aus dem GT2 kein wildes Tier geworden, sondern ein überraschend ziviler Sportwagen, dessen Motor sich auch bei niedrigen Drehzahlen im Stadtverkehr völlig unkapriziös benimmt. Allein der Porsche-Ton des aufgeladenen Sechszylinder-Boxers tritt etwas aggressiver in Erscheinung als beim Turbo, ohne allerdings zur Show zu werden. Bei höheren Geschwindigkeiten spielt der Motor im Konzert der übrigen Fahrgeräusche mit, übernimmt aber keinen dominierenden Part.
Der Weg dahin ist ebenso kurz wie die Zeit. Wenn der Fahrer das Zusammenspiel von Gas und Kupplung beherrscht, gleicht der Start eines GT2 einer Explosion. 4000/min, Kupplung kommen lassen. Die mächtigen Reifenwalzen an der Hinterachse drehen nur kurz durch, dann packen sie den
Asphalt mit gnadenlosem Grip und katapultieren den Porsche nach vorn wie aus der Pistole geschossen.
Schnelle Gangwechsel, die durch eine Verkürzung der Schaltwege um 20 Prozent erleichtert werden, unterbrechen den gewaltigen Schub nur für Sekundenbruchteile. Nach dem Ende der Beschleunigungsorgie spuckt das Messgerät Zahlen aus, die ein Manifest der schieren Gewalt darstellen.
Bis 100 km/h kann der
GT2 den Turbo zwar noch nicht nennenswert distanzieren. In diesem Bereich spielt die Traktion, die beim allradgetriebenen Bruder naturgemäß noch etwas besser ist, eine zu große Rolle. Aber darüber zieht der GT2 in einer Art und Weise davon, die nur noch mit einem startenden Jet verglichen werden kann. 13,1 Sekunden von null auf
200 km/h sind ein Fabelwert, und darüber geht es so vehement weiter, dass die Insassen den Druck der Rückenlehnen spüren. Wenn die Tachonadel die 300-km/h-Marke streichelt, hat der GT2 einem Turbo über 20 Sekunden abgenommen.
Erst bei 315 km/h ist Schluss. Hier stößt der Motor an seine Drehzahlgrenze. Denn Getriebe- und Achsübersetzung entsprechen dem Turbo. Eine geringfügig längere Gesamt-übersetzung ergibt sich aus dem größeren Abrollumfang der üppiger dimensionerten Reifen an der Antriebsachse.
Bei Topspeed läuft der GT2 noch beruhigend geradeaus. Längsrillen in der Fahrbahn werden zwar spürbar, aber dem leichten Pendeln der Lenkung begegnet der Porsche-Kenner nicht mit festem Griff, sondern mit feinfühlig leichter Hand.
Die Stabilität im oberen Geschwindigkeitsbereich ist das Ergebnis umfangreicher Aerodynamik-Verfeinerung. Das Tieferlegen der Karosserie um zwei Zentimeter reduziert den Auftrieb erzeugenden Luftstrom unter dem Wagenboden. Dazu kommt ein neu gestaltetes Bugteil. Durch dessen Schlit-
ze tritt die Kühlluft nach dem Durchströmen des Wasserkühlers nach oben aus, was für zusätzlichen Abtrieb sorgt.
Dass ein derart starker Hecktriebler eine kundige
Hand erfordert, gehört in die Sparte Binsenweisheiten. Zumal der GT2 die Beherrschung der Dynamik bewusst dem Fahrer überlässt. Kein ESP greift da ein, nicht einmal eine Antriebsschlupfregelung. Deren Aufgabe übernimmt das Sperrdifferenzial, das im Zug eine 40-prozentige Sperrwirkung aufweist. Im Schub sind es 60 Prozent, was für eine Stabilisierung bei Lastwech-seln in schnell gefahrenen Kurven sorgt.
Trotzdem ist alles möglich, was der Fahrer beherrscht. Nahezu neutrales Verhalten
bei hoher Querbeschleunigung, aber auch nachdrückliche Lenkbefehle per Gaspedal. Leistung zum Drift gibt es schließlich genügend. Der Wechsel ins Übersteuern erscheint angesichts der starken Hecklastigkeit noch beruhigend gutmütig, wozu auch die sehr präzisen Fahrbahnkontakt vermittelnde Lenkung ihren Teil beiträgt.
Eine gewisse Verbindlichkeit zeigt auch das Schluckvermögen der sehr straff, aber harmonisch abgestimmten Federung, die den Insassen abrupte Vertikalbewegungen mit hoher Beschleunigung erspart.
Porsche at its best also, und deshalb werden die Kunden wohl wieder Schlange stehen nach den 400 bis 500 pro Jahr verfügbaren Exemplaren. Für die, die nicht gleich zum Zug kommen, hält Porsche eine Beruhigungspille bereit: Die Auflage des GT2 ist nicht limitiert.
Vor- und Nachteile
- funktionelle Gestaltung gute Platzverhältnisse hohe Steifigkeit gute Verarbeitungsqualität auf 89 Liter vergrößerter Tank
- Tachometer nicht optimal ablesbar
- übersichtliche Bedienung bequeme, gute Seitenführung bietende Sportsitze sehr gute Sitzposition straffe, aber harmonisch abgestimmte Federung guter Geräuschkomfort
- außergewöhnliche Beschleunigung und Elastizität gute Leistungscharakteristik gut abgestuftes, leicht schaltbares Sechsganggetriebe in Anbetracht der Fahrleistungen günstiger Verbrauch
- guter Geradeauslauf sehr hohe Kurvenstabilität präzise, leichtgänige Lenkung sehr gutes Handling ausgezeichnette Traktion
- im Grenzbereich hohes Fahrkönnen erforderlich
- Sidebags serienmäßig erstklassig verzögernde Bremsen mit außergewöhnlicher Standfestigkeit
- keine seitlichen Kopfairbags lieferbar
- schadstoffarm nach D4 lange Lebensdauer durch vollverzinkte Karosserie
- vorraussichtlich geringer Wertverlust
- sehr hoher Anschaffungspreis hohe Wartungskosten hohe Reifenkosten
Fazit
Mit dem GT2 legt Porsche die Messlatte für Sportwagen. Seine fahrdynamischen Eigenschaften erfüllen höchste Ansprüche. Elektronik, die Fahrfehler ausbügelt, gibt es nicht. Der GT2 ist deshalb ein Auto, dessen Potenzial nur routinierte Fahrer ausschöpfen können.