Die Saison 2026 wirft ihre Schatten bereits voraus. In den Fabriken wurde die Entwicklung an den aktuellen Rennwagen längst eingestellt. Und auch die Produktion von Bauteilen verlagert sich immer mehr auf die nächste Generation. Die ersten Testfahrten mit den Neuwagen sind schon für Januar angesetzt – nur einen Monat nach dem Saisonfinale in Abu Dhabi.
Auch bei den Zulieferern ticken die Uhren schon auf 2026. Die große Technik-Revolution verlangt in vielen Bereichen ein Umdenken. In einigen Fällen hat das neue Reglement Konsequenzen, die bei den ersten Entwürfen sicher keiner auf der Rechnung hatte. Einer dieser Fälle betrifft die Bremsen. Vor allem bei den Carbon-Stoppern auf der Hinterachse müssen sich Ingenieure und Fahrer umstellen.
Der Grund dafür ist das neue Antriebskonzept der nächsten Rennwagengeneration. Knapp 50 Prozent des Vortriebs sollen künftig durch die Elektro-Power bereitgestellt werden. Der Hybrid-Anteil wird also massiv erhöht. Das Problem für die Ingenieure liegt darin, die benötigte Energie in die Batterien zu laden. Die MGU-H auf der Turbowelle, die bisher auf längeren Vollgaspassagen Saft lieferte, fällt kommende Saison weg.
Extreme Dimensionen
Es wird dann nur noch Energie auf der Hinterachse rekuperiert. Die MGU-K ist dabei direkt an der Kurbelwelle angeflanscht. Wenn das Auto verzögert, arbeitet der Elektromotor also wie ein Generator, der die Speicher wieder füllt. Dabei sorgt das Hybrid-Bauteil für eine extreme Verzögerung. Die Folge ist, dass die Bremsen in Zukunft deutlich weniger Arbeit haben.
"Wir haben ja diesen großen Elektromotor, der an der Hinterachse für eine enorme Bremsleistung sorgt. Das gibt uns in der Theorie die Möglichkeit, bei den Bremsscheiben und den Bremssätteln eine Stufe kleiner zu gehen", erklärt Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin die Herausforderung.
Für Zulieferer wir Brembo bedeutet das ein komplettes Umdenken. Kunden-Manager Andrea Algeri hat im Gespräch mit "The Race" schon mal einen kleinen Ausblick gegeben: "Auf der Hinterachse sehen wir extreme Dimensionen, was die Größe der Bremsscheiben angeht. Sie sind sowohl beim Umfang als auch bei der Dicke deutlich kleiner als das, was wir aktuell fahren. Einige Teams sind der Meinung, dass auf der Hinterachse gar nicht mehr gebremst wird oder nur noch in wenigen Fällen."

Die Bremsscheiben werden wohl 2026 deutlich kleiner ausfallen.
Fahrer bremst nicht mehr selbst
Die Fahrer müssen sich an ein komplett neues Gefühl beim Verzögern einstellen. Wenn der Motor alleine schon den Hauptteil der Bremsleistung liefert, kann der Fahrer mit dem linken Fuß kaum noch einen Unterschied machen. Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin verrät, dass aber noch nicht ganz klar ist, wie das 2026 konkret aussehen wird: "Selbst die Bremsenhersteller wissen nicht genau, welche Anforderungen nächstes Jahr gestellt werden, denn die Anfragen der Teams unterscheiden sich."
Ein weiteres Problem für die Zulieferer liegt darin, dass die Bremsen zwischendurch immer wieder komplett auskühlen, wenn sie im Laufe einer Runde kaum zum Einsatz kommen. Die Experten müssen also ein spezielles Material entwickeln, das schon bei niedrigeren Temperaturen die volle Bremskraft liefert. Gleichzeitig dürfen die Bremsen aber bei größerer Hitze nicht nachlassen, wenn sie dann doch mal gebraucht werden.

Müssen die Zulieferer für jedes Rennen anderes Material zur Verfügung stellen?
Leichtbau vs. Sicherheit
Die Anforderungen werden je nach Rennstrecke extrem variieren. Auf manchen Kursen gibt es so viele Verzögerungspunkte, so dass die Batterien schnell geladen sind. Dann können die Bremsen wieder ihren ursprünglichen Job übernehmen. Auf flüssigeren Kursen muss der Motor beim Verzögern so viel Energie wie möglich rekuperieren. Da werden die Bremsen dann kaum gefordert. Gut möglich, dass die Teams das Material von Strecke zu Strecke wechseln, so wie es ja heute auch schon mit den Flügeln der Fall ist.
Die Ingenieure wollen natürlich, dass die Bremsen am Ende immer so klein wie möglich dimensioniert sind. Weil kein Auto in der kommenden Saison an das extreme Mindestgewicht-Limit herankommen wird, zählt auch bei der Bremse jedes Gramm. Auf der anderen Seite muss natürlich immer der Faktor Sicherheit einberechnet werden. Die extreme Diät darf nicht zu einem höheren Risiko für die Fahrer führen.





