Laut eigener Auskunft wäre der Andretti-Rennstall schon für die Saison 2025 bereit gewesen, ein Formel-1-Team auf die Beine zu stellen. Nach monatelanger Prüfung der personellen und technischen Infrastruktur bestätigte auch die FIA, dass die US-Amerikaner über die notwendigen Ressourcen verfügen und erteilte die notwendige F1-Lizenz.
Die Ankündigung von Andretti, den Autohersteller GM zunächst als Technikpartner, ab 2028 dann als Motorenlieferanten ins Boot zu holen, stimmte auch die Mehrheit der Fans zuversichtlich, dass die Bewerbung erfolgreich ausgehen würde. Doch kurz vor der Ziellinie grätschten die Bosse der Königsklasse noch dazwischen.
Am Mittwoch (31.1.) veröffentlichte die Rennserie eine dreiseitige Erklärung mit verschiedenen Gründen, warum man dem Bewerber den Einstieg vorerst nicht ermöglichen will. Demnach sei die wichtigste Voraussetzung, dass ein elftes Formel-1-Team nur dann zugelassen werden kann, wenn es das Ansehen und den finanziellen Wert der Königsklasse erhöht.

Die FIA hatte Andretti die F1-Lizenz erteilt. Doch F1-Boss Stefano Domenicali lehnte die Berwerbung ab.
Kein Einstieg mit Kundenmotor
Demnach würde ein neuer Rennstall den Wert der ganzen Meisterschaft vor allem dadurch steigern, indem es direkt um Podiumsplätze und Siege mitkämpft. Nur so könne man neue Fans gewinnen und damit die Einnahmenseite durch den Verkauf teurerer TV-Rechte und mehr Tickets an der Rennstrecke verbessern. Einfach nur die Anzahl der Teams zu erhöhen, sei keine Garantie, dass sich damit auch die Attraktivität erhöht, heißt es.
Die eigenen Untersuchungen hätten allerdings ergeben, dass man Andretti nicht zutraut, ein konkurrenzfähiges Team aufzustellen. Außerdem wird Andretti zum Nachteil ausgelegt, dass man in den ersten Jahren noch auf einen Kundenmotor angewiesen ist, was sich negativ auf das Ansehen der ganzen Rennserie auswirken würde. Ein positiver finanzieller Effekt für die Königsklasse sei demnach nicht zu erwarten.
Es wird behauptet, dass der F1-Einstieg eine höhere Wertsteigerung für Andretti selbst bedeuten würde, als es für die Formel 1 der Fall wäre. Zudem würde ein elftes Team eine Mehrbelastung und damit auch höhere Kosten für die Rennveranstalter mit sich bringen und es würde den anderen Teams Raum für den operativen Rennbetrieb an der Strecke und die Vermarktung stehlen.

Andretti hatte mit der GM-Marke Cadillac einen zugkräftigen Partner an Bord. Doch das reichte am Ende nicht aus.
Nächste Chance erst 2028
In die Beurteilung wurde auch miteinbezogen, dass Andretti für den Einstieg in der Saison 2025 ein neues Auto hätte entwickeln müssen, und dann für das komplett neue Reglement im Jahr 2026 direkt wieder ein neues Auto notwendig gewesen wäre. Wegen dieser schweren Aufgabe, zwei unterschiedliche Autos in den ersten beiden Jahren zu konstruieren, hätte man auch jedem anderen Bewerber eine Absage für 2025 erteilt.
Interessanterweise schiebt man Andretti aber auch für 2026 einen Riegel vor. "Die Formel 1 stellt eine einzigartige technische Herausforderung dar, wie sie der Bewerber noch in keiner anderen Rennserie vorgefunden hat. Erschwerend kommt noch dazu, dass das Vorhaben in den ersten Jahren die Nutzung eines Kundenmotors beinhaltet. Wir glauben deshalb nicht daran, dass der Bewerber ein konkurrenzfähiger Teilnehmer wäre", heißt es in dem Dokument.
Als frühstes Einstiegsdatum stellte die Formel 1 Andretti die Saison 2028 in Aussicht – allerdings nur dann, wenn GM bis dahin mit an Bord bleibt: "Wir könnten eine Bewerbung für 2028 zusammen mit GM Motoren anders betrachten, entweder als eigenes GM-Werksteam oder als GM-Kundenteam, das alle erlaubten Bauteile selbst herstellt."

Rennstallbesitzer Michael Andretti muss die bereits eingestellten Mitarbeiter für die Formel 1 nun wohl wieder entlassen.
Andretti lehnt Einladung ab
Aber auch hier gäbe es keine Garantie für eine erfolgreiche Bewerbung: "In diesem Fall müssten dann weitere Faktoren in Betracht gezogen werden, was den Wert des Bewerbers für die Meisterschaft angeht – insbesondere mit Blick darauf, dass man einen prestigeträchtigen Autohersteller als Motoren-Lieferant in den Sport bringt."
Interessanterweise teilte die Formel 1 mit, dass man die anderen zehn Teams zu dem Thema zwar nicht befragt, aber die Auswirkungen eines elften Teams auf die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt habe. Die meisten der bestehenden Rennställe hatten schon im Vorfeld ihre Ablehnung bekundet, vor allem weil sich mit Andretti der eigene Anteil an den Prämientöpfen verringern könnte.
Ein weiteres interessantes Detail hatte die Stellungnahme der Formel 1 auch zum Prozess der Bewerbung zu bieten. Demnach hatte man Andretti im Dezember zu einem persönlichen Gespräch ins Hauptquartier nach London eingeladen. Doch der Rennstall lehnte die Einladung ab, seine Bewerbung persönlich zu präsentieren. Vielleicht gab es da schon eine Vorahnung, dass man sowieso keine faire Chance bekommt.
"Starker Widerspruch" von Andretti Cadillac
In einer Pressemitteilung reagierten die Amerikaner verschnupft auf die Abfuhr. "Andretti Cadillac hat die vom Formel-1-Management geteilten Informationen geprüft und widerspricht dem Inhalt stark. Andretti und Cadillac sind zwei erfolgreiche globale Motorsport-Organisationen, die ein echtes US-amerikanisches Werksteam in die Formel 1 bringen wollen." Man sei stolz auf den signifikanten Fortschritt, den man zuletzt gemacht hat.
Die Reaktion nimmt im Zuge dessen zwei weitere Vorwürfe auf. Zum einen entwickle man ein "sehr wettbewerbsfähiges Auto", zum anderen sei der Motor auch ein Teil dieser Entwicklung. "Unsere Arbeit geht unbeirrt voran." In Anbetracht der wütenden Reaktionen aus Amerika endet die Nachricht mit einem Gruß an die Anhänger: "Das Team möchte den Fans seine Wertschätzung und den Dank für die Unterstützung ausdrücken."

Formel-1-Weltmeister Mario Andretti äußerte sich entrüstet über die Abfuhr an seinen Sohn. Der Indy-500-Sieger richtete aus, "am Boden zerstört" zu sein.
FIA will Gespräche führen
Extrem kurz angebunden gab sich der Weltverband. Als zweiter großer Verlierer der Absage erklärte die dem Andretti-Projekt wohlgesonnene FIA: "Wir haben die Bekanntgabe des Formel-1-Managements bezüglich des Bewerbungsprozesses zur Kenntnis genommen. Wir wollen in Gespräche eintreten, um die nächsten Schritte zu bestimmen."
Inwiefern diese nächsten Schritte noch Hoffnung bei Andretti schüren könnten, bleibt abzuwarten. Doch eine Verzögerung bis 2028 stellt sowohl finanziell als auch politisch ein massives Risiko für die Zukunft des Projekts dar.





