Seit 45 Jahren nun gibt es die Mercedes G-Klasse, Jahre, in denen das Design des kantigen Geländegängers geradezu ikonisch geworden ist. Beim Design des G hat sich folgerichtig nichts Nennenswertes geändert. Technisch dagegen hat sich einiges getan. Weshalb die Überarbeitung nicht als Modellpflege, sondern als vollwertiger Modellwechsel mit neuer Baureihen-Nummer gilt: Der W 465 ersetzt den seit 2018 gebauten W 463. Die vollelektrische Variante erhielt vor der Präsentation die meiste Aufmerksamkeit. Sie heißt nicht wie ursprünglich geplant EQG, sondern ist als G 580 nun fest im G-Programm verwurzelt. Eine gute Idee, wenngleich der sperrige Namenszusatz "mit EQ Technologie" überflüssig scheint, da es keinen G 580 ohne EQ-Technologie gibt.
Die erste Fahrt mit dem G 580 führt über einen Landstraßen-Loop, der an einer hübschen Steinbrücke über ein Flüsschen namens Berre beginnt. Weil es in diesen Tagen in Südfrankreich in Strömen regnet, hat sich vor der Brücke eine tiefe Pfütze angesammelt. Kein Problem für den G 580, der durch bis zu 85 Zentimeter tiefes Gewässer waten kann. Weitere fotogene Pfützen folgen. Das sieht gut aus, selbst wenn das Wasser kaum mehr als eine Handbreit tief ist.
Hinter der Brücke schlängeln sich Sträßchen zwischen Weinbergen, der Berre und Feldern hindurch. Der Asphalt zeigt sich eher holperig, was für eine Testfahrt nicht so verkehr ist. Der G 580 überschmust mit seinen rund 3,1 Tonnen Gesamtgewicht kleine und große Unebenheiten sehr souverän, die aktiven Dämpfer verhindern allzu heftige Wankbewegungen. Weil die Lenkung mit präziser Ansprache und viel Rückmeldung mithilft, fühlt sich das alles überraschend handlich und unbehäbig an. Das gilt sogar dann, wenn die Straße kurviger wird und sich die Richtungswechsel schneller abwechseln.
Dass sich der Energieverbrauch des G 580 dabei kaum in die Nähe der WLTP-Angabe (30,4 bis 27,7 kWh/100 km, je nach Ausstattung) heranknausern lässt, ist eine weitere Facette des elektrischen Geländegängers. Bei zügiger, doch legaler Landstraßenfahrt zeigt der Bordrechner um 40 kWh/100 km an.
Danach darf ein anderer G 580 EQ zeigen, was er mit vier Motoren plus Reduktionsgetrieben über Stock und Stein so zu bieten hat. Im Falle des Offroad-Geländes rund um das Château Lastours ist es mehr Stein als Stock, was dem 580 freilich relativ egal ist. Mit seinen vier Motoren, der Low Range-Übersetzung in den vier Getrieben und den Offroad-Programmen Trail und Rock meistert er die kleineren und größeren Gemeinheiten so locker als wolle er fragen, wann denn nun das richtige Gelände anfinge. Und ja, Sie haben richtig gelesen. Jedes der vier radnahen Motoren verfügt über sein eigenes Zweigang-Getriebe, wobei ein Gang als Untersetzung ausgelegt ist. Eine mechanische Verbindung zwischen den Schaltgabeln der beiden Getriebe an einer Achse stellen dabei sicher, dass sie gleichzeitig schalten. Der Hintergrund: Zwar liefern die E-Motoren bereits bei minimaler Drehzahl maximales Drehmoment, doch sie mögen es nicht und dann zum Überhitzen. Durch die Untersetzung können die Motoren bei niedrigen Geschwindigkeiten im Gelände bei höherer Drehzahl laufen. Aufgerufen wird die Low Range-Stufe per Knopfdruck in der Mittelkonsole.
Der Bedienaufwand für den Fahrer beschränkt sich dabei aufs Knopfdrücken, per Dynamic Select muss er dazu die Fahrmodi Trail oder Rock aufrufen und den Fuß von der Bremse nehmen. Das Tempo kann er mit den Paddeln hinterm Lenkrad feinjustieren, bis aufs Lenken regelt der G den Rest. Reichweitenängste erweisen sich dabei als unangebracht. Weil die Elektromotoren bei der Offroad-Fahrt nur recht langsam und ohne hohe Leistungsanforderung rotieren, reicht die Akkuladung für mehrere Stunden Geländefahrt und hat immer noch genug Reserven für die Rückfahrt.
Links und rechts des Low Range-Knopfes befinden sich übrigens zwei Tasten, von denen die linke die spaßigere ist. Sie heißt G-Steering und bewirkt, dass der Wagen um sehr enge Ecken abbiegen kann. Dazu blockiert der Antrieb das kurveninnere Hinterrad, während die drei weiteren Räder gezielt beschleunigen. Das sieht so ähnlich aus als lenkte man ein und zöge die Handbremse. Es funktioniert aus dem Stand und bis 25 km/h.
So lässt sich mit einem gezielten Tritt aufs Fahrpedal das Heck richtig rumwerfen. Je rutschiger der Untergrund, desto besser lässt sich G-Steering als Dynamikhilfe einsetzen. Und falls Sie planen, sich vor dem Winter einen G 580 zuzulegen, dürfen Sie sich jetzt bereits auf verschneite Straßen freuen. Mehrfach gezeigt wurde die G-Turn-Funktion, durch welche der G-Wagen wie ein Kettenfahrzeug auf der Stelle um 180 Grad drehen kann. 360 oder 720 Grad sind ebenfalls möglich.
Bei all der Spielerei mit den G-Möglichkeiten im G-Lände hätten wir nun beinahe vergessen, dass es beim W 465 natürlich weitere Neuigkeiten gibt. Nicht zuletzt drei neue Antriebe mit mildhybrider Unterstützung, wie sie ja ebenso bei anderen Mercedes-Modellen eingesetzt werden.
Ein Dieselmotor gehört dazu, auch das ist Mercedes-Tradition, und das wird vermutlich noch eine Weile so bleiben. Schließlich gibt es Regionen auf diesem Planeten, in denen während der nächsten Jahre nicht mit rasantem Ausbau des Elektro-Ladenetzes zu rechnen ist. Und da passt der G 450 d besonders gut hin.
Obwohl er auf europäischen Straßen auch nicht so schlecht fährt. Der integrierte Startergenerator liefert wie bei den anderen Motoren 15 kW und 200 Nm mehr an die 9-G-Tronic, entsprechend souverän agiert der Selbstzünder im G. Neu ist zudem der Reihen-Sechszylinder im G 500. Der ist 449 PS und 560 Nm stark und gefällt im großen Geländewagen neben der sahnigen Leistungsabgabe mit sympathisch-brummigem Unterton.
Zum Abschluss der Testfahrten am Chateau wird zur Fahrt auf der sogenannten Rallyestrecke gebeten. Und zwar im G 63 AMG. Es gibt schnelle Kurven, enge Ecken, Sprunghügel, rutschige Anbremszonen und knietiefe Pfützen auf der Ideallinie zu bewältigen. Der 585 PS starke V8 wirft G-Wagen und Besatzung derart vehement um den Kurs, dass der Besatzung bald etwas flau wird. Gefallen hat's ihnen dennoch.






