Krise seit der Sommerpause: Kann Ferrari dieses Jahr noch gewinnen?

Abwärtstrend nach der Sommerpause
Kann Ferrari dieses Jahr noch gewinnen?

ArtikeldatumVeröffentlicht am 02.10.2025
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In Monza ordnete Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur das Saisonziel neu. Der zweite Platz in der WM hat jetzt Priorität. Vasseur hat erkannt, dass er für einen GP-Sieg Beistand höherer Mächte braucht. Wetter, Chaos, Safety-Cars. Baku wäre so ein Grand Prix gewesen, doch das Rennen, das mit dem Slogan "Erwarten Sie das Unerwartbare" wirbt, war gemessen an Zwischenfällen eine Schlaftablette. Mit Singapur folgt ein weiteres Rennen, bei dem normale Regeln manchmal außer Kraft gesetzt werden. Ferrari klammert sich da an seinen Sieg 2023.

Vasseur forderte von seinem Team, dass man in solchen Momenten zur Stelle sein müsse. Doch genau das war zuletzt nicht der Fall. Seit der Sommerpause kamen nur 26 Punkte aufs Konto. Das bedeutet in der Zwischenwertung der letzten Rennen nur Rang 6 hinter Red Bull (78) McLaren (64), Mercedes (54), Williams (31) und Toro Rosso (27). Jetzt ist auch Rang 2 in der WM in Gefahr. Mercedes zog mit seinem Baku-Ergebnis vorbei.

Die Teams haben ihre Entwicklung an den 2025er-Autos längst eingestellt. Jetzt liegt es daran, wer aus seinem Paket am meisten herausholt. An McLaren gibt es im Duell auf der Rennstrecke keinen Weg vorbei. Da muss schon der Renngott mithelfen. "Sie haben das beste Auto. Je nach Strecke ist ihr Vorsprung mal größer, mal kleiner", erkennt Vasseur. Doch nun ist auch Red Bull vorbeigezogen, weil die Ingenieure eine Entwicklungsschleife mehr als die Konkurrenz eingezogen und damit ins Schwarze getroffen haben. Singapur wird zeigen, ob das überall gilt.

Carlos Sainz - Formel 1 - GP Singapur 2023
xpb

Ferrari technisch festgefahren

Das Schicksal muss schon mal drei Autos aus dem Weg räumen, damit Ferrari überhaupt eine Siegchance hat. Mercedes fährt auf Augenhöhe und hat je nach Streckenlayout mal das bessere, mal das schlechtere Auto. Doch George Russell ist in jedem Fall ein Gegner, den man erst einmal schlagen muss. Charles Leclerc macht sich keine großen Illusionen: "Die Chance, dass wir dieses Jahr noch ein Rennen gewinnen, ist sehr klein. Selbst wenn wir mal besser sein sollten als Mercedes und Red Bull. Dann musst du immer noch McLaren schlagen. Das ist fast unmöglich. Unsere beste Chance sehe ich noch in Las Vegas."

Ferrari hat sich technisch festgefahren. Der neue Unterboden (GP Österreich) und die neue Hinterachse (GP Belgien) haben den SF-25 verbessert, aber nicht zum Siegerauto gemacht. Da wird auch nicht mehr viel kommen. Nach fünf Rennen sind genug Daten gesammelt, ausreichend Erkenntnisse gewonnen. Die große Erleuchtung mit einem Schritt von zwei Zehnteln ist nicht mehr zu erwarten.

Ferrari hat wie Red Bull an der Rennstrecke die Prozesse umgestellt und sie McLaren etwas angepasst. Das Team fährt jetzt schon am Freitag eine aggressivere Gangart mit mehr Motorleistung und weniger Sprit. So will man die Fahrer realitätsnaher an das gewöhnen, was sie in Qualifikation und Rennen erwartet. In Monza und Baku sahen die roten Autos am Freitag wie Geheimfavoriten aus. Am Samstag kehrte jeweils Ernüchterung ein, weil die Konkurrenz mehr in der Hinterhand hatte.

Charles Leclerc - Ferrari - GP Aserbaidschan - Baku - Formel 1 2025
Joe Portlock via Getty Images

Opfer statt Nutznießer

Ferrari kann sich jetzt nur noch darauf konzentrieren, die Abläufe zu optimieren. Das hat zuletzt auch nicht geklappt. In Zandvoort dauerte es drei Trainingssitzungen, bis man ein Setup gefunden hatte, mit dem man die Reifen davor schützte, in den Hochgeschwindigkeitskurven zu überhitzen. Es reichte trotzdem nur für die Startplätze 6 und 7. Von dort gewinnt man kein Rennen. Der Grand Prix lieferte dann mit drei Safety-Car-Phasen das erhoffte Chaos. Doch Ferrari war nicht Nutznießer, sondern Auslöser. Beide Autos landeten in der Mauer von Kurve 3.

In Monza fehlten auf eine Runde drei Zehntel, im Rennen eine halbe Sekunde auf Sieger Max Verstappen. Man tröstete sich damit, in Sichtweite der McLaren über die Ziellinie gefahren zu sein. Der Vorjahressieger verpasste trotzdem das Podium. In Baku wurden die Fehler schon am Samstag gemacht. Charles Leclerc crashte auf seiner Spezialstrecke. Lewis Hamilton flog aus dem Q2 und machte die Reifenwahl dafür verantwortlich.

Von den Startplätzen 10 und 12 waren die Ferrari im Verfolgerfeld eingemauert. Vasseur rechnete zwar hoch, dass man in bestimmten Abschnitten des Rennens so schnell wie die direkten Gegner war, doch damit versucht der Franzose, seine Mannschaft zu schützen und den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. An der Tatsache, dass Ferrari gerade den Tritt verloren hat, ändert das nichts.

Trumpfkarte sticht nicht mehr

Ferraris Trumpfkarte im Kampf um den Vize-Titel waren lange die Fahrer. Charles Leclerc und Lewis Hamilton punkteten in der ersten Saisonhälfte zuverlässig und meist zweistellig. Red Bull war eine Einmann-Show, und bei Mercedes spielte Andrea Kimi Antonelli nicht die Punkte ein, die man sich von ihm erwartete. So sah Ferrari bis zur Sommerpause als der sicherste Tipp für die Kronprinzenrolle hinter McLaren aus.

Das beginnt sich gerade zu drehen. Red Bull hat seinen RB21 domestiziert, und das hilft auch Yuki Tsunoda. Der Japaner landete in den letzten drei Rennen zwei Mal in den Punkterängen. Bei Mercedes scheint sich Antonelli von seinem Formtief gerade zu erholen. Der Rückgriff auf die alte Hinterachse hilft ihm dabei. Und jetzt kommen fast nur noch Rennstrecken, die er nicht kennt. Da liefert das Winderkind in der Regel besser ab als auf bekanntem Terrain.