In Essen kommt aus dem Rettungswagen bald eine Rechnung. Ab Januar 2026 sollen Patienten rund 267 Euro Eigenanteil zahlen, wenn sie den Rettungsdienst rufen. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht mehr vollständig – unter anderem, weil sie sogenannte Fehlfahrten nicht mehr anerkennen wollen. Gemeint sind Einsätze, bei denen kein Transport ins Krankenhaus stattfindet, weil die Versorgung vor Ort ausreicht oder sich kein akuter Notfall bestätigt.
Zögern kostet Menschenleben
Doch wer kann das eigentlich sicher beurteilen? Ein Laie kaum. Die Entscheidung, ob eine Situation lebensbedrohlich ist oder nicht, liegt nicht bei demjenigen, der den Notruf wählt, sondern bei medizinisch geschultem Personal. Niemand kann mit Gewissheit sagen, ob Schwindel, Atemnot oder plötzlicher Schmerz harmlos sind oder auf ein ernstes Ereignis hindeuten. Genau dafür gibt es den Rettungsdienst – als niedrigschwellige, schnelle Hilfe, wenn Minuten über Leben und Tod entscheiden.
In Essen waren die Rettungsdienste im vergangenen Jahr rund 140.000 Mal im Einsatz – im Durchschnitt mehr als 400 Einsätze täglich. Hinter jeder dieser Alarmfahrten steht ein Moment der Unsicherheit, oft auch der Angst. Wenn nun schon der Gedanke an mögliche Kosten mitschwingt, verändert dieser Umstand das Verhalten der Menschen. Wer glaubt, nach einem Notruf zur Kasse gebeten zu werden, könnte zögern – und im Zweifel zu spät reagieren.
Natürlich sind auch die Krankenkassen unter Druck. Die Ausgaben steigen, die Einnahmen stagnieren, die Beiträge erhöhen sich regelmäßig. Doch wenn die Krankenkassen ihre finanziellen Lücken auf die Kommunen abwälzen und die Kommunen die Kosten an die Bürger durchreichen, geht der eigentliche Sinn des Rettungsdienstes verloren. Er soll Sicherheit schaffen, nicht Unsicherheit.
Vertrauen geht verloren
Es geht hier nicht darum, Schuldige zu benennen. Der Konflikt zwischen Krankenkassen und Kommunen ist komplex, die rechtlichen Grundlagen sind unklar. Doch das Signal nach außen ist eindeutig: Bürger fühlen sich alleingelassen, und Kommunen werden in eine Rolle gedrängt, die sie nie wollten – nämlich darüber zu entscheiden, wie viel ein Notruf wert ist.
Was jetzt fehlt, ist keine kommunale Härtefallentscheidung, wie sie Essen vorschlägt. Es braucht ein gesamtdeutsches politisches Commitment. Der Bund muss dafür sorgen, dass die Finanzierung des Rettungsdienstes klar geregelt ist. Die Kosten für Einsätze – ob mit oder ohne Transport – gehören in die gemeinsame Verantwortung des Gesundheitssystems. Nur so bleibt das Solidaritätsprinzip gewahrt, auf dem das deutsche Gesundheitswesen beruht: Jeder zahlt nach seiner Leistungsfähigkeit, jeder erhält Hilfe nach seiner Not.
Wenn sich Menschen künftig fragen müssen, ob sie sich den Notruf leisten können, dann ist mehr gefährdet als nur die kommunale Haushaltslage – nämlich das Vertrauen in ein System, das eigentlich Leben schützen soll.





