Sie kennen das wahrscheinlich. Die Kupplung schleift. Sie ist verschlissen und Sie müssen sehr lange auf dem Kupplungspedal stehen, bis das Auto ins Rollen kommt. Eine neue Kupplung ist dann vonnöten.
Doch wie läuft das in der Königsklasse ab? Wie fahren die Formel-1-Piloten mit ihren hochgezüchteten Prototypen an? Die Kupplung in einem Formel-1-Auto gehört zu den unscheinbaren, aber technisch hochentwickelten Bauteilen. Sie verbindet den Motor mit dem Getriebe und sorgt dafür, dass die enorme Leistung der Hybridantriebe kontrolliert auf die Hinterräder übertragen wird.
"Jeder, der schon einmal ein Auto mit Schaltgetriebe gefahren ist, weiß in etwa, wie eine Kupplung funktioniert. Aber in einem Straßenfahrzeug ist das eine ziemlich große und schwere Einheit", erklärt Mercedes-Elektronik-Ingenieur Evan Short auf dem YouTube-Kanal seines Teams die grundlegenden Unterschiede.
Im Gegensatz zu einer gewöhnlichen Kupplung bei einem Straßenfahrzug ist die F1-Konstruktion auf ein geringes Gewicht und minimale Abmessungen ausgelegt. Eine Formel-1-Kupplung wiegt in der Regel zwischen 1,2 und 1,5 Kilogramm und misst rund 97 bis 99 Millimeter im Durchmesser. Zum Einsatz kommen überwiegend Kohlefaser-Verbundstoffe. Der Aufbau besteht aus einem Kupplungskorb, mehreren Reibscheiben, einer Druckplatte, der Nabe und Federn.
Kein Kupplungspedal in der Formel 1
Die Gehäuse verfügen über Kühlkanäle, die im Betrieb Frischluft an die Bauteile leiten. Im Inneren sitzen mehrere Carbon-Scheiben, die auf der einen Seite von der Kurbelwelle des Motors bis 15.000/min angetrieben werden. Auf der anderen Seite übertragen sie die Kraft an die Getriebeeingangswelle.
Gesteuert wird das System elektrohydraulisch. Der Fahrer betätigt an seinem Lenkrad kleine Hebel, sogenannte Paddles. Diese senden ein Signal an einen Aktuator, der den Kupplungsmechanismus auslöst. Ein Aktuator ist ein Gerät, das ein Steuersignal in eine physikalische Bewegung oder Kraft umwandelt. Anders als bei Straßenfahrzeugen existiert kein Kupplungspedal. Das ist seit dem Siegeszug des halbautomatischen Getriebes Geschichte. Ferrari revolutionierte 1989 die Formel 1 mit seiner Entwicklung.
Kupplung wird bis zu 500 Grad heiß
Den Vorgang beim Start beschreibt Evan Short wie folgt: "Wir stehen auf dem Grid. Der Motor dreht mit etwa 9.000 bis 10.000 Umdrehungen. Das treibt natürlich eine Seite der Kupplung an. Das Getriebe auf der anderen Seite der Kupplung ist völlig stillstehend. Und dann, innerhalb von etwa zwei Sekunden, betätigt der Fahrer die Kupplung. Das presst die Platten zusammen, sie beginnen Drehmoment zu übertragen und erzeugen dabei enorme Hitze. Bis zu 500 Grad entstehen dabei. Nach ungefähr zwei Sekunden ist die Kupplung vollständig geschlossen." Bis zu diesem Zeitpunkt hat das F1-Auto auf 100 km/h beschleunigt.
Das ist die technische Seite, doch wie geht der Pilot damit um? Der Fahrer sucht zunächst den Punkt, an dem die Kupplung beginnt, zu greifen. Anschließend drückt er dosiert auf das Gaspedal, um die Räder nicht durchdrehen zu lassen. Da schießt einem sofort Lewis Hamilton in den Kopf. Der Superstar greift beim Start mit der linken Hand über sein Lenkrad. Sinn dahinter: Hamilton will nicht an das Paddle zum Runterschalten kommen, wenn er die Kupplung kommen lässt. Auch beim Anfahren nach Boxenstopps oder nach einer Safety-Car-Phase wird die Kupplung manuell bedient.
F1-Gangwechsel innerhalb von Millisekunden
"Die Kupplung hat, fürchte ich, eigentlich nie einen leichten Moment. Natürlich ist der Rennstart der kritischste Moment. Aber dann muss der Fahrer sofort anfangen zu schalten und das immer wieder über die gesamte Renndistanz hinweg", beschreibt Evan Short das Leid der Kupplung.
Während der Fahrt übernimmt die Elektronik die Arbeit. Beim Gangwechsel löst die Steuereinheit den Kupplungsmechanismus innerhalb von Millisekunden aus. Die Trennung und erneute Verbindung der Antriebskräfte geschieht so schnell, dass der Wechsel zwischen den Gängen nahezu unterbrechungsfrei erfolgt. Diese sogenannte Seamless-Shift-Technologie trägt dazu bei, dass die Motorleistung ohne nennenswerte Zugkraftunterbrechung an die Hinterräder gelangt.
Die Formel-1-Kupplung ist ein hochspezialisiertes Bauteil, das nur in wenigen Situationen manuell bedient wird, ansonsten jedoch vollautomatisch arbeitet. Ihr Aufbau und ihre Steuerung sind auf maximale Effizienz, Geschwindigkeit und Haltbarkeit zugeschnitten: "Die Kupplung leistet in diesem Bereich ihre Arbeit, indem sie das Drehmoment vom Motor in sehr kontrollierter Weise an das Getriebe überträgt," fasst Short zusammen.





