Toyota GR86 Raeder Motorsport im Test: Das perfekte Ringtool für die Nordschleife?

Toyota GR86 Raeder Motorsport im Supertest
Das perfekte Ringtool für die Nordschleife?

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Veröffentlicht am 29.06.2025

Seit Jahrzehnten ist die Touristenfahrer-Szene auf der Nordschleife dafür bekannt, dass hier nach allen Regeln der Kunst modifizierte Ringtools gerne für Überraschungen im Grenzbereich sorgen. Diese Wölfe im Schafspelz drehen dann plötzlich Platzhirschen am Limit eine lange Nase. Und genau so ein wildes Ringtool beleuchtet heute der Supertest: willkommen, Toyota GR86 von Raeder Motorsport.

Wer ist Raeder Motorsport? Die Raeder Motorsport GmbH wurde im Jahr 2001 von den Brüdern Nicolas und Martin Raeder gegründet. Raeder Motorsport – der Name weckt Erinnerungen an erfolgreiche Rennfahrzeuge aus der Nürburgring-Langstreckenmeisterschaft wie den Porsche 996 GT3 RS im legendären Recaro-Design, den orangen Ford GT und den orangen Lamborghini Gallardo, aber auch den Audi TT RS. Mit dem Überraschungs-Gesamtsieg des Raeder-Audi TT RS beim 6-Stunden-Rennen auf der Nordschleife im Jahr 2011 wurde einst Manthey-Gründer Olaf Manthey auf das Brüderpaar Raeder aufmerksam.

2013 traten dann Nicolas und Martin Raeder sein unternehmerisches Erbe an und wurden Geschäftsführer von Manthey Racing. Raeder Motorsport wurde fortan als Abteilung in den Manthey-Kosmos integriert. Während sich bei Manthey alles um Renn- und Straßenfahrzeuge der Marke Porsche dreht, kümmert sich Raeder Motorsport heute hauptsächlich um die Belange von Nicht-Porsche-Straßenfahrzeugen.

Faszination durch Kurvenspeed

Gegenüber der Manthey-Firmenzentrale am Kreisverkehr im Gewerbegebiet Meuspath sitzt heute Reader Motorsport. Stramm auf Rennstrecken-Performance getrimmte BMW M3, Corvette Z06, Audi R8 oder Toyota GR Yaris bevölkern den Hof und sorgen bei Tracktool-Fans für glänzende Augen. Aber auch der Restaurierung von historischen Fahrzeugen nimmt sich Raeder Motorsport an.

Toyota GR86 Reader Motorsport
Hans-Dieter Seufert

Im Mittelpunkt steht heute "GReta". Hinter dem Spitznamen verbirgt sich der Toyota GR86, den Raeder Motorsport zum Ringtool umgebaut hat. Nicht nur die umgesetzten Modifikationen des GR86, sondern auch jeder Handgriff der Raeder-Mechaniker erinnert schwer an die Manthey-Tugenden. Ähnlich wie bei den letzten Supertests von Porsche 992 GT3 und 718 Cayman GT4 RS mit den bekannten Manthey-Kits wird auch der Toyota GR86 mit an Werksrennsport erinnernder Logistik vorbereitet.

Heizdecken runter, raus auf die Nordschleife. Dauergrinsen unter dem Rennhelm bereits ab dem Hatzenbachbogen. Der GR86 von Raeder Motorsport stürzt sich mit einem Minimumspeed von 160 km/h in den schnellen Rechtsknick – faszinierende 15 km/h schneller als einst das Serienmodell. Respekt!

"In deinem Fall war uns natürlich die Rundenzeit sehr wichtig, aber auch, dass du dich als Fahrer wohlfühlst und ein gutes Fahrgefühl hast, um das Auto im Grenzbereich zu bewegen. Ein umgebautes Fahrzeug sollte immer auf den Anspruch und Einsatzzweck des Fahrers abgestimmt sein, sodass dieser in erster Linie Spaß an dem Projekt hat. Bei der Auslegung der Komponenten für den Umbau haben wir jedes Teil genauestens unter die Lupe genommen und geschaut, was man noch verbessern kann", erzählt Oliver Greven, der bei Manthey als "Gruppenleiter Straße" fungiert und zu dessen Hauptaufgaben sämtliche Projekte bei Raeder Motorsport zählen.

Das perfekte Ringtool

Für die fahrdynamische Abstimmung des GR86 war neben Oliver Greven hauptsächlich Alex Hardt verantwortlich. Bei Raeder Motorsport ist er offiziell für Vertrieb und Marketing zuständig. Nebenbei war Hardt in der abgelaufenen Saison mit einem Porsche 992 GT3 Cup in der Porsche Sprint Challenge GT3 des Porsche Sports Cup unterwegs und wurde dort Vizemeister.

Toyota GR86 Reader Motorsport
Hans-Dieter Seufert

"GReta" im Grenzbereich auf der Nordschleife? Erinnert stark an ein typisches Tourifahrer-Auto aus fast vergessenen Zeiten auf dem Nürburgring. Jenen Zeiten, als nicht jedes zweite Fahrzeug um die 500 PS oder mehr hatte. Der GR86 holt seine querdynamische Faszination durch unglaublichen Kurvenspeed. Auf den Beschleunigungsabschnitten dazwischen geht’s weiterhin mit der serienmäßigen Nennleistung von 235 PS vergleichsweise gemütlich voran.

Anders als in PS-Geschossen müssen plötzlich viele Nordschleifen-Kurven nicht mehr angebremst werden, sondern es reicht ein minimaler Lupfer am Gaspedal vor der Kurve. Das GR86-Motto auf der Schleife: Immer möglichst viel Schwung in der Kurve holen.

Genauso wie der Hatzenbachbogen geht der Streckenabschnitt Flugplatz jetzt fast voll. Minimumspeed in der ersten Rechtskurve am Flugplatz? Statt mit 161 km/h in der Serienvariante hechtet der GR86 von Raeder Motorsport mit unfassbaren 177 km/h ums Eck. Respekt, damit ist er hier knapp schneller als einst der Ferrari 488 Pista mit Michelin-Pilot-Sport-Cup-2-R-Bereifung (176 km/h).

Toyota GR86 Reader Motorsport
Hans-Dieter Seufert

Einen motiviert am Gas hängenden, drehfreudigen Boxer-Saugmotor und eine knackige Sechsgang-Handschaltung trägt der GR86 bereits ab Werk. Raeder Motorsport schärft die puristischen Gene des japanischen Sportcoupés in Perfektion. Obwohl der Überrollkäfig zunächst mehr Gewicht einbringt, konnte das Fahrzeuggesamtgewicht durch den Verzicht auf die Rücksitzanlage und Verkleidungsmaterial sowie den Einsatz von leichteren Recaro-Pole-Position-Schalensitzen gesenkt werden. Mit 1.266 Kilogramm wiegt der GR86 von Raeder Motorsport 18 Kilogramm weniger als das Serienmodell GR86.

Spitzname GReta

Da "GReta" zwischen den Streckenabschnitten Flugplatz und Schwedenkreuz mit einem Topspeed von 224 km/h vergleichsweise gemütlich trabt, werfen wir hier in Gedanken einen Blick auf die Liste der weiteren Modifikationen von Raeder Motorsport: KW-V4-Clubsport-Gewindefahrwerk mit spezifischer Raeder-Motorsport-Abstimmung, einstellbare Spurlenker an der Hinterachse, 17-Zoll-Räder mit Dunlop Direzza 03G R3 (235/45 R 17 rundum), Bremsen-Upgrade vorne, Endless-Bremsbeläge rundum, Stahlflexbremsleitungen inklusive spezieller Bremsflüssigkeit, Schroth-Sechspunkt-Gurte, Lenkradbezug in Alcantara, Schwallblech für die Ölwanne, Motorölkühler, leichtes Schwungrad, Lithium-Next-Leichtbau-Batterie, Milltek-Abgasanlage nach Kat.

Toyota GR86 Reader Motorsport
Hans-Dieter Seufert

Genauso beeindruckend wie der rennsportähnliche Sound der Milltek-Abgasanlage ist ab sofort die hohe Fahrstabilität des GR86. Während die Serienversion sich mit einem sehr agilen Eigenlenkverhalten präsentierte, glänzt die von Raeder Motorsport modifizierte Version mit sensationellem mechanischem Gripniveau. Im Serienmodell war man am Limit auf der Nordschleife permanent mit kleinen Gegenlenkimpulsen am Lenkrad damit beschäftigt, die Sidesteps des Hecks zu zähmen.

Außerdem wurde der Reifenfülldruck des Serien-GR86 mit 2,4 bar an der Vorderachse und 2,1 bar an der Hinterachse einst so gewählt, um die für eine schnelle Rundenzeit zu agile Hinterachse etwas zu entschärfen und die Fahrzeug-Balance etwas mehr gen Vorderachse zu trimmen. Und trotzdem erinnerten die Ring-Runden im GR86 ab Werk phasenweise an eine Drift-Challenge. Auch die einst in Kurvenpassagen à la Miss-Hit-Miss auftretenden Lastwechselreaktionen sind nun so gut wie verschwunden.

Der von Raeder Motorsport modifizierte GR86 tritt mit hoher Lenkpräzision und einer wesentlich besser abgestimmten Balance zwischen Vorder- und Hinterachse nun um ein Vielfaches Ideallinien-fokussierter auf. Durch die gute Fahrstabilität hat man sofort mehr Vertrauen im Grenzbereich. Mehr Vertrauen am Limit führt fast automatisch zu höheren Kurvengeschwindigkeiten.

Toyota GR86 Reader Motorsport
Hans-Dieter Seufert

Die abgesenkte Fahrhöhe und die straffere Fahrwerksabstimmung des spezifisch von Raeder Motorsport abgestimmten KW-Gewindefahrwerks reduziert nun die bisherigen Aufbaubewegungen der Karosserie weitgehend. Im Vergleich zur Serienversion sorgen zudem wesentlich höhere Negativ-Sturzwerte an der Vorder- und Hinterachse nicht nur für ein präziseres Einlenkverhalten, sondern auch gleichzeitig für eine bessere Abstützung (GR86 Serie: Sturz Vorderachse –0°39´, Sturz Hinterachse –1°33´, GR86 Raeder Motorsport: Sturz Vorderachse –2°45´, Sturz Hinterachse –2°30´).

Querdynamisches Talent

In Kombination mit dem fast slickähnlichen Gripniveau der Dunlop-Direzza-03G-Bereifung in der R3-Mischung glänzt der GR86 nicht nur mit weitgehend neutralem Fahrverhalten am Limit. Sowohl bei der Standardbremsmessung von 100 km/h auf null (Raeder Motorsport: 32,7 m, Serie: 36,2 m) als auch auf der Rennstrecke liefert der modifizierte GR86 messbar höhere Verzögerungswerte. Fahrzeuge, die es in Serie nicht mit Semislicks gibt, straucheln beim nachträglichen Wechsel auf ebenjene Sportpneus gerne auch mal mit einer nicht mehr passenden ABS-Regelung. Der GR86 von Raeder Motorsport lässt sich so etwas nicht anmerken. Das ABS und die Direzzas meistern jede noch so wellige Herausforderung auf der Schleife.

Toyota GR86 Reader Motorsport, Felgen
Hans-Dieter Seufert

Im GR86 von Raeder Motorsport können spätere Bremspunkte als in der Serienversion gewählt werden. In Streckenabschnitten wie beispielsweise in der Anbremszone Aremberg oder gen Bergwerk empfiehlt es sich jedoch wegen der vergleichsweise geringen Motorleistung, nicht zu spät zu bremsen. Lieber den Bremspunkt früher setzten, um wieder früher aufs Gas gehen zu können und viel Schwung mit aus der Kurve zu nehmen. Insgesamt punktet die von Raeder Motorsport modifizierte Bremsanlage mit einer noch harmonischeren Dosierbarkeit im Grenzbereich und einer höheren Standfestigkeit als im Serientrimm.

Mein Lieblingssektor auf der Nordschleife im GR86 von Raeder Motorsport? Ganz klar Sektor 4 (in der Streckengrafik rot eingefärbt)! Hier zählt weniger die Motorleistung, sondern in erster Linie das querdynamische Talent eines Fahrzeugs. In jenem technisch anspruchsvollen Sektor von Hohe Acht bis Galgenkopf lässt das Tracktool von Raeder Motorsport weitaus höher motorisierte Sportler links liegen.

Einbiegen mit 116 km/h in die Rechtskurve Hohe Acht. Anfangs erwähnter Mittelmotorheld Ferrari 488 Pista kam hier "nur" auf 109 km/h. Dank des phänomenalen mechanischen Gripniveaus und der hohen Fahrstabilität kann in den anschließenden Kurven am Streckenabschnitt Hedwigshöhe mit dem GR86 von Raeder Motorsport unglaublich gepusht werden. Über die Curbs gen Wippermann kann motiviert attackiert werden, ohne dass "GReta" aus dem Tritt gerät.

Individuelles Set-up

Das nächste Querdynamik-Highlight in diesem Nordschleifen-Sektor folgt nach der Sprungkuppe von Pflanzgarten 1. Ab hier können sämtliche Kurven, der große Sprunghügel und die Wechselkurven des Bellof-S bis Anfahrt Schwalbenschwanz unter Volllast gefahren werden. Ergebnis: Mit 206 km/h ist der Topspeed des GR86 von Raeder Motorsport hier neun km/h höher als jener der Serienversion.

Toyota GR86 Reader Motorsport, Bremsscheiben
Hans-Dieter Seufert

Fahrhöhe Hinterachse minus 2 mm, Low Speed Druckstufe Hinterachse ein Klick weicher, Zugstufe Hinterachse zwei Klicks weicher – nach den ersten Testrunden modifizierte Raeder Motorsport die Fahrwerksabstimmung noch mal leicht, bis ich mich am Limit hundertprozentig wohlgefühlt habe.

Keine Ausnahme für den Supertest, sondern Firmenphilosophie. Ähnlich wie Manthey modifiziert auch Raeder Motorsport die Fahrzeuge nicht nur, sondern stimmt sie auch anschließend individuell für die Kunden ab. "Die Einstellung von unserem Auto wurde auf dich als Fahrer, auf die verbaute Rad-Reifen-Kombination, das verbaute Fahrwerk und die Strecke abgestimmt. Das ist auch das, was wir bei jeder Achsvermessung mit dem Kunden besprechen", erklärt Oliver Greven.

Und was kostet der ganze Spaß? Die Modifikationen des GR86 durch Raeder Motorsport liegen bei exakt 21.782 Euro. Selten war eine Rundenzeiten-Verbesserung um beeindruckende 26 Sekunden auf der Nordschleife so günstig.