So genau weiß man es nicht, wann und wo die Restomod-Welle abhob, um über die luftgekühlte 911-Welt zu schwappen. Kalifornien spielt sicher eine Rolle, die dort bereits vor über 20 Jahren in Mode gekommenen Outlaw-Porsche womöglich auch. Jedenfalls plätschert die Welle längst durch Europa. Über die Schweiz beispielsweise, die bekanntlich nicht arm an Porsche-begeisterten Enthusiasten ist. Also stehen wir hier in einem Industriegebiet kurz hinter dem Ende der Startbahn 34 des Flughafens Zürich vor einem dunkelblauen 911.
Lukas Neyer, verantwortlich für Presse und Marketing bei Sportec, erklärt die wichtigsten Details zum Wagen. Ein paar Papiere gilt es zu unterzeichnen, dann kann es losgehen. Der Fotograf wartet.
Vier Liter und 360 PS
Die ersten Kilometer zum Treffpunkt werden zum Shakedown. Sie seien für einen zierlicheren Kunden vorgesehen, hatte Lukas die engen Sitzschalen proaktiv entschuldigt. Doch sie passen erstaunlich gut, trotz der Enge und der fehlenden Lehnenverstellung. Längs gibt es ohnehin genug Platz, nach oben wird es beim Ein- und Aussteigen knapp. Der Sitz sei recht hoch montiert, auch das hatte Lukas vorher erzählt. Lässt sich ohnehin alles an individuelle Wünsche anpassen.
Der Motor hat sich inzwischen warm geboxert, das geht bei luftgekühlten Elfern schnell. Längst zeigt das Ölthermometer bekömmliche Schmiermitteltemperaturen an.
Vier Liter Hubraum habe er, und er sei eine Eigenkreation, hat es vorhin geheißen. 360 PS bei 6.100/min und 420 Newtonmeter maximales Drehmoment bei 5.380/min werden dem Boxer bescheinigt. Falls Sie nicht so mit den Leistungsdaten eines originalen 964 der Baujahre 1988 bis 1994 vertraut sein sollten: 3,6 Liter Hubraum, 250 PS bei 6.100/min und 310 Nm bei 4.800/min lauten die Werte des Ausgangsprodukts.
Da haben sie also ordentlich was draufgelegt bei Sportec. Im morgendlichen Berufsverkehr nordwestlich von Zürich spektakelt der Boxer vor sich hin und rupft ab und zu etwas am Schwungrad.
"No plastic mentality" im Innenraum
So hat man noch ein wenig Zeit, sich im Interieur umzuschauen. Einer der Grundsätze bei der Innenraumgestaltung sei die "No plastic mentality". Womit gemeint ist, dass alle Bedienelemente aus Kunststoff durch Frästeile aus Aluminium ersetzt wurden, von den Blinker- und Wischerhebeln an der Lenksäule und den Knöpfen der Lüftungsanlage bis zu Lüftungs- oder Lautsprechergittern. Dabei, so haben die Jungs bei Sportec erzählt, wurden die neu gefrästen Teile nicht glatt poliert. Sie weisen noch feine Spuren der spanabhebenden Bearbeitung auf, wie man etwa am Schaltknauf oder am Tankdeckel sehen und ertasten könne. Funktionale Vorteile hat das zwar nicht, doch es sieht gut aus.
Überhaupt haben sie es bei Sportec verstanden, dem Ferdinand einen ganz eigenen Style mitzugeben. Der 911-F-Look wirkt nicht zu dick aufgetragen, die Radhäuser hinten bauen nicht zu breit, und die um jeweils 60 Millimeter verbreiterte Spur lässt den Wagen immer noch vergleichsweise zierlich dastehen.
Mehrere Generationen besser als das Ausgangsprodukt
Inzwischen hat sich der Verkehr verflüchtigt, die Straßen werden leerer und schmaler, winden sich durch Hügel und Täler, während die Herbstsonne letzte Nebelschwaden aus den Wipfeln dampft. Zweiter Gang, Gas. Der Ferdinand springt nach vorn, die Nadel des großen Drehzahlmessers zuckt in Richtung der 5.000er-Markierung, und hinten trompetet der Edelstahl-Sportauspuff los – dritter Gang. Das alles spielt sich selbstverständlich bei legalem Landstraßentempo ab.
Anbremsen, einlenken, wieder aufs Gas, immer die Tachonadel im Augenwinkel, doch Spaß macht es auch so. Gefühlt geht der Ferdinand S mehrere Elfer-Generationen besser als das Ausgangsprodukt. Was Wunder, der Sportec-911 hat nicht nur den kräftigeren Motor, er wiegt auch noch deutlich weniger. Knapp unter 1.200 Kilogramm werden ihm bescheinigt, das sind ungefähr 150 Kilogramm weniger als beim originalen 964 Carrera 2.
Leichtbau ist eine der Spezialitäten der Sportec-Crew, sie verfügt schließlich über reichlich Motorsport-Erfahrung. Neben dem Werkstatt- und Restaurierungsgeschäft betreibt Sportec auch ein Rennteam, das mehr als nur eine Handvoll Porsche-Renner im Schweizer Supercup einsetzt.
Motorsport-Flair im 964
Einiges aus der Rennsportwelt findet sich auch am Ferdinand – was dem nostalgischen Sportwagen-Flair des Restomods nicht abträglich ist. So bestehen die Seitenscheiben aus Macrolon, eine Dünnglasscheibe wurde hinten eingebaut, und ein Leichtbau-Heizsystem mit beheizbarer Frontscheibe temperiert den Innenraum. Doch auch kleinere Bauteile wie diverse Verbindungsstecker wanderten aus dem Motorsport in den Ferdinand.
Leichtbau wurde ebenso bei der Karosserie betrieben. Die vorderen Kotflügel sowie die Stoßstangen vorn und hinten sind aus Carbon-Kevlar gefertigt, die Kofferraumklappe aus Aluminium – lauter Maßnahmen, die alle zusammen das Endprodukt deutlich leichter und spontaner wirken lassen, als es der tatsächliche Unterschied nahelegt.
Der Ferdinand lenkt zackig ein, die Vorderräder grippen sich in die Kurven, der Motor schiebt gnadenlos auf die Gerade. Aus dem Triebwerk machen sie noch ein Geheimnis, fotografieren sollen wir es nicht – noch Prototypenstadium. Der Vierliter-Boxer verfügt unter anderem über eine neu entwickelte Ansaugbrücke mit Resonanzrohr und ebenfalls aus dem Vollen gefrästen Ansaugrohren zu den Einlassventilen. Die Drive-by-Wire-Drosselklappenanlage stammt auch aus der Motorsport-Entwicklung.
Mit MCS-Fahrwerk
Später, beim Fotofahren, offenbart sich eine ganz andere positive Eigenschaft des Antriebs: Dass er trotz Leistungssteigerung und Hubraumerweiterung ähnlich alltagstauglich geblieben ist wie bei einem normalen Elfer. Motor und Kupplung zicken beim Antreten aus niedrigen Drehzahlen nicht rum. Dank Schaltwegverkürzung lassen sich die Gänge rasch und knackig einlegen, inklusive des Rückwärtsgangs.
Und haben wir das Fahrwerk bereits erwähnt? Es blieb natürlich ebenfalls nicht unverändert. Verwendet wird ein Zweiwege-Fahrwerk der Spezialisten von MCS (Motion Control Suspension) mit einstellbarer Zug- und Druckstufe sowie Sport-Stabis vorn und hinten. Um die Abstimmung kümmerte sich unter anderem Rennprofi Marcel Fässler.
50 Kilometer Rückfahrt Richtung Zürich – du hast dich inzwischen eingeschossen auf den Sportec-911. Vielleicht würdest du das Fahrwerk für die Landstraße etwas sanfter einstellen, möglicherweise eine andere Farbe als Dunkelblau wählen. Doch fraglos ist der Ferdinand S ein Auto, das man ungern wieder hergibt. Was so etwas in der Schweiz kostet, fragen wir zum Schluss. Um die 700.000 Franken müsse man schon rechnen – inklusive 964. Dann geht’s ja.
