Renault-Vorstands-Mitglied Guido Haak schließt im Interview ein Mégane-Comeback aus

Guido Haak über Renaults Modellplanung
„Kein Platz für einen Verbrenner-Mégane“

ArtikeldatumVeröffentlicht am 14.08.2025
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Guido Haak, Chief Program Officer, Renault Group
Foto: Renault Group
Gemessen an seiner Präsenz im Straßenbild scheint das Retro-Konzept des R5 prima zu funktionieren, der R4 steht bereits in den Startlöchern, ein nach ähnlichem Vorbild gestrickter Twingo ist ebenfalls angekündigt. Wie weit lässt sich diese Idee dehnen?

Das hat alles seine Grenzen. Es ist ein smartes Retro-Konzept, eines das sich gut in die neue Zeit transferieren lässt. Das funktioniert beim R5 und beim R4, womöglich auch beim Twingo, doch weitere Fahrzeuge dieser Art befinden sich nicht in Planung. Vielleicht mal in einer Kleinserie, das möchte ich nicht ausschließen

Früher überraschte Renault immer wieder mit neuen Fahrzeug-Konzepten. Geht das mit der Technik von heute nicht mehr? Der aktuelle Scenic beispielsweise wirkt etwas beliebig.

Das ist ein sehr gutes Thema. Vor allem Raumkonzepte wie Espace, Twingo und Scenic stachen besonders hervor. So etwas ist auch wieder in der Planung. Wenn wir allerdings potenzielle Kunden befragen, sind die Reaktionen gemischt. Die meisten finden das zwar gut, dann kommt aber häufig die Einschränkung "nicht für mich" oder "nicht jetzt, vielleicht in fünf oder zehn Jahren". Wir geben aber nicht auf, arbeiten aktuell an Konzepten mit einer besonders guten Raumausnutzung und hohen Variabilität. Jedenfalls mehr als das, was es derzeit im Markt gibt.

Gerade in den Fahrzeugsegmenten, wo das zum Tragen kommen könnte, wirkt das aktuelle Modellangebot zu wenig differenziert: Austral, Scenic, Espace, Rafale, Symbioz – sind die nicht alle zu dicht aneinander positioniert?

Ja, da gebe ich Ihnen Recht. Das hängt mit dem Übergang zur Elektromobilität zusammen, der derzeit etwas holperig ist. Wir sehen uns derzeit gezwungen, sowohl den E-Antrieb als auch den Verbrenner weiterzuentwickeln, was an einigen Stellen eine ungeplante Doppelung der Portfolios bedeutet. Zudem haben wir vielleicht nicht immer die Möglichkeiten ausgeschöpft, die eine Plattform prinzipiell bietet, beispielsweise beim Symbioz, der ist recht nahe am Captur.

Jetzt parkt da ein ganzer Schwung diverser Crossover-Modelle im Modellangebot, einer der Bestseller ist aber der Clio – ein ganz konventioneller Kleinwagen. Wenn nun ohnehin der Verbrenner länger lebt, braucht’s dann nicht auch wieder einen klassischen Mégane?

Für die Marke Renault ist ein weiteres neues Konzept mit Verbrenner auszuschließen. Allerdings werden wir bei Dacia ein klassisches Fahrzeugkonzept bringen, das mit Verbrenner startet, bei Bedarf aber auch vollelektrifiziert angeboten werden kann. Natürlich werden wir auch den Clio weiterführen, da können Sie auf der IAA schon etwas interessantes mit einem besonderen Design sehen. Den pflegen wir weiter, der bleibt ein klassischer Kleinwagen.

Aber warum funktioniert ein klassischer Kompaktwagen für Dacia, nicht aber Renault?

Wir hatten ja bereits kommuniziert, dass Renault ab 2030 ein rein elektrisches Portfolio bieten wird. Das wird nicht mehr so sein, das kann sich heutzutage keiner mehr leisten, alle fahren zweigleisig. Jetzt ist das Portfolio bei Renault aber derart dicht, dass wir da kein weiteres Konzept mehr reinquetschen können. Und natürlich werden wir die Investitionen in den Verbrenner schlank halten müssen, denn es ist klar, dass die E-Mobilität kommt. Nur die Geschwindigkeit ist unklar. Dennoch müssen wir auch hier in neue Plattformen investieren. Die Nachfolger von Scenic und Megane E-Tech beispielsweise müssen deutlich kostengünstiger werden, das bedeutet aber auch, dass bei der Plattform kein Stein auf dem anderen bleibt. Heißt also: Deutliche Kostenreduktion, deutliche Verbesserung der Leistungsparameter – und das kostet. Da bleibt einfach kein Platz für einen neuen Verbrenner-Megane.

Müssten Sie da nicht eher das gesamte Angebot etwas ausdünnen?

Klar bedeuten mehr Varianten einen höheren Aufwand. Andererseits baut man die Fahrzeuge die man hat, auch erstmal weiter. Das ist immer noch günstiger, als Modelle aus dem Markt zu nehmen, da diese durchaus gute Margen generieren, zumal der Erstaufwand gering war. Das eine oder andere Fahrzeug wird eingestellt werden, aber erst Anfang des nächsten Jahrzehnts. Wir diskutieren gerade, welche das sein werden.

Wie sieht die optimale Modellbandbreite für Renault aus, mit der sich die Marke auch klar positionieren kann?

In einer idealen Welt sind wir rein elektrisch. Doch wenn wir die Antriebs-Frage mal außen vorlassen, sind wir sehr erfolgreich mit Clio und Captur, das sind unsere volumenstärksten Modelle und das soll auch so bleiben. Im Segment darunter weiß keiner, ob und wie sich das wiederbeleben lässt, aber wir versuchen es mit dem neuen Twingo, das ist aber nicht der Kern. Das ist eben der Clio und künftig auch der R5. Da muss man mal sehen, ob und wie die einmal zusammengeführt werden. Das C-Segment ist wichtig für uns, doch es ist sicher nicht ideal parallel einen Symbioz und einen Austral anzubieten. Die sind zwar beide erfolgreich, doch dort nur ein Fahrzeug zu haben, erscheint besser und das wird zuerst wieder ein SUV sein. Zusätzlich würde ich gerne ein neues Raumkonzept haben, wie ich es zuvor erwähnt habe. Dafür stand die Marke Renault und dafür soll sie auch künftig wieder stehen. Die Spitze für die Marke ist dort, wo Sie heute den Rafale sehen. Wenn es darüber hinaus geht, reden wir eher über die Marke Alpine.

Das heißt, dass bei Alpine der E-Crossover A390 erst den Anfang vom Ende einer reinen Sportwagenmarke darstellt?

Alpine wird definiert durch Sportwagen. Der A110 bekommt definitiv einen Nachfolger. Das wird ein Fahrzeug mit einer extrem sportlichen Ausprägung sein. Allerdings können Marken wie Alpine nicht existieren, wenn sie nicht auch Brot- und Butter-Modelle anbieten. Der A390 ist ein Beispiel dafür. Wir haben auch schon über Fahrzeuge im E-Segment und D-SUV nachgedacht, doch innerhalb der nächsten drei Jahre sehen wir das nicht. Solche Fahrzeuge hätten wir bei der Marke Renault bereits in Korea, doch die werden wir nicht in Europa anbieten.

Zurück zur Marke Renault. Warum gibt es dort im Gegensatz zu Dacia keinen klassischen SUV?

Es gibt zu diesem Thema durchaus Diskussionen bei uns. Ich sehe allerdings keinen klassischen, kantigen SUV. Das ist ein Dacia-Thema. Renault behalten eher den Crossover-Charakter.

Und ein Kombi? Selbst chinesische Hersteller bieten das an, mit Elektroantrieb. Und der VW ID.7 Tourer verkauft sich auch ganz gut.

Das wird ebenfalls für Dacia ein Thema sein, zumindest mit Verbrenner, in der Folge auch mit E-Antrieb. Bei Renault planen wir nicht, so ein Konzept einzuführen. Allerdings diskutieren wir noch, was wir auf die nächste Plattform im C-Segment setzen. Da sollten auf jeden Fall ein Fahrzeug mit einer niedrigen Sitzposition dabei sein. Vielleicht ein Shooting Brake. Mal sehen.

Dennoch bleibt unklar, was die Marke Renault eigentlich ausmacht. Können Sie das bitte definieren?

Da gibt es den Begriff des "humanized tech", der für uns sehr wichtig ist und der sich nicht unbedingt an der Karosserieform festmacht. Wir wollen unseren Kunden etwas anbieten, dass ihm einen größeren Wert bietet als die Angebote der Konkurrenz. Dazu zählen beispielsweise Bedienkonzepte, da arbeiten wir gerade an sehr revolutionären Konzepten, auch um uns von Dacia klar abzugrenzen. Das beginnt beim Einstieg ins Fahrzeug bis zu den unterschiedlichen Fahrsituationen. Da ist unter anderem eine besonders einfache und flexible Reiseplanung ein Thema.

Ein revolutionäres Bedienkonzept klingt zunächst mal nicht besonders attraktiv, zumal andere Hersteller sich da von den bisherigen vermeintlichen Revolutionen gerade wieder abwenden. Was genau plant Renault?

Das größte Problem, das alle haben, ist dass die Funktionen, die man bedienen sollte, möglichst einfach zu bedienen sind. Es ist nicht so, dass wir jetzt wieder komplett zu Tasten und Drehknöpfen zurückgehen, auch wenn es die weiterhin geben wird. Vielmehr gilt es, die heutigen technischen Möglichkeiten mit dem zu verbinden, was ein Kunde verstehen und bedienen kann. Dazu ist viel Detailarbeit notwendig. Ein Knopf am Lenkrad, der je nach Situation seine Funktion oder Haptik ändert, ist etwas Intelligentes. Doch solche Konzepte müssen mit viel Detailverliebtheit ausgearbeitet werden. Dazu nutzen wir so genannte Fokusgruppen, also potenzielle Kunden, die unsere Ideen ausprobieren. Aktuell befinden wir uns da aus meiner Sicht auf einem sehr guten Weg, auch im Vergleich zum Wettbewerb.

Ihr letzter Arbeitgeber Volkswagen ist besonders gut im Packaging der Fahrzeuge, also auf vergleichsweise wenig Verkehrsfläche viel Nutzwert und Raum zu bieten. Wollen Sie mit Renault dort hin?

Beim E-Auto ist das etwas einfacher. So bietet schon der aktuelle Mégane E-Tech bei B-Segment-Abmessungen einen C-Segment-Innenraum, was die Kunden gar nicht so zu schätzen wissen. Der Scenic verkauft sich nämlich deutlich besser. In der nächsten C-Plattform wollen wir deutlich besser werden, beispielsweise was die Variabilität der Sitze betrifft. Das Ziel ist, eine Variabilität ähnlich der eines guten Vans zu erreichen, ohne dessen Design haben zu müssen.

Wie wird sich die Antriebstechnologie weiterentwickeln? Braucht es noch mehr Reichweite?

Ja, ein bisschen schon. Eine Reichweite zwischen 600 und 700 km ist ausreichend. Vor allem aber wird der gesamte Antrieb effizienter. Wir wollen hier das Beste im Markt bieten. Ob wir da bei einem 70 oder 80 kWh-Akku landen, muss man sehen, das hängt auch vom Fahrzeugkonzept ab. Generell gibt es aber da eine Grenze, ab der es sinnvoller ist, an der Ladetechnik zu arbeiten.

Also eine deutliche Erhöhung der Ladegeschwindigkeit?

Ja, im C-Segment irgendwo zwischen 200 und 300 kW.

Demnach also ein 800 Volt-Netz…

Ja, auch das im C-Segment, da gibt’s keine Diskussion.

Vita

Guido Haak, Chief Program Officer, Renault Group, Jahrgang 1966, schloss 1988 sein Studium an der Technischen Universität Berlin ab und wurde 1993 an der Freien Universität Berlin in theoretischer Physik promoviert. Nach vierjähriger Forschungs- und Lehrtätigkeit im Bereich Mathematik in den USA und in Deutschland wechselte er 1998 zu McKinsey & Company, wo er als Berater in der Hightech- und Automobilindustrie in Europa, den USA und Japan tätig war. Im Jahr 2005 trat Haak in den Volkswagen-Konzern ein und verantwortete dort die Entwicklung der ersten modularen Plattform von Audi. Nach Stationen in den Bereichen Produktmanagement, Strategie und Marketing bei den Marken Audi und Volkswagen erfolgte 2015 die Ernennung zum Leiter des Produktmanagements bei Skoda Auto A.S. in Mladá Boleslav (Tschechien). Dort lenkte Haak die erfolgreiche Wachstumsstrategie der Marke und die Elektrifizierung der Produktpalette. Seit 1. Februar verantwortet er als Vorstandsmitglied der Renault Gruppe den Bereich der strategischen Produktplanung.