Der Elektroroller-Hersteller Govecs AG, bekannt für die elektrische Neuauflage der DDR-Kultschwalbe, ist tief in eine Absatzkrise geraten und hat nun Insolvenz angemeldet. Jahrelang kämpfte das Unternehmen mit rückläufigen Neuzulassungen im europäischen Mopedmarkt – besonders im Segment der Elektrofahrzeuge.
Einbrechende Verkäufe und strukturelle Schwächen
Die moderne "eSchwalbe", seit 2017 in drei Versionen erhältlich und in Polen gefertigt, konnte trotz ihres Kultfaktor-Erbes die erhofften Stückzahlen nie erreichen. 2022 setzte Govecs lediglich 2.250 Elektroroller ab – deutlich weniger als ursprünglich geplant.
Zu einem Umsatz von 7,6 Millionen Euro kam ein hoher Jahresverlust von 12,5 Millionen Euro. Die Geschäftsführung hatte für die kommenden Jahre steigende Umsätze erwartet, doch der europäische Mopedmarkt entwickelte sich in die entgegengesetzte Richtung: Seit 2022 brechen die Neuzulassungen massiv ein, sowohl konventionell als auch elektrisch.
Auch die strategische Neuausrichtung – weg vom B2B-Sharing-Geschäft, das durch die Pandemie kollabierte, hin zum privaten Endkundenmarkt – blieb ohne Erfolg. Die geplanten Absatzsteigerungen kamen nicht zustande. Selbst in Deutschland, dem wichtigsten Einzelmarkt des Unternehmens, blieb die Nachfrage deutlich hinter den Erwartungen zurück. Zur Erinnerung: Zu DDR-Zeiten wurden mehr als eine Million Schwalben gebaut – im VEB Fahrzeug- und Gerätewerk Simson in Suhl (Thüringen). Das Werk stellte die legendären Kleinkrafträder der "Vogelserie" ab 1964 her.
Warnsignale wurden spät sichtbar
Bereits im Jahresabschluss 2022 hatten die Wirtschaftsprüfer von PwC "bedeutsame Zweifel" angemeldet, ob Govecs den Betrieb langfristig fortführen könne. Doch der entsprechende Bericht erschien erst im November 2025 – zu spät, um Partner oder Investoren rechtzeitig zu sensibilisieren. Frühere Finanzierungsversuche scheiterten ebenfalls: Ein Börsengang wurde 2018 aufgrund des "schwierigen Marktumfelds" abgeblasen, eine später gestartete Investorensuche blieb ergebnislos.
Vor diesem Hintergrund musste Govecs nun Insolvenz beantragen. Das Amtsgericht München bestellte Dr. Michael Jaffé zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Jaffé, der bereits komplexe Fälle wie Wirecard, die deutsche Fisker-Tochter sowie das Mobilitätsprojekt Adaptive City Mobility betreut hat, will den begonnenen M&A-Prozess schnell wieder aufnehmen und potenzielle Investoren prüfen.
Krise auch in der polnischen Produktion
Parallel zur deutschen Muttergesellschaft hat auch die polnische Produktions-Tochter Govecs Poland ein Restrukturierungsverfahren eingeleitet. Ziel ist es, die Betriebsstrukturen beider Länder stabil zu halten und verkaufsfähig zu machen.
Welche Auswirkungen die Insolvenz für Besitzer einer eSchwalbe hat, ist derzeit unklar. Service- und Ersatzteilversorgung sollen nach Möglichkeit aufrechterhalten werden, während im Hintergrund geprüft wird, ob ein Fortführungskonzept mit neuen Investoren realisierbar ist. Unternehmensgründer Thomas Grübel zeigt sich trotz der schwierigen Lage zuversichtlich: Über das Insolvenzverfahren hoffe man, die Traditionsmarke Schwalbe als Symbol nachhaltiger urbaner Mobilität zu erhalten.





