Der neue Opel Vectra ist ein gutes Auto geworden. Aber ist er gut genug, die Mittelklasse-Konkurrenz zu schlagen? Ein Vergleich des Opel Vectra 1.6i 16V mit den Gegnern Ford Mondeo 1.6i CLX, Renault Laguna RT 1.8 und VW Passat CL 1.8.
Nur der Ford Mondeo bietet zwischen den Türen noch einmal fünf Zentimeter weniger Platz. Eine Klasse für sich ist beim Raumangebot immer noch der VW Passat, der vor allem die Fondpassagiere mit bequemem Einstieg und geradezu verschwenderisch viel Beinfreiheit verwöhnt. Erstaunlich ist, daß der Vectra, auch bei den Außenabmessungen der zierlichste, mit 11,3 Metern den größten Wendekreis für sich in Anspruch nimmt. Weitere Abstriche muß der Vectra-Fahrer bei dem für sich betrachtet größten Kofferraum der Runde hinnehmen: Die Zuladekapazität ist mit 458 Kilogramm am geringsten bemessen, und in der getesteten Stufenheckversion wirkt auch die enge Ladeluke nicht besonders einladend. Das kann die Konkurrenz besser, allen voran der freilich nur in einer Schrägheckversion (und als Kombi) lieferbare, besonders ladefreudige Renault. Das schwerste Gepäck darf in den Ford eingeladen werden, nämlich 512 Kilogramm. Dafür bietet der Vectra eine praktische Schlaufe zum Zuziehen des Kofferraumdeckels. Einen Griff bekam sonst nur noch die weit aufschwingende Klappe des Renault mit auf den Weg. Obwohl der Vectra mit einem cW-Wert von nur 0,28 Klassenbester ist, steht es um die Übersichtlichkeit seiner Karosserie nicht schlechter als bei den Konkurrenten. Besonders der VW Passat ist vorn noch mehr auf ein gutes Schätzvermögen des Fahrers angewiesen.
Die Karosseriequalität des Vectra erscheint ähnlich gut wie die des Renault Laguna. Allein die Schalter und Bedienhebel wirken ein wenig labil. Das gilt auch für den Ford Mondeo, der aber einen weniger gut verarbeiteten Eindruck macht. Den besten Qualitätseindruck hinterläßt nach wie vor der VW Passat, der nicht nur über besonders exakt rastende Schalter verfügt, sondern auch über die solideste Karosserie. Die passive Sicherheit der vier Kandidaten darf durchweg als zeitgemäß gelten. Zwei Airbags sind Standard, ebenso Flankenschutz und Gurtstraffer. Aber nur der Opel Vectra bietet auch hinten in der Höhe verstellbare Sicherheitsgurte und gegen Aufpreis eine dritte Kopfstütze. Ab Frühjahr 1996 sind sogar Sidebags in den vorderen Türen lieferbar. Familienväter und Mütter dürfte der integrierte Kindersitz interessieren, den Renault als Extra anbietet. Sind Passagiere und Gepäck erst einmal verstaut, treten andere Kriterien in den Vordergrund: Komfort und Fahreigenschaften. Den mit Abstand besten Federungskomfort offeriert der mit einem besonders langen Radstand operierende Renault. Kurze, harte Stöße und deftige lange Bodenwellen hält er von seinen Passagieren gleichermaßen konsequent fern, der Abrollkomfort ist ohne Tadel. Der Ford ist ihm da zwar dicht auf den Fersen, kann aber nur in vollbesetztem Zustand mit ihm gleichziehen.
Sein größter Komfort-Vorteil ist der in allen Lebenslagen kultiviert und leise laufende Motor, der allerdings die kräftigen Windgeräusche der Karosse und die lauten Abrollgeräusche um so deutlicher hörbar weden läßt. Der Renault-Motor geht merklich kerniger zu Werke. Weil er sich aber nur bei 5000 Touren eine kleine Resonanzstelle genehmigt, läßt es sich auch mit ihm gut leben. Kann der Vectra im Komfortkapitel noch mithalten – nur lange Bodenwellen überfordern seine Federung, und ab 4000 Umdrehungen wird der Motor recht vorlaut –, gerät der VW Passat als dienstältestes Auto hoffnungslos ins Hintertreffen: Die einst gerühmten Federungsqualitäten sind heute Makulatur, nur kurze Bodenwellen vermag er noch zeitgerecht zu absorbieren. Allerdings schlägt die langhubige Federung nie hart durch.
Derbe Straßenoberflächen mit langen Bodenwellen schluckt der Passat nur widerwillig und mit ausladenden Karosseriebewegungen, und speziell bei voller Beladung verdichtet sich der Eindruck noch: schwere See draußen. Nicht befriedigen kann auch der ungeniert lärmende Motor des VW. In fast jedem Drehzahlbereich drückt ein kaum mehr zumutbarer Pegel aufs Ohr der Insassen, bei weggenommenem Gas verstärken sich die Dröhneffekte noch. Passabel ist die Geräuschkulisse eigentlich nur in einem Sonderfall: gleichmäßige Fahrt mit maximal 100 km/h im fünften Gang, beispielsweise in Autobahn-Baustellen. Aber der Passat bietet auch Komfort-Goodies: eine rasch einsetzende und wirksame Heizung, hinten den besten Sitzkomfort ohne drückende Gurtschlösser wie bei Ford und Opel und gute Vordersitze mit wenig schweißtreibenden Bezügen, jedoch nicht ganz optimaler Seitenführung.
Ähnlich gute Vordersitze bietet der Opel Vectra, aber großgewachsene Fahrer sitzen bereits in der tiefsten Einstellung der serienmäßigen Höhenverstellung zu hoch. Neben gutem Schluckvermögen muß ein zeitgemäßes Fahrwerk ein hohes Maß an Fahrsicherheit und unproblematische Kurveneigenschaften garantieren. Auch hier zeigt sich der Renault Laguna als Meister. Egal, wie forsch man eine Kurve auch angeht, der Laguna bleibt stets weitgehend neutral und reagiert selbst bei hoher Querbeschleunigung auf Lenkkorrekturen noch präzise, spontan und ohne jede Nervosität. In sehr schnellen Kurven schiebt er gleichmäßig über alle vier Räder, was einen stabilisierenden Bremseffekt bewirkt. Der Opel Vectra kann das freilich fast genauso gut. Allerdings erreicht er nicht ganz so hohe Kurvengeschwindigkeiten und reagiert auch nicht so willig und präzise auf Lenkkorrekturen. Die Lenkung selbst arbeitet jedoch sehr leichtgängig und verleiht ihm eine sehr gute Handlichkeit.
Das andere Extrem markiert der VW mit Werten von 14,0 Sekunden und 178 km/h. Ein schon bei 2500 Umdrehungen erreichtes Drehmomentmaximum beschert dem Passat dafür die besten Elastizitätswerte. Gute Noten verdient sich der Ford bei den Bremsen, zumindest, solange sie noch kalt sind. Mit niedrigen Pedaldrükken und Verzögerungswerten bis zu 9,9 m/s2 bremst er die Konkurrenz aus, die sich allerdings in keinem Fall zu Werten unter 9,0 m/s2 herabläßt. Bei warmer Bremse sieht das anders aus. Jetzt läuft der Opel Vectra mit 9,6 m/s2 zu großer Form auf. Geradezu besorgniserregend dagegen: der Ford mit 7,7 m/s2 und der VW Passat, der nur noch 7,3 m/s2 erreicht. Abgerechnet wird zum Schluß, wenn es ans Bezahlen geht. Die Preise der Testwagen liegen recht einheitlich um 32 500 Mark, lediglich der VW Passat tanzt mit 35 200 Mark aus der Reihe. Der nur schleppende Gebrauchtverkauf dieser für 1996 zur Ablösung anstehenden Limousine belastet die Wirtschaftlichkeitsrechnung weiter, ebenso der vergleichsweise hohe Verbrauch von 9,3 Liter Superbenzin auf 100 Kilometer.
Allein die Tatsache, daß der sonst günstigere Renault Laguna weit höhere Wartungskosten aufweist, bewahrt den Passat in dieser Wertung vor dem letzten Platz. Weit besser sieht die Kostenbilanz bei Ford und vor allem bei Opel aus. Während der Ford mit seiner günstigen Versicherungseinstufung viel Boden gutmacht, schlägt der Opel aus seinen geringen Wartungskosten und dem niedrigsten Benzinverbrauch des Testfelds Kapital. Das reicht allerdings nur, um sich in der Gesamtwertung gegen die inländische Konkurrenz durchzusetzen. Gegen den Renault Laguna kommt trotz dessen Wirtschaftlichkeits-Handikap auch der neue Opel Vectra nicht an.
Fazit
Leiser und kultiviert laufender Motor, außer auf langen Bodenwellen sehr guter Federungskomfort, der auch unter Beladung nicht leidet, sichere Fahreigenschaften. Stärkeres Untersteuern in engen Kurven, volle Beladung verschlechtert Fahrverhalten, nachlassende Bremswirkung bei hoher Beanspruchung.
Außergewöhnlich großzügiges Raumangebot, sehr stabile Karosseriestruktur und gute Verarbeitung, sichere Fahreigenschaften, direkte und zielgenaue Lenkung. Eingeschränkter Federungskomfort mit ausladenden Karosseriebewegungen in beladenem Zustand, lauter Motor, bei hoher Belastung stark nachlassende Bremsen.
Sehr gute Wirtschaftlichkeit durch niedrigen Verbrauch und günstige Wartungskosten, sichere Fahreigenschaften und gute Handlichkeit. Eingeschränkte Platzverhältnisse, eingeschränktes Schluckvermögen der Federung auf langen Bodenwellen und bei Beladung, ab 4000/min lauter Motor.
Hervorragender Federungskomfort bei bestem Handling und sicherem Kurvenverhalten, kräftiger und durchzugsstarker Motor, gutes Raumangebot. Teilweise unbefriedigende Funktionalität, wenig Ablagemöglichkeiten, eingeschränkte Wirtschaftlichkeit, schweißtreibende Sitzbezüge.