Billig-SUV mit Haken: Was der KGM Tivoli wirklich kann

Billig-SUV mit Haken
Was der KGM Tivoli wirklich kann

ArtikeldatumVeröffentlicht am 16.11.2025
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KGM Tivoli
Foto: Achim Hartmann

Früher SsangYong, heute KGM – der Tivoli ist ein echter Wanderer, nicht nur dem Namen nach. Seit 2015 läuft das Mini-SUV bereits, nach Übernahmequerelen hat es bei KG Mobility eine neue Heimat gefunden und trägt inzwischen das KGM-Logo. Mit dem Nomad-Sondermodell will der Hersteller das betagte Modell noch einmal ins Gespräch bringen: 18.990 Euro Basispreis sind eine klare Ansage und liegen 4.000 Euro unter der regulären Einstiegsversion.

Damit positioniert KGM den Tivoli nominell attraktiv gegenüber Rivalen wie Dacia Duster und Citroën C3 Aircross, die zu ähnlichen Preisen meist karge Basisvarianten mit knapp 100 PS und ohne Zentraldisplay bieten. Der Nomad dagegen klotzt: 163 PS aus einem Vierzylinder-Turbobenziner und eine Ausstattung, die auf den ersten Blick alles andere als spartanisch wirkt. Auf dem Papier sieht das nach dem klassischen "viel Auto fürs Geld"-Deal aus.

Viel Ausstattung statt karger Basis

Der Tivoli Nomad basiert auf der Core-Ausstattung, bringt aber zusätzlich eine Sitzheizung vorn mit – und das bei einem deutlichen Preisvorteil. Serienmäßig sind unter anderem ein 9,2 Zoll großes Touch-Infotainment mit Smartphone-Integration und Navigation, ein digitales 10,25-Zoll-Fahrerdisplay, eine Einparkhilfe hinten mit Rückfahrkamera, Tempomat, abgedunkelte hintere Scheiben, 16-Zoll-Leichtmetallfelgen sowie Licht- und Regensensor an Bord. Dazu kommen sechs Airbags, ein Lederlenkrad und eine manuelle Klimaanlage.

Optional bleibt die Liste überschaubar: Metallic-Lack kostet 600 Euro, die von Aisin zugelieferte Sechsgang-Automatik 2.000 Euro Aufpreis. In höherwertigen Versionen wie Bliss, Black und Lux wird das Ausstattungspaket weiter aufgestockt – etwa um LED-Scheinwerfer, zusätzliche Assistenzsysteme, 18-Zoll-Felgen oder Kunstleder-Sitze. Einzelne Optionen oder Pakete lassen sich allerdings nicht frei kombinieren, der Kunde wählt im Wesentlichen zwischen festen Ausstattungslinien.

Kräftiger Turbo, aber hoher Durst

Beim Antrieb gibt es keine Wahl: Immer arbeitet der 1,5-Liter-Turbobenziner mit 163 PS unter der Haube. In unserem Testwagen ist er mit der aufpreispflichtigen Sechsgang-Wandlerautomatik kombiniert, die zum Oldschool-Charme des Tivoli passt. Der Vierzylinder läuft angenehm ruhig und bietet einen durchaus kräftigen Vortrieb, das Automatikgetriebe schaltet weich, aber spürbar träge. Beim Anfahren stören die Kombination aus ruppigem Ansprechverhalten und behäbigem Start-Stopp-System.

Mit 10,9 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h bleibt der Tivoli hinter den Erwartungen zurück, wenn man Motorleistung und 1.360 Kilogramm Leergewicht betrachtet. Noch schwerer wiegt der Testverbrauch von 8,1 Litern pro 100 Kilometer, der für ein modernes Kompakt-SUV klar zu hoch ausfällt. In Verbindung mit dem nur 50 Liter fassenden Tank wird der Nomad damit zum regelmäßigen Stammgast an der Zapfsäule. Laut Norm ist die Version mit Sechsgang-Schaltgetriebe sparsamer und durch ein höheres Drehmoment sogar etwas flotter – wer zur Handschaltung greift, spart also sowohl beim Kauf als auch beim Kraftstoff.

Fahrkomfort okay, Fahrwerk mit klaren Grenzen

Im Alltag zeigt sich der Tivoli fahrdynamisch unaufgeregt. Das Fahrwerk findet einen ordentlichen Kompromiss aus Stabilität und Komfort: Eine Sänfte ist der KGM nicht, aber die Federung filtert die meisten Unebenheiten trotz straffer Grundnote passabel heraus und hält Wankbewegungen im Rahmen. In normaler Gangart fährt sich der Tivoli damit unproblematisch, ohne den Anspruch zu erheben, besonders sportlich oder besonders komfortabel zu sein.

Sobald das Tempo steigt und der Asphalt schlechter wird, kommt das Fahrwerk allerdings an seine Grenzen. Bei schnellen Einfederbewegungen – etwa auf ausgeprägten Bodenwellen – ist die Dämpfung überfordert, teilweise so deutlich, dass das rechte Hinterrad kurz im Radhaus schleift. Dazu passt eine Lenkung, die um die Mittellage spürbar viel Spiel bietet und beim Einlenken einen fühlbaren Widerstandspunkt aufbaut, ohne dem Fahrer viel Feedback von der Fahrbahn zu vermitteln. Modern und präzise fühlt sich das nicht mehr an.

Innenraum mit analogem Charme und altbackenem Infotainment

Im Innenraum wirkt der Tivoli auf den ersten Blick etwas angejahrt, was im Detail aber auch positive Seiten hat. Eine klassische Handbremse, ein griffiger Automatikwählhebel und separate Tasten für die Klimabedienung findet man in modernen Fahrzeugen immer seltener – hier punkten Bedienlogik und Haptik bei Freunden übersichtlicher Cockpits. Auch Materialauswahl und Verarbeitung gehen in Ordnung, billig wirkt der Innenraum nicht.

Das 10,25 Zoll große Fahrerdisplay ist überraschend gelungen und liefert klare, moderne Anzeigen. Beim zentralen Infotainment sieht es anders aus: Das System zeigt sich rudimentär, der Radioempfang ist anfällig für Aussetzer, und die Bedienlogik überzeugt nicht. Die Smartphone-Kopplung klappt zwar unkompliziert, aber nur per Kabel. Das Raumangebot ist für Fahrer und Beifahrer ordentlich, auch in Reihe zwei ist das Platzangebot respektabel. Der 395 Liter große Kofferraum fällt dagegen eher bescheiden aus: Er ist zwar solide ausgekleidet und bietet einen praktischen, zweigeteilten Laderaumboden, geizt jedoch mit nutzbarer Grundfläche und Höhe unter der Rollo-Abdeckung.

Licht, Assistenz und Bremsen: hier wird es kritisch

Spätestens beim Thema Licht zeigt sich, wo KGM den Rotstift angesetzt hat. Im Tivoli Nomad sind grundsätzlich nur Halogen-Scheinwerfer verbaut, ein Upgrade auf moderne Lichttechnik ist in dieser Linie nicht vorgesehen. Erst ab der Ausstattung Bliss sind LED-Scheinwerfer montiert – ein klarer Schwachpunkt, denn gutes Licht gehört zur Sicherheitsausstattung eines Autos. Auch die Assistenzsysteme wirken in der Basis überschaubar: Die vorgeschriebene Technik ist an Bord, aber erst ab der Linie Black ist das Paket mit Totwinkel- und Spurwechselassistent sowie Querverkehrswarner beim Ausparken halbwegs komplett. Einen Abstandstempomaten bietet der Tivoli generell nicht.

Richtig kritisch wird es jedoch beim Bremsweg. Im Test kommt der Tivoli aus Tempo 100 erst nach 39,4 Metern zum Stehen – ein Wert, der ausdrücklich als indiskutabel bezeichnet werden muss. Einen Anteil daran haben die montierten Kumho-Ganzjahresreifen einer älteren Generation, die ohne Schneeflockensymbol im deutschen Winter offiziell nicht eingesetzt werden dürfen. Laut Recherche handelt es sich dabei um Erstausrüstungsreifen, die auf vielen Tivoli-Neuwagen montiert sind. Unterm Strich reichen 18.990 Euro Einstiegspreis und fünf Jahre Garantie nicht aus, um diese sicherheitsrelevante Schwäche schönzureden.

Modellvielfalt, Allrad und die Rolle des Tivoli

Die Modellpalette des Tivoli ist schnell erzählt, denn beim Antrieb gibt es keine Wahl: Der 1,5-Liter-Turbobenziner mit 163 PS ist stets gesetzt. Das Nomad-Sondermodell kommt ausschließlich mit Frontantrieb und drückt den Preis unter die 20.000-Euro-Marke, darüber rangieren die Linien Core, Bliss, Black und Lux mit jeweils steigendem Ausstattungsumfang. Einzelne Pakete oder individuell kombinierbare Extras gibt es nicht, abgesehen vom optionalen Glasschiebedach im Topmodell Lux.

Bei Core, Black und Lux steht für 2.000 Euro Aufpreis Allradantrieb zur Verfügung, womit der Tivoli als 4WD ab 24.900 Euro startet. Nach dem Suzuki Swift ist er damit der günstigste Allrad-Pkw auf dem deutschen Markt, noch vor dem Dacia Duster. Auf dem Papier wirkt der Tivoli damit wie ein Geheimtipp für Sparfüchse, die viel Ausstattung und optionalen Allradantrieb suchen. In der Praxis verhindert jedoch die Summe der fahrdynamischen und sicherheitsrelevanten Schwächen, dass aus dem Preisargument eine echte Empfehlung wird.

Fazit