Inoffizieller GT3-Weltmeister, Champion der hart umkämpften IMSA-Serie in den USA, DTM-Sieger und doppelter Le-Mans-Gewinner: Nur ein schneller Blick auf den Briefkopf des aktuellen Porsche-GT3-Heros reicht aus, um seinen Szene-Status zu verstehen. Trotz riesiger Konkurrenz der heimischen Rivalen von BMW und Mercedes sowie Weltmarken wie Ferrari sind die Zuffenhausener die Benchmark.
Um diesen Ruf zu verteidigen, haben die Weissacher Ingenieure ordentlich nachgebessert. Ihre wichtigste Zielvorgabe war, dass das Update sowohl für Profi- als auch Amateurfahrer bestmöglich zu beherrschen ist. Denn bei den großen Events, wie den 24 Stunden auf der Nordschleife, stehen zwar die Lenkrad-Könner im Vordergrund, aber der Großteil der 106 verkauften aktuellen Porsche 911 GT3 R wird von Enthusiasten gesteuert.
Innerhalb des FIA-GT3-Reglements gibt es zwei große Handlungsfelder: die Aerodynamik und das Fahrwerk. Bei ersterer lassen sich Änderungen schnell ausmachen. Zusätzliche Entlüftungsöffnungen für die Radhäuser auf der Oberseite der vorderen Kotflügel, Louvres genannt, verbessern die Luftführung. Kombiniert um die optimierte Kinematik der Doppelquerlenker-Vorderachse, die durch eine verbesserte Kraftabstützung einen Anti-Dive-Effekt ermöglicht, wirken sie in der Verzögerungsphase einem Eintauchen des Vorderwagens entgegen und verhindern damit eine Verschiebung der Aero-Balance. Auf Deutsch: Das Auto liegt beim Bremsen stabiler und verhält sich präziser.

Nach mehr als 500 Starts in der wilden Welt der GT3 sah Porsche genug Update-Bedarf hinsichtlich seines 911-Rennablegers.
Kleinigkeiten mit riesigem Effekt
Im Heck bekam der Neuwagen eine vier Millimeter hohe Gurney-Leiste für den Schwanenhals-Heckflügel verpasst. Der auf den Fotos schwer auszumachende Carbon-Streifen erhöht den aerodynamischen Abtrieb und vergrößert das Fenster für Abstimmungsarbeiten an der Aero-Balance. Gar nicht zu erkennen ist hingegen das Unterboden-Update. Er wird vollständig geschlossen und im hinteren Abschnitt zusätzlich abgestützt. Die Mehrlenker-Hinterachse blieb wie das Gegenstück vorne nicht unangetastet. Hier hatten die Ingenieure eine Verbesserung der Lage bei extremer Beschleunigung im Lastenheft stehen. Ein angepasstes Renn-ABS von Bosch (fünfte Generation) soll das Fahrverhalten abrunden.
Dass jedes Detail zählt, zeigen weitere Korrekturen. Eine Extra-Flüssigkeitskühlung der elektrohydraulischen Servolenkung soll die Lenkkräfte unter allen Bedingungen – sei es die Hitze von Sommer-Klassikern oder die Dauerbelastung der Nordschleife – gleichmäßig halten. Neue Keramikradlager erhöhen die Robustheit und Langlebigkeit der Radträger. Modifizierte Zentrierspitzen vereinfachen die Montage der Gelenkwellen. Diese werden jetzt anhand einer eigenen Luftzuführung über NACA-Öffnungen in den Seitenschwellern direkt gekühlt. Stichwort Kühlung: Die Belüftung der Hinterachsbremse lässt sich individueller abstimmen, was etwa auf dem Highspeed-Oval Daytonas wichtig wird.
Bei dessen 24 Stunden, aber auch anderen Langstreckenläufen, dürfen sich die Piloten dank eines angepassten Luftgitters über konstantere Zirkulation im Innenraum freuen. Dort wird auch den Ingenieuren das Arbeiten massiv erleichtert. Die Fahrdaten der Remote Logger Unit lassen sich nun über einen auswechselbaren USB-Stick entnehmen. Vorher steckten die Techniker ihre Laptops via Kabel an, was höchstens bei langen Boxenstopps funktioniert hat.

"Wir haben den Fokus auf Optimierung gelegt. Kleine Änderungen können große Unterschiede machen, wenn sie auf einer soliden und erfolgreichen Basis aufbauen", erklärt Sebastian Golz, Projektleiter Porsche 911 GT3 R.
Wo der Kunde König ist
Der Blick auf die Kostenaufstellung des 565-PS-Renners dürfte Interessenten gleich auf mehreren Wegen happy machen. Dies beginnt beim Fahrzeug-Preis von 573.000 Euro – Normalsterbliche würden sich mit der Summe ein kleines Haus bauen. Trotzdem liegt der 911 hier eher im unteren Bereich. Für die Konkurrenten muss man einige Hunderttausend Euro mehr überweisen. Ab Werk liefert Porsche Motorsport seinen Neusten mit serienunabhängigen Optionen aus. Enthalten sind das Sensorpaket, das Langstreckenpaket, das Pitlane-Links-Paket (Tankstutzen beidseitig) und das Kamerapaket.
Sie umfassen allen voran vier Laser-Fahrhöhensensoren, zwei Hauptbremszylinder-Potentiometer, einen Streckentemperatursensor sowie eine Rückfahrkamera und Halterungen für das Trinkflaschensystem. Ein Betankungserkennungssensor registriert das Aufsetzen des Tankrüssels – inklusive der zusätzlichen Betankungs-LED spielt dies in der IMSA-Serie und der Langstrecken-WM, aber auch bei den 24 Stunden von Spa-Francorchamps in Bezug auf Tankmindestzeiten und nachgefüllte Energiemengen eine rennentscheidende Rolle.
Trotzdem gibt es bei der Evolution, die sich auch nur als Ergänzung für die bisherigen Renner erwerben lässt, Wahlmöglichkeiten. Für die FIA-LMGT3-Klasse und IMSA beinhalten sie zum Beispiel spezielle Achswellen und in der NLS einen angepassten Vorschalldämpfer analog zur LMGT3 sowie Flügelstützen mit einem geänderten Einstellbereich. Bisherige Kunden erhalten von Porsche Motorsport etwa 60 Nachrüstkits zum Einzelpreis ab 41.500 Euro.

Auf Anhieb einer für Pokale: Im Undercover-Look holte ein Versuchsträger bei den 12 Stunden von Spa-Francorchamps Mitte April den zweiten Rang.
Testen mit den Besten
Der Entwicklungsstart des neuen Porsche 911 GT3 R lag im August 2024. Zunächst flitzte er über die hauseigene Strecke in Weissach, dann ging es auf zahlreiche legendäre Kurse. Die Rüttelpiste von Sebring prüfte die Standfestigkeit, Le Castellet das Topspeed-Verhalten und Spa sowie die Nordschleife Allrounder-Fähigkeiten. Das Auto war Mitte April sogar schon öffentlich zu sehen: Herberth Motorsport setzte einen Versuchsträger im Rahmen der 12 Stunden von Spa-Francorchamps – einem Rennen für ambitionierte Amateure – ein. Laurin Heinrich, ehemaliger Porsche-Junior und amtierender IMSA-Champion, beendete das zweigeteilte Rennen zusammen mit seinen deutschen Landsmännern Ralf Bohn und Alfred Renauer auf dem soliden zweiten Rang der Gesamtwertung.
Michael Dreiser, Leiter Vertrieb Porsche Motorsport, durfte sich über beste Werbung freuen. "Die mehr als 420 Podiumsplatzierungen des Porsche 911 GT3 R sprechen für sich. Er rundet unsere Kundensport-Rennwagen-Palette im GT-Bereich nach oben ab. Zusammen mit dem 718 GT4 RS Clubsport für den Einstieg in den internationalen GT-Rennsport bildet die jetzt vorgestellte Evolution ein starkes Paket für die Saison 2026. Die Option, bestehende 911 GT3 R per Update-Kit auf den neuesten Stand bringen zu können, sehen wir zudem als attraktive Lösung im Sinne der Kundenteams."
Sein sportliches Gegenstück auf der 911-Kundensportseite, Sebastian Golz, resümiert: "Das Feedback durch die Fahrer im April nach dem ersten Renneinsatz während der Entwicklungsphase hat unsere Ziele bestätigt. Somit können wir zuversichtlich in die Zukunft schauen, dass unsere Kundenteams mit der Evolution des 911 GT3 R bei Renneinsätzen rund um den Globus weiterhin erfolgreich sein werden." Wer auf dem Weg dahin erst Erfahrung sammeln will, bekommt von Porsche im Übrigen eine weitere Alternative. Beim Launch des GT3 auf dem Nürburgring stellten die Zuffenhausener die analoge Weiterentwicklung ihres Cup-Renners vor.
