Vor dem Landgericht München II läuft seit zweieinhalb Jahren der Prozess im Dieselskandal. Nach Wolfgang Hatz gesteht nun auch Rupert Stadler seine Beteiligung.
Vor dem Landgericht München II läuft seit zweieinhalb Jahren der Prozess im Dieselskandal. Nach Wolfgang Hatz gesteht nun auch Rupert Stadler seine Beteiligung.
Wie Anfang Mai 2023 angekündigt, hat Ex-Audi-Chef Rupert Stadler jetzt im Prozess um manipulierte Abgaswerte von Dieselmotoren ein Geständnis abgelegt. Stadler hatte jahrelang seine Unschuld beteuert, aber die Beweislast war anscheinend zu erdrückend. Das Landgericht München hat Stadler bei gleichzeitiger Zahlung von 1,1 Millionen Euro eine Bewährungsstrafe in Aussicht gestellt – diesen Deal ist Stadler eingegangen. Die Staatsanwaltschaft hat diesem Vorgehen zugestimmt.
Der Vorwurf gegen Stadler lautet, dass er den Verkauf von manipulierten Auto bis 2018 hat weiterlaufen lassen, obwohl er längst von den illegalen technischen Eingriffen wusste. Er selbst hatte immer angegeben, dass ihn seine Techniker hintergangen hätten.
Am 25. April 2023 hatte bereits der Mitangeklagte Wolfgang Hatz, ehemaliger Motorenchef und Porsche-Vorstand, im selben Prozess gestanden und sein Fehlverhalten zugegeben. Er ließ vor Gericht von seinem Verteidiger erklären, es sei zutreffend, dass er mit zwei weiteren Mitarbeitern die Installation der verbotenen Steuerungs-Software veranlasst habe. Er habe "erkannt und hingenommen", dass diese in Deutschland als unzulässige Abschalteinrichtung beurteilt werden und in den USA gegen das dort geltende Recht verstoßen könne.
"Das ist eine Wende", kommentierte Richter Weickert Hatz' Geständnis, ohne jedoch konkret zu erklären, wie sich das auf das Strafmaß auswirken könnte. Im Raum stehen eine Bewährungsstrafe zwischen 18 und 24 Monaten sowie eine Geldbuße von 400.000 Euro. Der Staatsanwaltschaft scheint diese Strafe aufgrund des späten Zeitpunkts des Geständnisses jedoch zu gering zu sein. Auch bei Stadler ist das genaue Strafmaß noch unbekannt.
Die Urteile gegen ihn und Hatz werden noch im Mai 2023 erwartet. Mit dem zuvor bereits geständigen Ingenieur Giovanni P. hatte sich das Gericht auf eine Bewährungsstrafe zwischen 18 und 24 Monaten sowie eine Geldauflage von 50.000 Euro verständigt. Das Verfahren gegen Abgastechniker Henning L. wurde gegen eine Geldauflage eingestellt.
Die ehemaligen Manager des VW-Konzerns scheinen mit ihren Geständnissen langjährige Gefängnisstrafen abgewendet zu haben. Diese kündigte Richter Weickert Ende März 2023 am 161. Verhandlungstag in einer vorläufigen Einschätzung an. Betrug kann mit Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren geahndet werden; in schweren Fällen können es bis zu zehn Jahre sein.
Die Ankündigung beruhte auf der Einschätzung des Gerichts, dass es sich bei den Motorentypen samt Motorsteuerungs-Software, um die sich der Dieselskandal dreht, um unzulässige Abschalteinrichtungen handelt. Das Gericht geht davon aus, dass die drei im Prozess angeklagten Ex-VW-Mitarbeiter Hatz, Giovanni P. und Henning L. die Ausgestaltung der Software veranlasst haben. Dabei hätten sie laut einer Stellungnahme des Gerichts zumindest die Möglichkeit erkannt und hingenommen, dass Fahrzeuge mit einer Software zur Steuerung des Emissionskontrollsystems unter Verstoß gegen Rechtsvorschriften der Europäischen Union ausgestattet würden.
Stadler wurde von Weickert Ende März darauf hingewiesen, dass für ihn "eine für die Strafbarkeit wegen Betrugs durch Unterlassen erforderliche sogenannte Garantenstellung in Betracht komme". Bedeutet: Das Gericht glaubt, Stadler hätte die Diesel-Manipulation verhindern können, dies aber unterlassen, und hätte deshalb mit einer Freiheitsstrafe belegt werden können. Konkret werfen die Staatsanwälte dem ehemaligen Automanager vor, "spätestens ab Ende September 2015 von den Manipulationen Kenntnis gehabt und gleichwohl weiter den Absatz von betroffenen Fahrzeugen der Marken Audi und VW veranlasst beziehungsweise den Absatz nicht verhindert zu haben".
Einen Hinweis, dass die Freiheitsstrafe empfindlich ausfallen könnte, lieferte das Gericht damals gleich mit. Es erwäge, andere Tatbestände, um die sich der Prozess bisher drehte, "von der weiteren Strafverfolgung auszunehmen, weil sie neben der Strafe, die die Angeklagten zu erwarten hätten, nicht beträchtlich ins Gewicht fielen". Zu diesen Vorwürfen gehören unter anderem Falschbeurkundung sowie Betrug bei nicht in den USA und Deutschland oder nach dem 20. November 2015 verkauften Fahrzeugen.
Die Staatsanwaltschaft München hatte bereits im Sommer 2019 Anklage gegen Rupert Stadler erhoben, der Prozess begann im Sommer 2020. Der inzwischen 60-jährige Stadler wurde im Juni 2018 verhaftet und saß wegen des Betrugverdachts und Verdunkelungsgefahr vier Monate in Untersuchungshaft im Gefängnis Augsburg-Gablingen. Ende Oktober 2018 wurde der Haftbefehl gegen ihn ausgesetzt, obwohl der Tatverdacht der Verdunkelungsgefahr weiterhin bestand. Er durfte zwar gegen Kaution in unbekannter Höhe die U-Haft verlassen, allerdings verhängte das Gericht eine Kontaktsperre zu Beteiligten am Dieselskandal.
Mit einer knappen Erklärung verabschiedete sich der Volkswagen-Konzern 2018 von Rupert Stadler. Der Ex-Audi-Chef und VW-Vorstand, seit 1990 im Konzern tätig, scheide "mit sofortiger Wirkung aus dem Unternehmen aus und ist nicht mehr für den Volkswagen-Konzern tätig", teilte Volkswagen damals mit. Die Begründung folgte im nächsten Satz: "Hintergrund ist, dass Herr Stadler aufgrund seiner andauernden Untersuchungshaft nicht in der Lage ist, seine Aufgaben als Mitglied des Vorstands zu erfüllen und sich stattdessen auf seine Verteidigung konzentrieren will." Die vertragliche Abwicklung sei an den Verlauf und den Ausgang des Strafverfahrens geknüpft. Vier Sätze reichten Volkswagen, die Karriere des einstigen Piech-Büroleiters zu beschreiben.
Ermittler hatten laut "Süddeutscher Zeitung" sieben Tage vor und nach der Razzia in Stadlers Privatwohnung am 11.6.2018 dessen Telefonate abgehört. Nach Recherche der Bild-Zeitung sprach der Audi-Chef mit anderen im Diesel-Abgasskandal Beschuldigten. In den nächsten Tagen solle er sich mit Mitarbeitern verabredet haben, die ihm im Dezember 2015 über den Diesel-Skandal informiert hatten, so das Blatt. Die Süddeutsche, der NDR sowie der WDR berichteten zudem, Stadler habe in einem Telefonat erwähnt, er überlege einen Angestellten beurlauben zu lassen. Dieser soll gegenüber den Ermittlern zur Abgasaffäre ausgesagt haben und zur Diesel-Task-Force des Konzerns gehören, die intern herausfinden soll, welche Audi-Fahrzeuge mit illegaler Abgasreinigung ausgerüstet waren. Der Mitarbeiter habe ausgesagt, dass er wegen einer Weisung des Vorstands Kollegen, die für die Abgasmanipulationen verantwortlich gewesen sein sollten, nicht befragen durfte.
Rupert Stadler, in der Branche auch "Teflon-Stadler" genannt, hatte sich in der Abgasaffäre als zweitwichtigster Mann im Konzern lange auf seinem Posten halten können, während um ihn herum VW-Manager wie Martin Winterkorn und dessen Nachfolger Matthias Müller ihre Posten räumen mussten. Trotz aller Vorwürfe gegen ihn hielt Aufsichtsratsboss Hans Dieter Pötsch immer an Stadler fest, auch weil die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch zu Stadler standen. Hintergrund dürfte sein, dass Rupert Stadler 1997 Büroleiter des VW-Patriarchen Piëch wurde und in dieser Zeit tiefe Einblicke in die Macht-Strukturen des Wolfsburger-Konzerns erhielt. Darüber hinaus leitete er Teile der Stiftungen der Familie Piëch und avancierte damit zu einer Art persönlicher Vermögensverwalter.
Rupert Stadler wurde am 17. März 1963 im oberbayerischen Tittingen geboren. Er wuchs als Sohn eines Landwirts auf und studierte in Augsburg BWL mit Schwerpunkt Unternehmensplanung und Controlling. 1990 übernahm er die Leitung des Controllings bei Audi, stieg 1994 zum kaufmännischen Geschäftsführer von VW-Audi in Spanien auf und wurde Ende 2006 zum Vorstandsvorsitzenden der Audi AG ernannt. Er folgte auf Martin Winterkorn, der den Chef-Posten bei VW übernahm. Stadler war ebenfalls Vorstandsmitglied der VW AG sowie Aufsichtsratsmitglied der Porsche Holding, Präsident des Verwaltungsrates von Lamborghini und der VW Group Italien, Aufsichtsrats-Mitglied der MAN Truck & Bus AG sowie MAN SE, Verwaltungsratsmitglied von Italdesign und Mitglied des Aufsichtsrates des FC Bayern München. Stadler ist verheiratet und hat drei Kinder.
Rupert Stadler drohte im Dieselskandal-Prozess vor dem Landgericht München II eine mehrjährige Haftstrafe wegen Betrugs durch Unterlassen. Doch der Vorsitzende Richter hatte dem Ex-Audi-Chef ein Schlupfloch gelassen: Sollte er ein vollumfängliches Geständnis ablegen, könnte er mit einer Bewährungsstrafe davonkommen. Dieses Angebot hat Stadler, der 2018 bereits vier Monate in Untersuchungshaft verbracht hat, mit seinem Geständnis nun angenommen. Damit bleibt ihm voraussichtlich eine Gefängnisstrafe erspart – er kommt wahrscheinlich mit einer Geldstrafe in Höhe von 1,1 Million Euro und einer Bewährungsstrafe davon.
Zuvor hatte schon Wolfgang Hatz, Ex-Motorenchef des VW-Konzerns und Porsche-Vorstand, ein Geständnis im Prozess um illegal manipulierte Abgaswerte von Dieselmotoren zugegeben.
Am härtesten hat es bisher Ex-VW-Ingenieur Oliver Schmidt getroffen: Bei einer Einreise in die USA hatten ihn die dortigen Behörden verhaftet, ein Bundesgericht in Detroit verurteilte Schmidt zu sieben Jahren Gefängnis, von denen er fast drei Jahre in den USA und drei weitere Monate in Deutschland absitzen musste. Schmidt hat ein Buch mit seiner Sicht auf den Dieselskandal angekündigt.