Dacia Bigster: Praktisches Familien-SUV im Test

Dacia Bigster im Test
Warum der größte Dacia seiner Zeit voraus ist

ArtikeldatumVeröffentlicht am 04.10.2025
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Wie, fragst du dich in den kurzen, stillen Stunden vor Sonnenaufgang, sollst du eine Sache vom Ende aus durchdenken, wenn du noch mittendrin steckst. Oder eben sitzt, so wie nun im Dacia Bigster , vor dir ein langer Tag, an dem der Wind aus Westen fluffige Wolken übers weite Land wehen wird. Die Perspektive aus der Gegenwart zieht schließlich alle Abzweige, Schleifen, Irr- und Umwege zu einer einzigen Geraden, sodass du vom Jetzt aus den Startpunkt siehst. Doch von der auf 64 cm Sitzhöhe herausgehobenen Behaglichkeit des Bigster aus wagt man kaum zu denken, wie alles anfing. Für die richtige Perspektive müssen wir vom Beginn an denken. Also zurück nach 2005.

Wir sind damals ja dabei, als Dacia bei uns startet. Mit dem Logan, einer Stufenheck-Limousine aus Renault-Technik-Restposten, deren Bezeichnung als Billigauto nicht mal Dacia widerspricht. Die Äußerlichkeit des Logan lässt hoffen, dass wahre Schönheit von innen kommt. Wobei er einen Preis der Schönheit hat: 7.200 Euro für einen familien-, erst- und einzigwagenvollwertigen Fünfsitzer mit drei Jahren Garantie. Aber auch ohne: ESP, Sidebags, Servolenkung, Klima, elektrische Fensterheber, Zentralverriegelung. Mangels anderer Bejubelungswürdigkeiten informiert die Pressemappe, dass sich dem versierten Handwerker durch Lösen einiger Schrauben die Möglichkeit eröffne, die Rückbank aus ihren Verankerungen zu lösen und somit die Transportfähigkeit der Limousine auf Sperrgut zu erweitern.

Treppen und Türen

Spätestens da, als der Bigster in unsere Tiefgarage kurvt, ist klar: Dacia hat es weit gebracht. Wie? Da dröseln, nein bröseln wir zur Erklärung mal was auf – einen Glückskeks – und holen das Zettelchen raus: "Erfolg ist eine Treppe, keine Tür" (Liebe Miteltern, zitiert diese Weisheit nicht bei euren Siebtklässlern nach einer Fünf in Französisch, kommt nicht gut an). Wobei der Aufstieg von Dacia fast schon einer Fahrt auf der Rolltreppe gleicht. Da alle potenziellen Rivalen die Karriere- oder Preistreppe nach oben drängen. Und während die sich ein, zwei Stufen weiter oben rangeln, drückt von unten keiner nach. So ist über dem Logan bald ein ganzes Treppenhaus Platz für Sandero, Dokker, Lodgy, Jogger sowie Duster.

Dacia Bigster Hybrid 155 Journey
Hans-Dieter Seufert

Und nun für den Bigster. Der steht recht allein auf einem Flur von solch enormer Weite, dass sich der größte und teuerste Dacia, den es bisher gab, ausbreiten kann. Er startet bei 23.990 Euro, selbst der Testwagen mit Hybridantrieb und in der gehobenen Ausstattung Journey hält mit 30.790 Euro weiten Abstand zu den Basisversionen von Ford Kuga (39.950 Euro), Skoda Kodiaq (42.990 Euro) oder VW Tiguan (38.850 Euro). Wie diese drei strebten fast alle anderen Kompakt-SUV über die 30.000-Euro-Marke.

Wie der 22,7 cm kürzere, 4,5 cm radstandknappere und 116 bis 306 l kofferraumvolumengeringere Duster basiert der Bigster auf Renaults Kompaktplattform CMP. Die üppigen Abmessungen schaffen seinem Platzangebot eine Weiträumigkeit, die auch für sieben Passagiere genügte. Jedoch: Um zwei Klappsitze im Fond unterbringen und sinnvoll nutzen zu können, hätte der Hinterbau modifiziert und die Dreier-Rückbank in ihrer Gewandtheit zum Verschieben ertüchtigt werden müssen – und das hätte das Auto sehr verteuert, für ein Extra, das vielen Kunden den Mehrpreis nicht mehr wert gewesen wäre.

Dacia Bigster Hybrid 155 Journey, Kofferraum
Hans-Dieter Seufert

Daher fördern die größeren Abmessungen zunächst die Stattlichkeit des gut nutzbaren Laderaums. Dessen Volumina variieren mit den Antriebs-Varianten, je nachdem, was die Techniker ins Kellergewölbe unter dem variablen Zwischenboden verräumen. Nichts in der Basis mit Verbundlenkerachse hinten (macht 667 bis 1.937 Liter). In der aufpreisfreien Version mit LPG-Antrieb den 50-Liter-Flüssiggastank (bleiben 510–1.813 l). Beim Allradler die Kardanwelle an die und das Differenzial an der Mehrlenker-Hinterachse (550–1.853 Liter). Beim Hybrid lagert da ein Teil des E-Werks. Hier weiten sich die 546 auf 1.851 l, klappt die Rücksitzlehne um, vom Laderaum aus fernentriegelt, federvorgespannt und dreiteilig.

Die restliche Platzfülle steht nun vor allem im Fond zur Verfügung. Trotz der zum Duster unveränderten Außen- und Innenbreite kommen auf der etwas platten Rückbank drei Erwachsene ordentlich unter. Klar, zwei reisen noch bequemer. Dazu umfächelt auch sie klimatisierte Luft, die einem Mittelauslass entströmt. Auf der breiten Mittelarmlehne lassen sich Mobiltelefone fixieren und Becher in Mulden abstellen – womöglich gefüllt mit erfrischenden Getränken aus der gekühlten Ablage unter der vorderen Mittelarmlehne. Schließlich gibt es anklickbare Ablagen mit Haltehaken oder die USB-elektrifizierte Lampe.

Dacia Bigster Hybrid 155 Journey, Fond
Hans-Dieter Seufert

Auch sonst neigt der Bigster – zumindest optional – für einen Dacia zu einem bisher ungekannten Luxus: Touch-LED-Lesespots schimmern von der Decke, Höhe und Lehnenneigung des Fahrersitzes lassen sich elektrischeinstellen. Ein Panoramafenster überspannt das Dach, die Heckklappe öffnet und schließt sich elektrisch, und der Abstandstempomat pegelt die Distanz ein – zu drängelig allerdings in der knappsten Stufe.

Aber, sagen wir es gemeinsam: Gute Ausstattung macht noch kein gutes Auto aus. Eh klar bei Dacia und erst recht beim Bigster. Dem richten die Raumausstatter das gleiche Cockpit ein wie dem Duster, doch in aparterer Dekoration. So zeigt sich die Sparsamkeit des Dacismus nur an Details: in harten, teils gar knarzenden Türverkleidungen. Oder – das hat nun auch 20 Jahre Tradition – an den Sitzen, denen es vorn an Oberschenkelauflage und im Fond an Halt und Polsterflausch fehlt.

Dacia Bigster Hybrid 155 Journey, Infotainment
Hans-Dieter Seufert

Ansonsten aber alles in solider, unkleinlicher Wertfülle drapiert, doch selbstredend der Pragmatik stets zugewandter als jedem Premiumgewese. Die Bedienung strukturiert sich unverändert eingängig, geht nicht die so moderne Irrigkeit mit, auf Tasten möglichst zu verzichten. Daher muss man sich nicht alles über den 10,1-Zoll-Touchscreen zusammenfingern. Das Klima regelt sich über Wippschalter, ein Satellit steuert die Unterhaltungsabteilung, ein Direktschalter aktiviert per Doppelklick das eigens durchsortierte, zweckmäßig aufgestellte Assistenz-Ensemble. Dazu: bequemer Einstieg, viele Ablagen, informative, gut ablesbare Anzeigen und die Dachreling lässt sich mit ein bisschen Schrauberei zum Grundträger umschreinern. Kritteleien? Ja nun, also, oh ja: das mickrige Wischfeld hinten, die ungeschickten Klapptürgriffe im Fond. Hm, und das ist es dann eigentlich.

Eitel Besonnenschein

Wobei, noch etwas könnte stören. Allerdings stellt sich die Frage, ob sich, nun, die Frage stellt. Die nämlich nach dem Dynamikvergnügen. Denn dass der Bigster in Kurven mit verzückenden Ausschweifungen kurzweilt, stand nicht zu erwarten. Man mag sein Handling als belanglos oder beschaulich missdeuten. Tatsächlich fährt der Bigster, wie er soll: immer vorhersehbar und sicher. Zu hart in die Kurve gelenkt? Derlei Zügellosigkeiten weiß das gouvernantenhafte ESP durch eilfertigen Aktionismus rigide einzubremsen, lange bevor ein Untersteuern einsetzen könnte, welches dem Bigster die Straße unter den Vorderrädern wegreißt.

Dacia Bigster Hybrid 155 Journey
Hans-Dieter Seufert

Weich, rund und ohne Ambition auf Agilitätserlebnisse gefahren, findet die Kurverei zu sachdienlicher Ausgeglichenheit. Nie umtriebig, stets stabil. Daher stört es auch nicht sehr, dass die unaufgeregte, verlässliche Lenkung bei der Durchführung eines Richtungswechsels Präzision und Rückmeldung eher nachrangig behandelt. Von dem Wenigen an beidem verschwummert zudem ein Teil im Fahrwerks-Set-up. An sich auf Komfort gestimmt, verfügt die Abstimmung doch über eine Grundstraffheit, welche einerseits den Aufbau von allzu aufwallenden Schwankereien abhält. Andererseits spricht die Federung unbeladen etwas ungelenk an und verhaspelt sich rempelig bei aufeinanderfolgenden kurzen Unebenheiten. Ansonsten federt der Bigster mit Geschick – lange Wellen ohne Nachschwanken, dazu noch umgänglicher mit Zuladung. Eh klar.

Wieso eh klar, fragen Sie? Nun, da der Bigster für 499 kg Zuladung abgestimmt ist. Das entspricht – wiegt er doch vollgetankt nur 1.441 kg – 35 Prozent des Leergewichts. Ein hoher Anteil, gerade in Zeiten von E-Autos. So darf ein Polestar 3 zu seinen 2.607 kg Leergewicht nur 443 kg laden – 17 Prozent. Beim Bigster fördert das geringe Gewicht auch die Effizienz: Im Testschnitt genügen ihm 5,5 l / 100 km, was noch mehr beeindruckt als die Reichweite von 909 km und der Wert auf der Eco-Runde (4,8 l).

Dacia Bigster Hybrid 155 Journey
Hans-Dieter Seufert

Anders als den Duster treibt den Bigster schon die modernisierte Version von Renaults Konzern-Hybridantrieb an. Auch hier dabei: ein Vierzylinder-Saugbenziner, eine E-Maschine (36 kW) und ein Startergenerator, der zudem die Schaltvorgänge der 15 Antriebsmöglichkeiten des Multimodegetriebes betreibt. Es besteht aus einer Vierer-Box für den um 0,2 auf 1,8 Liter Hubraum vergrößerten, um 15 PS / 24 Nm gestärkten Benziner und aus einem Zweiganggetriebe für den E-Motor. Der kann boosten und den Bigster mit der Energie aus dem 1,4 kWh großen Akku allein antreiben. Das gelingt erstaunlich häufig, gerade in der Stadt über relevante Strecken- und Zeitabschnitte, und senkt den Alltagsverbrauch klar.

Eher indirekt gelingt das auch durch das Rucken und Getöse, mit dem der Antrieb, dessen Kraft in der Ruhe liegt, seine Abneigung gegen drangvolle Beschleunigung oder eiliges Tempo kundgibt. So fährt man lieber gelassen, gern im Eco-Modus, der Leistung und Verbrauch dimmt.

Womit wir nun das Gesamtbild betrachten wollen, das der Bigster abgibt: das eines platzprotzenden, praktischen, effizienten, komfortablen, erschwinglichen und sieben Jahre garantiegesicherten Familienautos. So gut, wie er ist, könnte er es gut mit vielen Kompakt-SUV-Rivalen aufnehmen. Nur: Er hat ja keine. Was uns zu dem leichtfertigen Schluss bringt, dass man sich von Beginn an denken kann, dass er ein Erfolg wird.

Fazit

Technische Daten
Dacia Bigster Hybrid 155 Journey
Außenmaße4570 x 1813 x 1705 mm
Kofferraumvolumen546 bis 1851 l
Hubraum / Motor1799 cm³ / 4-Zylinder
Leistung80 kW / 109 PS bei 5300 U/min
Höchstgeschwindigkeit180 km/h
0-100 km/h9,7 s
Verbrauch5,5 l/100 km
Testverbrauch5,5 l/100 km