Ex-F1-Fahrer Jochen Mass ist tot

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Ex-F1-Fahrer Jochen Mass ist tot

ArtikeldatumVeröffentlicht am 04.05.2025
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Jochen Mass - Festival of Speed - Goodwood - 2022
Foto: xpb

Jochen Mass zählte zu den großen deutschen Rennfahrern der Nachkriegszeit. Im bayerischen Dorfen geboren, gehörte Mass 28 Jahre lang zum Internationalen Motorsport-Establishment. Er war ein Charakterkopf, der für seine Arbeitgeber mehr als nur ein Rennfahrer war und nicht nur mit dem schweren Gasfuß sondern auch mit Köpfchen gefahren ist.

Seine Karriere begann 1971 in einem Ford Capri im Tourenwagen-Sport. Er schloss die Saison auf Anhieb als Deutscher Rundstreckenmeister ab. Die Serie war mit der heutigen DTM vergleichbar. Schon ein Jahr später stieg Mass in die Formel 2 auf, wo er es mit zwei Siegen für den Rennstall von John Surtees zum Vize-Europameister brachte.

Das öffnete ihm 1973 mitten in der Saison mit Unterstützung von Ford mit Surtees den Einstieg in die Formel 1. Bei seinem Debüt in Silverstone war er unschuldig in eine der größten Massenkollisionen des Motorsports verwickelt. Der zweite Einsatz auf seiner Hausstrecke, dem Nürburgring, zeigte sein Talent. Als Siebter verfehlte er WM-Punkte nur knapp.

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Vier Jahre bei McLaren

1974 blieb Mass dem Team von Surtees treu. Obwohl die beiden persönlich gut miteinander auskamen, gab es im Saisonverlauf immer häufiger Misstöne. Surtees mischte sich wie bei allen seinen Fahrer stark in die Setup-Arbeit mit ein. Mangels Geld kam es zu zahlreichen Materialdefekten. Mass verließ rechtzeitig das Team, obwohl ihn sein Chef wegen Vertragsbruch verklagen wollte. Sein Nachfolger Helmuth Koinigg kam beim letzten Saisonrennen in Watkins-Glen vermutlich wegen eines Aufhängungsbruchs ums Leben.

Da hatte Mass schon längst einen McLaren-Vertrag in der Tasche. Teamchef Teddy Mayer regelte den Vertragsstreit mit Surtees. Mass bekam den Platz in dem Topteam nicht nur wegen seiner Leistungen. Er war für die Sponsoren ein glänzender Repräsentant und Vorzeige-Athlet. Seine Liebe gehörte der Seefahrt. Er kaufte sich den Schoner Aquila Marina, den sein Kapitän später auf Grund laufen ließ. Da das Schiff nicht versichert war, geriet Mass zeitweise in finanzielle Schieflage.

Bei McLaren erlebte der Deutsche mit acht Podestplatzierungen und einem Sieg beim GP Spanien 1975 seine erfolgreichste Zeit. Der Erfolg im Montjuich Park war von einem schweren Unfall überschattet, bei dem Landsmann Rolf Stommelen nach einem Heckflügelbruch über alle Absperrungen hinweg in eine Sperrzone flog, in der Streckenposten und Fotografen standen. Fünf Besucher kamen ums Leben. Es war ein freudloser Sieg, für den es wegen des Rennabbruchs obendrein nur halbe Punkte gab.

Jochen Mass - Rennfahrer - 1977
Motorsport Images

Wanderjahre bei ATS, Arrows und March

Das Pech von Mass war, dass in seinen drei Jahren bei McLaren zwei Mal sein Teamkollege Weltmeister wurde. 1974 Emerson Fittipaldi und 1976 James Hunt. In der Saison 1978 ersetzte ihn das aufstrebende Talent Patrick Tambay. Nach seiner McLaren-Zeit bekam Mass bei ATS, Arrows und March nur noch Fallobst. Er sammelte in vier Saisons nur noch sieben Punkte.

1978 hatte er bei Testfahrten in Silverstone nach einem Aufhängungsbruch im ATS in Stowe Corner einen schweren Unfall. Mass brach sich das linke Bein, das Knie und das Schlüsselbein. Ein Lungenflügel wurde vom Schlüsselbein durchbohrt. "Unser Teamchef Günter Schmid wollte nicht einsehen, dass etwas an seinem Auto kaputtgegangen war. Dabei hätte mich der Defekt fast umgebracht", schimpfte Mass über seinen Teamchef.

1982 wurde sein tragisches Jahr. Das fatale Missverständnis mit Gilles Villeneuve in Zolder und ein schwerer Unfall in Paul Ricard 1982 ließen ihn in den Langstreckensport wechseln. Mass litt darunter, dass man ihm eine Schuld am Tod des kanadischen Superhelden gab. Dabei wollte er dem Ferrari-Piloten innen die Ideallinie freihalten. Doch Villeneuve entschied sich für die gleiche Seite, auf die Mass auswich, und stieg am March des Deutschen auf.

Jochen Mass - Rennfahrer - 70 Jahre
Wilhelm

Der Unfall von Paul Ricard

Zwei Monate später erlebte der Formel-1-Veteran beim GP Frankreich, was Villeneuve in den letzten Sekunden seines Lebens gespürt haben musste. Im Duell mit Mauro Baldi verhakte sich sein March am Ende der Mistral-Geraden bei 320 km/h mit dem Arrows, stieg wie ein Vogel in die Luft, überschlug sich mehrmals über die Seite, landete im Zuschauerraum und fing Feuer.

Mass konnte sich aus eigener Kraft retten. Die Zuschauer wurden wie durch ein Wunder nur leicht verletzt. Mass erzählte später anschaulich, wie in den Sekunden des Fluges sein ganzes Leben an ihm vorüberzog und er jede Sekunde mit dem Tod rechnete.

Die Gruppe-C-Sportwagen erschienen ihm sicherer. Ein Trugschluss. 1985 starben mit Manfred Winkelhock und Stefan Bellof zwei seiner Porsche-Teamkollegen. 1989 wechselte der Vater von vier Kindern zu Sauber-Mercedes, gewann die 24 Stunden von Le Mans und spielte dort den Fahrlehrer für die Nachwuchsfahrer der Marke mit dem Stern.

So wurde Mass zum Mentor für Michael Schumacher und blieb auch noch an der Seite des künftigen Rekord-Weltmeisters als der längst ein Star in der Formel 1 war. Schumacher legte stets viel Wert auf den Rat seines Ex-Teamkollegen. Mass war der Erste, der seinem Schützling nach der WM-entscheidenden Kollision mit Jacques Villeneuve 1997 in Jerez sagte, dass er besser wäre, seinen Fehler zuzugeben.

Goodwood Festival of Speed, Jochen Mass
Mercedes-Benz/Merkel, BMW/Mutschler, Adam Beresford

Eine Rennfahrer-Legende und ein Sir

1999 stand er ein letztes Mal in einem großen Rennen am Start. Er nahm in einem Audi TT an den 24 Stunden auf dem Nürburgring teil. Zu der Zeit war der 105-fache GP-Teilnehmer bereits TV-Experte bei RTL. Mercedes verpflichtete ihn als Botschafter und setzte ihn bei vielen historischen Veranstaltungen ein, wie zum Beispiel bei der Mille Miglia, wo er einmal zusammen mit dem heutigen Mercedes-Rennleiter Toto Wolff antrat. Außerdem wurde er vom Club der ehemaligen Formel-1-Piloten zu ihrem Präsidenten gewählt.

Wolff ehrte Mass: "Er war ein ikonischer deutscher Rennfahrer. Ich verbinde mit Jochen vor allem seine Zeit im Gruppe-C-Auto. Da war er eine absolute Macht. Er war nicht nur eine deutsche Rennfahrer-Legende, sondern auch ein Sir." Im Februar erlitt Mass einen schweren Schlaganfall, der ihn zum Pflegefall machte. Am 4. Mai starb er an den Folgen des Hirnschlags in Cannes.