Porsche 911 GT3 (992.2) auf der Nordschleife: Schnellster Handschalter mit 7:04,58 Minuten

Porsche 911 GT3 im Supertest
Schnellster Handschalter auf der Nordschleife?

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ArtikeldatumVeröffentlicht am 20.10.2025
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Kurz nach Mitternacht, 7.000, 8.000, 9.000/min – während das Heckmotorschreien des Vierliters wie eine Sturmflut über den Innenraum hereinbricht, schnupft S-GO 5018 mit 260 km/h meine Lieblingskompression weg. Nein, der Supertest tobt heute nicht nachts durch die Fuchsröhre, sondern beginnt auf einer ganz besonderen Ehrenrunde. Kann ein Sportwagen glücklicher machen als dieser spezielle Porsche 911 GT3 in den Kasseler Bergen?

Nach erfolgreichem Supertest geht’s heute über jenen Berg-und-Tal-Abschnitt der Autobahn A 7 alias Kasseler Berge, der mit unlimitierten Highspeedkurven, Kompres- sionen und Bodenwellen quasi der kleine Bruder der Nordschleife ist. Willkommen in jenem GT3 der Baureihe 992.2, den Porsche zunächst auch bei den internen Nordschleifen-Rekordfahrten genutzt hat, bevor er im Supertest antreten durfte.

Erstmals in der seit 1999 währenden GT3-Historie hat eine Modellpflege nicht mehr Leistung als deren erste Baureihen-Generation. Um die verschärften Abgas-Vorschriften zu erfüllen, muss der GT3 ab sofort vier Kats und zwei OPF tragen. Wie im 992.1 GT3 jubiliert der Sauger daher weiterhin mit 510 PS.

Porsche 911 GT3 992.2
Hans-Dieter Seufert

Und wehe, einer meckert über das im Vergleich zum 992.1 GT3 von 470 um 20 Nm gesunkene maximale Drehmoment. Wir haben 2025! Freuen wir uns lieber, dass wir überhaupt noch mit einem Hochdrehzahl-Sauger spielen dürfen. Freuen wir uns lieber über das unverändert gierige Ansaugtrompeten. Freuen wir uns lieber über die acht Prozent kürzere Achsübersetzung (992.1 GT3 Handschalter: 3,96, jetzt 4,30).

Schockverliebt in Traum-GT3

Ach, die Freude kennt kaum Grenzen, denn die Ausstattungsliste des Testwagens ist ein Traum, rein subjektiv betrachtet natürlich: Die elegante Lackierung in "Oakgrünmetallic neo" trifft auf korrespondierende Räder und Schriftzüge in Mattgold. Dazu gibt’s eine Prise Sichtcarbon.

Es ist nicht nur die herausragende Optik, sondern auch der Porsche-interne Optionscode "G0W", der diesen Supertest-GT3 zu einem ganz besonderen GT3 macht. "G0W" steht für "6-Gang-GT-Sportschaltgetriebe". Kurz: Handschalter. Kupplung, Bremse, Gaspedal – egal ob in den Kasseler Bergen oder auf der Rennstrecke, die Kirschen auf der Sahnehaube sind die drei Pedale und der kurze Schaltstock, der durch die knackigen Getriebegassen tanzt. Wunderbar.

Porsche 911 GT3 992.2
Hans-Dieter Seufert

Anbremsen und Runterschalten mit Zwischengasstoß selbsttätig per Spitze-Hacke-Technik oder automatisch per "Auto-Blip". Auf der Rennstrecke geht das Runterschalten optimal mit der automatischen Zwischengasfunktion, die brillant funktioniert. Sowohl Porsche-Test- und Entwicklungsfahrer Jörg Bergmeister bei seiner Rekordrunde als auch ich im Supertest haben die automatische Zwischengasfunktion des 992.2 GT3 genutzt.

Allein dieser hochemotionale Vierliter-Zwischengasstoß beim Runterschalten setzt in Gedanken schon die Unterschrift unter den Kaufvertrag. Und wer sich dann immer noch nicht verliebt hat, der kann spätestens nicht mehr widerstehen, wenn der 992.2 GT3 auf einer leeren Autobahn bergab und mit Rückenwind im sechsten Gang ausdrehend in den Begrenzer galoppiert – bei Tacho 334 km/h und GPS 325 km/h. Die offizielle Vmax liegt "nur" bei 313 km/h. Klick, schockverliebt in dieses Traum-Kfz!

Porsche 911 GT3 992.2
Hans-Dieter Seufert

Siebengang-PDK oder Sechsgang-Handschalter? "Es macht Spaß, den Handschalter zu bedienen, und Spaß beim Fahren ist so wichtig. Zudem ist da immer das gute Gefühl, mehr Leistung am Hinterrad zu haben, da das manuelle Getriebe nicht nur 17 kg leichter ist, sondern auch eine geringere Verlustleistung aufweist als ein automatisiertes Getriebe. Das Auto reagiert im direkten Vergleich noch etwas direkter und spontaner aufs Gas. Das wird beim PDK überkompensiert durch die enger gestuften sieben Gänge mit deutlich schnelleren Schaltungen. Außerdem integriert es ein elektronisch geregeltes Differenzial, deswegen wird ein PDK auch immer schneller sein auf der Rundstrecke als ein Handschalter", zählt Andy Preuninger, Modellreihenleiter GT-Fahrzeuge bei Porsche, die Vorteile beider Getriebeversionen auf.

Nach dem Supertest mit S-GO 5018 würde ich zu jenem Drittel der Kundschaft zählen, das sich aktuell noch für den Handschalter entscheidet. Ich liebe einfach diese Art des bewussten Autofahrens.

Andererseits: Wir alle feiern ja immer gerne den Hashtag #savethemanuals, doch nach der ersten Nordschleifen-Runde mit dem Handschalter hätte ich am liebsten auf einen 992.2 GT3 PDK gewechselt. Handschalter im Alltag ist pure Fahrfreude. Handschalter auf letzter Rille Nordschleife ist pure Herausforderung. Ganz klar: Wer am Limit auf der Nordschleife oder in Hockenheim entspannt unterwegs sein will, der wählt das PDK.

Nordschleife: 50 Gangwechsel

Während die 86 Schaltvorgänge bei der Nordschleifen-Runde mit dem 992.1 GT3 PDK weitgehend automatisch und nicht per Wippenzug über die Bühne gingen, ist mit dem manuellen Getriebe logischerweise dauerhaft Eigenarbeit gefragt. Auch wenn es "nur" 50 Schaltvorgänge auf der Ring-Runde mit dem Handschalter-GT3 sind, muss der perfekte Gangwechsel trainiert werden, ansonsten verliert man beim Schalten viel Zeit.

Porsche 911 GT3 992.2
Hans-Dieter Seufert

Wie sieht der Tipp von "Schaltexperte" Jörg Bergmeister aus? Der Ex-Porsche-Werksfahrer muss es wissen, denn in seiner Karriere fuhr er zahlreiche Hardcore-Schalter, wie beispielsweise die 996-GT3-RS-Rennversion, mit der er 2003 das 24h-Rennen von Daytona gewann.

Statt das Gaspedal beim 992.2 GT3 Handschalter voll stehen zu lassen, während man kuppelt und den Gang wechselt, ist ein minimaler Gaspedallupfer optimaler. Obwohl der 992.2 GT3 Handschalter Volllastschaltungen kann, nimmt er sich dabei immer eine kurze Gedenksekunde, bis der Kraftschluss wieder hergestellt ist, was sich wie eine Art Bauteilschutz anfühlt. Mit minimalem Lupfer kann man die Gänge schneller durchprügeln, was sich auch auf der Datenaufzeichnung der Rundenzeiten bestätigt.

Es ist nicht nur die Frage, wie man schaltet, sondern wo man schaltet. Beispiel Fuchsröhre. Da willst du bei 250 km/h kurz vor der Kompression eigentlich lieber nicht mehr die rechte Hand vom Lenkrad für einen Schaltvorgang nehmen. Statt kurz im fünften Gang in den Begrenzer zu fahren, ist es aber deutlich schneller, doch noch den sechsten Gang reinzuwerfen.

Porsche 911 GT3 992.2
Hans-Dieter Seufert

Vor Metzgesfeld 1 ist es umgekehrt: Von Gang 5 geht es hier nach Gang 4 zurück, um die schnelle Links mit höherem Lastanteil im vierten Gang statt bei Schleppgas im fünften Gang zu nehmen. Ziel: über mehr Last im vierten Gang die mechanische Hinterachs-Quersperre kräftiger sperren zu lassen und so mehr Traktion, also Stabilität ins Heck zu bekommen.

Hand vom Lenkrad nehmen, kurz einhändig fahren, dabei Kupplung mit dem linken Fuß treten und mit der rechten Hand den Schaltstock fix durch die Gassen treiben: Während man beim PDK mit beiden Händen am Lenkrad über die Schaltvorgänge quasi gar nicht mehr nachdenkt, hat man im 992.2 GT3 mit manuellem Getriebe großen Respekt davor, wie viel mehr an Bewegung durch einen manuellen Schaltvorgang von Fahrerseite ins Fahrverhalten eingebracht wird.

Bewegung, die man an manchen Nordschleifen-Stellen gar nicht gebrauchen kann. Beispiel: Während du mit dem 992.1 GT3 PDK hinter dem großen Sprunghügel von "Pflanzgarten zwei" spielerisch die Gänge wechselst, drehst du hier im 992.2 GT3 Handschalter nicht ganz aus und shortshiftest schon vor der großen Kuppe, um anschließend nicht zu viel Bewegung ins Fahrzeug zu bringen. Handschalter-Fahren am Limit auf der Nordschleife ist definitiv was anderes als auf einer lockeren Landstraßen-Tour.

Porsche 911 GT3 992.2
Hans-Dieter Seufert

Was hat sich eigentlich fahrwerkstechnisch von 992.1 zu 992.2 GT3 getan? "Dämpfer- und Federraten haben sich zur Gen I nicht geändert. Was sich geändert hat, sind die Bumpstops an allen vier Federbeinen. Der Einfederweg bis zum Einsatz des Bumpstops ist im Vergleich zur Gen I erhöht worden, während jedoch der maximale Einfederweg identisch geblieben ist", erklärt Porsche-Entwickler Jan Frank, der mit Michael Mayer für die Fahrdynamik-Entwicklung aller GT-Modelle verantwortlich ist.

Ähnlich wie der GT3 RS haben jetzt auch beim GT3 die unteren Querlenker an der Vorderachse ein aerodynamisch geformtes Tropfenprofil. Ziel: Auftrieb reduzieren und Bremsenkühlung optimieren. Ähnlich wie beim GT3 RS ist jetzt auch beim GT3 das vordere Kugelgelenk des unteren Längslenkers an der Vorderachse nach unten versetzt. Dadurch konnte die Nickbewegung des GT3 reduziert werden.

N1: Cup 2 R mit neuer Kennung

"Wir haben in Bereichen mit hohen Dämpfergeschwindigkeiten, also Curbs oder Bodenwellen, wie zum Beispiel im Bellof-S, den 992.2 GT3 nochmals verbessert. Das Auto ist dort deutlich ruhiger und ermöglicht so höhere Geschwindigkeiten", verspricht Jörg Bergmeister.

Wie bereits der 992.1-Vorgänger glänzt auch der aktuelle GT3 in seiner Grundauslegung mit einer grandiosen Mischung aus Lenkpräzision, Agilität und Fahrstabilität. Faszinierend, wie die Abstimmung des einstellbaren Gewindefahrwerks dazu noch auf jeden Fahrertyp maßgeschneidert werden kann.

Porsche 911 GT3 992.2
Hans-Dieter Seufert

Die Aufwärmrunden habe ich zunächst mit exakt dem gleichen Fahrwerkssetup begonnen, mit dem Jörg Bergmeister während seiner Rekordrunden unterwegs gewesen ist. Typisch Profirennfahrer setzt Jörg auf eine sehr präzise Vorderachsabstimmung und eine eher fahraktive Hinterachse. Bei mir wächst das Vertrauen am Limit, wenn es genau umgekehrt ist – also ein eher konservatives Vorderachs-Setup plus eine hohe Fahrstabilität an der Hinterachse.

Wie ein Rennfahrzeug reagiert der 992.2 GT3 bereits auf minimale Setup-Änderungen. Die für die Fahrdynamik des GT3 verantwortlichen Porsche-Entwickler Jan Frank und Michael Mayer erhöhten die Fahrhöhe an der Vorderachse für mich um einen Millimeter. (Fahrhöhe Vorderachse von Messpunkt "Maskiertes Kofferraumblech vor Festpunkt Längslenker": Bergmeister 103 mm, Gebhardt 104 mm.)

An der Vorderachse wurde der Stabi von "mittel" auf "hart" justiert. An der Hinterachse blieben Stabilisator (hart) und Fahrhöhe derweil in der Bergmeister-Abstimmung (Fahrhöhe Hinterachse von Messpunkt "Fläche neben senkrechter Positionierungsbohrung im Seitenteil": 248 mm).

Porsche 911 GT3 992.2
Hans-Dieter Seufert

Schwups, die jetzt noch deutlich neutralere Balance passt für den ambitionierten Amateur perfekt. Nahezu grenzenloses Vertrauen am Limit lässt dich im Kesselchen bei- spielsweise den schnellen Links-Knick und die Welle vor der Mutkurve entspannt mit Volllast fahren.

Zur sehr guten Fahrbarkeit trägt nicht nur die sehr gute Balance, sondern auch die PCCB-Keramikbremsanlage bei. Mit hervorragender Pedaldosierbarkeit, hohen Verzögerungswerten und guter ABS-Regelung kann mit feinster Trail-Braking-Technik sehr spät in die Kurve reingebremst werden. Vor allem in puncto ABS-Regeltechnik ist die Porsche-GT-Abteilung mit großem Abstand an der Spitze der Sportwagenwelt.

Mit den optionalen Michelin Pilot Sport Cup 2 R fährt der 992.2 GT3 gefühlt wie auf Slicks. Statt der bisherigen N0-Kennung trägt der Cup 2 R jetzt eine N1-Kennung. "Der N1 unterscheidet sich hauptsächlich in der Laufflächenmischung vom N0. Auf der Lauffläche befindet sich ein Bi-Compound mit einer Rußmischung auf circa zwei Dritteln des äußeren Bereichs und einer Silica-Mischung auf dem inneren Drittel der Lauffläche. Diese Änderungen sind der gesetzlichen Mindestanforderung an den Nassgrip des Reifens geschuldet", erklärt Jan Frank.

Porsche 911 GT3 992.2
Hans-Dieter Seufert

Subjektiv ist das Gripniveau für einen straßenzugelassenen Reifen weiterhin extrem hoch. Was sagt der Profi? "Der absolute Peakgrip war beim N0 ein bisschen besser, aber der N0 hatte auf der Nordschleifen-Runde auch deutlich mehr Drop als der N1. Im Vergleich zum N0 ist der N1 der konstantere Reifen. Der N1 funktioniert von Anfang der Runde bis Ende der Runde auf einem einheitlichen Niveau. Auf eine ganze Runde Nordschleife gesehen ist der N1 über die Konstanz leicht schneller als der N0", erklärt Jörg Bergmeister.

Mit einer Rundenzeit von 7.04,58 Minuten ist der 992.2 GT3 mit manuellem Getriebe auf der Nordschleife nicht nur der schnellste Handschalter im Supertest (bisher Corvette C7 Z06 in 7.13,90 min), sondern auch minimal schneller als einst der 992.1 GT3 PDK in Supertest 6/2021 (7.04,74 min). In puncto Fahrspaß und Emotionen geht das Bruder-Duell aber klar zugunsten des 992.2 GT3 Handschalters aus.

Fazit