Unsere enge Verbundenheit mit der Straße hält uns nicht davon ab, gelegentlich auch andere Elemente per Fahrzeug zu erkunden. In diesem Fall wagen wir uns mit einem Amphibienwohnwagen auf den Bodensee – und entdecken eine neue Form der Freiheit.
Unsere enge Verbundenheit mit der Straße hält uns nicht davon ab, gelegentlich auch andere Elemente per Fahrzeug zu erkunden. In diesem Fall wagen wir uns mit einem Amphibienwohnwagen auf den Bodensee – und entdecken eine neue Form der Freiheit.
Erhaben recken sich die schneebedeckten Alpengipfel in den Hellblauglanz des Himmels, der gerade noch von Wolken verhangen war. Dass ein Wind sie weggefegt hat, der nun kleine, bald stärkere Wellen über den See kräuseln lässt, merke ich erst jetzt. Wie das eben so ist, wenn man sich in ein Abenteuer stürzt – oder in den Bodensee. Dabei konnte ich noch heute Morgen als Beleg meiner nautischen Kompetenz kaum mehr vorweisen als die Saisonkarte fürs Freibad und die Kenntnis der Baderegeln auf der Schnellschwimmerbahn.
Wobei der Bodensee überaus erheblichere Dimensionen aufweist: 536 Quadratkilometer groß, bis zu 251 Meter tief und mit 48 Billionen Liter Wasser gefüllt – das reicht für 24 Millionen Freibadbecken. Eine Menge Wasser, auf dem man mit einem 5 PS starken Motorboot ohne Führerschein herumfahren darf. Was für mich die viel größere Herausforderung ist als für den in Kiel entwickelten, ostseetüchtigen Sealander, diesen schwimmenden Wohnwagen. Oder ist er ein Hausboot, das sich ans Auto kuppeln lässt?
Wir ziehen den Sealander zum Campingplatz Schauenhorn am Nordzipfel des Bodensees, begleitet von Peter Creutzig, der den Boots- caravan im Süden vertreibt. Erfunden und über Jahre zur Serie entwickelt hat den Amphi-Caravan Daniel Straub. Wobei sich da wieder zeigte, dass neben einer grandiosen Idee vor allem Beharrlichkeit zählt – die Herausforderung, sowohl alle Zulassungsvorschriften für ein Motorboot als auch die für einen Caravan praktisch weltweit zu erfüllen, geht man wohl nur ein, wenn man nicht ahnt, worauf man sich einlässt.
Sollten Sie je vor der Wahl stehen, eine Motorboot/Wohnwagen-Homologation in der Schweiz zu erlangen oder eine Marsmission durchzuführen – machen Sie es sich leicht, nehmen Sie die Marsmission. Jedenfalls darf der Sealander auf allen Straßen der Welt gezogen werden und alle Gewässer befahren, auf denen Motorboote zugelassen sind. Doch ein paar Grundkenntnisse sollte man schon draufhaben. Deswegen erklärt mir Peter Creutzig erst die wichtigsten Regeln der Bodenseefahrt. Dann schrauben wir den Elektro-Außenborder ans Heck, rollen den Sealander ins seichte Uferwasser. Einmal kräftig abstoßen, und er schwimmt, dieser Wohnwagen.
Rechts ist nun steuer-, links backbord und das Gefährt ein Widerspruch in sich: ein Anhänger, der alleine fährt. Am Gasgriff nach rechts drehen, und der Propeller quirlt ihn voran.
Konstruktiv ist der Sealander ein Verdränger, daher erreichte er auch mit mehr Leistung kaum mehr als die sieben km/h, auf die ihn die Torqeedo-E-Maschine mit 5-PS-Äquivalent bringt. Zugelassen sind Außenborder bis 15 PS. Doch passt der leise E-Motor besonders gut zum Sealander.
Wie leicht das Boot manövriert, wie frei und abenteuerlich sich das schon 50 Meter vom Ufer entfernt anfühlt! Das Heckfaltverdeck ist vorgetakelt, die Bugklappe offen. Für 5 km/h genügt Viertelkraft voraus. Acht Stunden oder gut 30 Kilometer könnte ich so vorantuckern – genug, um den Bodensee zweimal an seiner breitesten Stelle zu queren.
Ich kreuze lieber im Überlinger See. Gegenüber liegt der Strand der Marienschlucht, seit einem Erdrutsch 2015 nicht mehr per Landweg erreichbar. Davor der Teufelstisch, eine unter Tauchern berüchtigte Felsnadel im See. Der Akku reichte auch bis vor Bottighofen, wo der Raddampfer „Jura“ in 38 Metern Tiefe liegt. Wobei nun gerade für den wenig geübten Seemann ein guter Moment wäre, sich von einem erfahrenen Kapitän kompetente Zuversicht zusprechen zu lassen. Also los: „Ich kann mir keinen Umstand vorstellen, unter dem ein Schiff sinken könnte. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass dieses Schiff in eine ernsthafte Notlage geraten könnte. Der moderne Schiffsbau hat so etwas überwunden.“ Diese alte Erkenntnis stammt von Edward John Smith, der über 40 Jahre zur See fuhr. Zuletzt allerdings als Kapitän der „Titanic“.
Andererseits hat sich für den Bodensee das Thema mit den Eisbergen seit der letzten Kaltzeit vor 10.000 Jahren erledigt. Zudem liegt er gerade noch so schön ruhig in der Gegend herum. Dazu wirkt der Sealander enorm solide und hochwertig. Dass er von Bootsbauern entwickelt wurde, zeigt sich im Leichtbau. In der Grundausstattung wiegt er 485, komplett möbliert – also mit Spiritusherd, Außendusche, Innenklo – 550 Kilo. Auf 6,8 Quadratmetern Grundfläche bietet er Platz für sechs Passagiere; zwei können sogar drin schlafen, dazu lässt sich die Sitzbank zum Doppelbett umgruppieren. Mit geworfenem Anker und Rundumleuchte darf man draußen auf dem See übernachten.
Der Sealander eröffnet völlig neue Möglichkeiten: Er braucht keinen festen Stell- oder Liegeplatz, denn er ist so klein, dass er unter den Carport oder in die Garage passt (Gesamtlänge: 4,65 Meter, Höhe: 1,89 Meter). Packt dich die Abenteuerlust, schnallst du ihn einfach ans Auto, fährst los, bis irgendwohin, wo es schön ist. Liegt in der Gegend ein See, Fjord, Kanal, Fluss oder Meer, schubst du den Sealander rein. Dann ist er in seinem und du in einem anderen Element.
Freiheit ist nicht nur das, was vor dir liegt, sondern auch das, was du hinter dir lässt, heißt es. Und weil nicht viel mitkann im kompakten Schwimmwohnwagen, bleibt der ganze Klimbim daheim, den manch anderer Camper mit sich herumschleift: Sat-Fernseher, Kühlschrank oder Außenküche. Mit dem Sealander dagegen – und daran ändert die Tatsache nichts, dass ich zurück zum Ufer steuere, als der Wind auffrischt – kann man das Leben im Sturm erobern.
Info
Der außergewöhnliche Schwimmwohnwagen entsteht in Schwerin, wird dort in Handarbeit von Schiffsbauern gefertigt. Das Basismodell kostet ohne Motor 21.990 Euro, Inneneinrichtung und Ausstattung lassen sich sehr individuell konfigurieren. Einfach mal durchklicken auf www.sealander.de
Der Sealander erfüllt alle internationalen Vorschriften für Wohnwagen und Motorboote. Als Antrieb lässt sich jeder Außenborder mit maximal 15 PS nutzen. Unser Exemplar war mit einem Torqeedo-Elektromotor mit dem Leistungsäquivalent von 5 PS ausgerüstet, der zusammen mit Batterie rund 5.000 Euro kostet. 5 PS sind übrigens deswegen wichtig, weil Motorboote bis zu dieser Leistung auf dem Bodensee und vielen anderen Gewässern führerscheinfrei gefahren werden dürfen. Trotzdem empfehlen wir mindestens eine intensive Einweisung in die Regularien der Schifffahrt.
Wer wie wir den Sealander am Bodensee anschauen, ausprobieren oder mieten möchte, wende sich an die Creutzig GmbH in Stockach, Tel. 077 71/ 914 87 01, E-Mail: bodensee@sealander.de