Nürburgring-Grundsteinlegung vor 100 Jahren: So entstand der Mythos in der Eifel

Grundsteinlegung am Nürburgring vor 100 Jahren
So entstand der Mythos in der Eifel

ArtikeldatumVeröffentlicht am 27.09.2025
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Die Anfänge der Entwicklung, die später zum Nürburgring führte, liegen etwa 120 Jahre zurück. Ab Ende des 19. Jahrhunderts kamen in Europa erstmals Rennveranstaltungen auf, meist ausgetragen auf öffentlichen Straßen. Automobiler Wettbewerb wurde immer beliebter, und auch der deutsche Kaiser wollte den Motorsport in seinem Land etablieren. So kam es bereits im Juni 1907 bei Bad Homburg zum großen Kaiserpreis-Rennen.

Nach dieser Veranstaltung wurde deutlich, dass es in Deutschland ein Übungsfeld für Motorsportler brauchte: Eine Rennstrecke musste her. Geeignete Orte wurden ausgewählt, darunter auch die Eifel, allerdings machte der Ausbruch des Ersten Weltkriegs alle Planungen und Gedankenspiele zunichte.

Nur wenige Jahre nach diesem verheerenden Weltenbrand kamen im Deutschen Reich zur Zeit der Weimarer Republik wieder Motorsportveranstaltungen auf – eine davon unweit des damaligen Landkreises Adenau, genauer gesagt bei Nideggen nahe Düren. Hier wurden ab dem Jahr 1922 Wettbewerbe veranstaltet, die auf einer rund 33 Kilometer langen Strecke über öffentliche Straßen führten.

Grundstein Nürburgring - 1925
Nürburgring Schmitz

Erste Planungen für neue Rennstrecke

Diese Rennen, zu denen teils mehrere Zehntausend Zuschauer kamen, wurden als Eifelrundfahrt international bekannt. Obwohl diese Veranstaltungen ein großer Erfolg waren, genügte die Strecke nicht den Anforderungen, war Motorsport auf öffentlichen Straßen doch zu gefährlich, zu unpraktisch und letztlich auch zu kostenintensiv. Wie auch vor dem Krieg kamen Planungen für eine geeignete Rennbahn auf, jedoch wurde – meist aus Kostengründen – wiederum keine davon realisiert.

Eine entscheidende Figur in dieser Zeit war der Kaufmann Hans Weidenbrück aus Bonn, der Jagdpächter im Gebiet der Nürburg. Nachdem er eine der Eifelrundfahrten besucht hatte, kam ihm die Idee, Straßen im Gebiet rund um die Nürburg zusammenzuschließen und die Rennen auf dieser Strecke auszutragen.

Um der umfangreichen Idee den notwendigen Rahmen zu geben, führte Weidenbrück Gespräche mit Lokalpolitikern und gründete Ende Januar 1925 den Automobilclub von Adenau, organisiert im bereits seit dem Jahr 1903 existierenden ADAC. Der zu diesem Zeitpunkt noch kommissarische Landrat des äußerst armen Kreises Adenau, Dr. Otto Creutz, wurde der Vorsitzende dieses Vereins.

Begeistert von der Idee einer Rennstrecke in seinem verarmten Landkreis, übernahm er den Grundgedanken von Hans Weidenbrück, fügte allerdings noch ein entscheidendes Detail hinzu, wodurch in der Folge das entstand, was wir heute als Nürburgring kennen: Die Rennbahn sollte in sich geschlossen und permanent sein, also nicht wie in Nideggen aus öffentlichen Straßen bestehen. Hieraus entstand die Idee der "Ersten Deutschen Gebirgs-Renn- und Prüfungsstraße für Kraftfahrzeuge im Kreise Adenau" – ein sperriger, aber zutreffender Name. Creutz nahm das Projekt in seine Hände und stellte erste Kontakte zu den wichtigen Stellen her.

Kurzchronik: Von der Idee bis zur Eröffnung- 1907: Erste Überlegungen zum Bau einer Rennstrecke nach dem Kaiserpreis-Rennen im Taunus.
- 1922: Austragung des ersten Eifelrennens bei Nideggen. Bei einer der Ausgaben der Eifelrundfahrt entstand die Idee, auch im Kreis Adenau Rennen zu veranstalten.
- 31. Januar 1925: 31. Gründung des Automobil-Club Adenau durch den Bonner Hans Weidenbrück, der eine Rennbahn auf den Straßen rund um die Nürburg anregt. Landrat Dr. Otto Creutz entwickelt die Idee zu einer geschlossenen, permanenten Rennstrecke weiter. Der Kreistag Adenau stimmt dem Bau zu, Berlin erkennt das Projekt wenig später als Notstandsmaßnahme an.
- 13. Juni 1925: Das Ingenieurbüro Gustav Eichler aus Ravensburg übernimmt die Bauleitung.
- Juli 1925 Beginn der großen Bauarbeiten, bis zu 2.300 Arbeiter sind zeitweise im Einsatz.
- 27. September 1925: Grundsteinlegung durch Dr. Johannes Fuchs, Oberpräsident der Rheinprovinz.
- 30. Oktober 1925: Einführung des Namens "Nürburgring" (ursprünglich "Nürburg-Ring").
- 18./19. Juni 1927: Offizielle Eröffnung mit dem Eifelrennen. Rudolf Caracciola siegt auf Mercedes-Benz.

Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in der Eifel

In den Wochen danach fanden zahlreiche Besprechungen mit Politik und Verbänden statt. Zu einer weiteren wichtigen Zusammenkunft kam es Mitte April 1925 im Wohlfahrtsministerium in Berlin, bei der es um die Finanzierung des Projekts ging – der Kreis Adenau war schließlich bitterarm und hätte ein solches Projekt niemals selbst auf die Beine stellen können.

Das Vorhaben wurde daher in der Folge als "große Notstandsarbeit im Rahmen der produktiven Erwerbslosenfürsorge" geplant, vereinfacht gesagt als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und damit zu einem guten Teil durch staatliche Gelder finanziert. Für das riesige Projekt konnten dadurch Erwerbslose aus den umliegenden Regierungsbezirken herangezogen werden, von denen viele als Ärmste der Armen ein bisher elendiges Dasein fristeten.

Beim Bau des Nürburgrings wurden sie für die jeweiligen Tätigkeiten angelernt. Sie verdienten dringend benötigtes Geld, welches sie zum Teil schon in der Region ließen, sie hatten ein weltweit bekanntes Bauprojekt im Lebenslauf und vor allem: Sie bauten etwas, was auch noch Jahre und Jahrzehnte später wirtschaftliche Kraft in die Eifel bringen würde.

Möglich wurden diese Überlegungen vor allem durch die Kontakte von Otto Creutz, seit März 1925 auch hauptamtlicher Landrat des Kreises Adenau, zur Reichsregierung nach Berlin – und dadurch, dass Erich Klausener, Ministerialdirektor im Preußischen Wohlfahrtsministerium, einige Jahre zuvor selbst passenderweise Landrat in Adenau gewesen war und daher die desaströse Lage des Kreises kannte.

Nürburgring Historie - 1920er Jahre
Ullstein Bild via Getty Images

Zeit der Entscheidungen

Die grundlegenden Gespräche liefen, erste Pläne wurden erstellt, und auch wenn zentrale Organe noch keine Entscheidung über den Bau der Rennstrecke getroffen hatten, war bereits im Frühjahr 1925 klar, dass im Kreis Adenau in den folgenden Jahren große Dinge geschehen würden.

Als sichtbare Etappe dieses Projekts fanden Ende April 1925 die ersten Arbeiten statt. 60 Mann stellten am Galgenkopf, einer Erhebung zwischen Nürburg und Döttingen, Kleinschlag her. Auch wenn es nicht zum Bau der Strecke gekommen wäre – die endgültige Entscheidung stand wie gesagt noch aus –, hätten diese Arbeiten gerechtfertigt werden können. Aus heutiger Sicht stellen sie die ersten Bauarbeiten zum später "Nürburgring" genannten Werk dar, weswegen der 27. April 1925 als der Geburtstag der Eifelrennbahn gilt.

Danach begann eine Zeit der Entscheidungen, um die Idee einer Rennstrecke final auf den Weg bringen zu können. Im Vorfeld mussten die Verantwortlichen noch Überzeugungsarbeit leisten, um ein solch gigantisches Projekt im damaligen Landkreis Adenau zu verwirklichen, denn vor allem aufgrund der desolaten finanziellen Situation des Kreises war der Plan zum Bau einer Rennstrecke kein Selbstläufer.

Adenau war damals als der ärmste Kreis im Land Preußen bekannt, die Menschen fristeten ein Dasein voller Entbehrungen und konnten sich von dem, was die Landwirtschaft ihnen gab, kaum ernähren. Viele Menschen wanderten aus, es gab kaum Industrie, und trotz verschiedener politischer Initiativen konnte die Not der Menschen nicht gelindert werden.

Nürburgring Historie - 1920er Jahre
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Förderung des Motorsports

In einer solchen Situation erschien der Bau einer Rennstrecke so manchem Betrachter auf den ersten Blick etwas weit hergeholt. In weiser Voraussicht wussten Creutz und seine Mitstreiter jedoch, dass eine Rennbahn eine zwar ungewöhnliche, aber dauerhafte Lösung der wirtschaftlichen Probleme der Menschen im Sorgenkind Kreis Adenau bedeuten würde – warum, werden wir gleich noch sehen.

Eine wichtige Etappe auf dem Weg zur Lösung dieser vielen Probleme war die geschichtsträchtige Sitzung des Kreistags am 18. Mai 1925. Sicherlich wurde im Vorfeld viel diskutiert und verhandelt, es wurden Details besprochen und auch zahlreiche Fragen geklärt – offensichtlich eine erfolgreiche Zeit, denn der Bau der Strecke wurde tatsächlich beschlossen.

Aus heutiger Sicht stellt sich natürlich die Frage, welche speziellen Gründe die Mitglieder des Kreistags dazu bewegten, einem solch gigantischen Projekt in ihrem herrlich schönen, gleichzeitig aber bitterarmen Landkreis zuzustimmen. Diese bezeichne ich zusammengefasst gerne als den "Creutz’schen Urzweck".

Der erste dieser Gründe betrifft den eigentlichen Sinn einer Rennstrecke, nämlich die Förderung des Motorsports. Die damals in Europa bestehenden Rennbahnen waren meist Hochgeschwindigkeitsstrecken, jedoch war keine davon eine gnadenlose Prüfungsstraße, wie sie die Verantwortlichen des Kreises Adenau im Sinn hatten.

Versuchsstrecke für Autohersteller

Der Gedanke war, eine Rennbahn zu bauen, welche sowohl von den Fahrern als auch von den Rennwagenkonstrukteuren absolute Perfektion verlangte und die für Mensch und Maschine eine bisher auf der Welt nicht dagewesene Herausforderung darstellte. Steigungen, Gefälle, Querneigungen, Höhenunterschiede, Sprungkuppen, Kurven unterschiedlichster Radien und vor allem die geplante Länge von fast 30 Kilometern unterstrichen den Charakter der Strecke als Prüfungsstraße. Zudem würde der deutsche Motorsportnachwuchs auf dieser Strecke ausgebildet werden – wer auf dem Nürburgring erfolgreich war, sollte überall erfolgreich sein können.

Der zweite Grund: Die extremen Eigenschaften der Strecke sollten auch den Automobilherstellern zugutekommen – der damals noch jungen Industrie sollte eine in sich geschlossene und von jeglichem öffentlichen Verkehr abgetrennte Versuchsstrecke für ihre Produkte gegeben werden.

Als eine solche wurde der Nürburgring geplant, und jeder, der schon einmal auf der Nordschleife unterwegs war, weiß es: Diese Strecke beansprucht jedes noch so kleine Teil an einem Fahrzeug und ist daher auch heute noch das ideale Testfeld, auf der die Hersteller ungestört ihre neuen Erzeugnisse ausprobieren können. Zudem würde eine solche Teststrecke mit Fahrerlager, Boxen und Tankstellen sowie der weiteren Infrastruktur alle technischen Voraussetzungen bieten, die die Industrie für ihre künftigen Tests benötigte.

Was Creutz im Sinn hatte, war jedoch mehr als eine Rennstrecke, die um ihrer selbst willen gebaut wurde. In erster Linie –und damit sind wir beim dritten und für den Landrat wichtigsten Aspekt des "Creutz’schen Urzwecks" – hatte er seinen Kreis im Blick, den er sonst in bitterster Armut versinken sah. Ihm ging es mit dem gesamten Projekt vor allem darum, einen Anziehungspunkt zu schaffen, der Touristen und damit Geld in die Region bringen würde.

Über den Autor: Alexander KraßSeit einer spontanen Runde auf der Nordschleife vor fast 20 Jahren ist der deutsch-luxemburgische Diplom-Theologe Alexander Kraß vom Nürburgring fasziniert. Dort ist er unter anderem als Moderator und Kommentator bekannt, seine besondere Begeisterung gilt jedoch der langen Geschichte der Eifelachterbahn. In seinen Büchern, Artikeln und Vorträgen geht es ihm vor allem darum, die Historie dieser weltweit einzigartigen Rennstrecke auch in der heutigen Zeit lebendig zu halten und zu dokumentieren. Neben aller Begeisterung für die Geschichte greift er auch gerne selbst ins Lenkrad und genießt Runden auf der schwierigsten und schönsten Rennstrecke der Welt.

Einnahmen durch Rennbesucher

Zwar verirrten sich zur damaligen Zeit immer wieder Wanderer in die Region rund um die Nürburg, von ihnen leben konnten die Menschen dort aber nicht. Um einen stabilen Wirtschaftszweig aufzubauen und Arbeitsplätze zu schaffen, mussten deutlich mehr Touristen in die Hocheifel kommen.

Im Gegensatz zu Wanderern würden sich Rennbesucher an mehreren Wochenenden im Jahr auf den Weg in die Eifel machen, hier in Hotels und Privatpensionen übernachten, in Restaurants gehen, Eintrittskarten kaufen, gegebenenfalls eine Runde auf der Strecke fahren, sie würden hier tanken, einkaufen und vieles mehr – und dabei eine wichtige wirtschaftliche Kraft in die Region bringen, so wie es der Tourismus an unzähligen Orten der Welt tut. Und vor allem: Sie würden wiederkommen.

Diese Aspekte überzeugten die Mitglieder des Kreistags in Adenau, sodass sie den Bau der Strecke einstimmig beschlossen. Dieses deutliche Votum war ein wichtiges Signal, dass das Projekt wirklich gewollt war. Nachdem diese zentrale Hürde im Mai 1925 genommen werden konnte, ging es in großen Schritten weiter. So wurde beispielsweise bereits im Juni die Bauleitung an Architekt Gustav Eichler übertragen.

Doch es gab auch Widerstand: Im Juli mussten sich die Verantwortlichen einer Einspruchsversammlung von Naturschutzverbänden und weiteren Vereinen stellen, welche die Eifellandschaft und das romantische Wanderidyll in Gefahr sahen – die Einwände wurden jedoch abgewiesen.

Grünes Licht für die Zukunft

Am 13. August 1925 erfolgte schließlich die Genehmigung des Rennstreckenbaus als große Notstandsarbeit seitens des Ministeriums, ebenso wurde die landespolizeiliche Baugenehmigung erteilt. Schon am darauffolgenden Tag konnten die Verträge mit den vier Firmen, welche die final über 28 Kilometer lange Strecke in ihren jeweiligen Baulosen realisieren würden, abgeschlossen werden.

Die Arbeiten waren bereits seit einigen Wochen in vollem Gange, als sich am 27. September 1925 Politprominenz, Sportfunktionäre sowie zahlreiche Vertreter der Presse versammelten. Ein großer Moment stand an: Dr. Johannes Fuchs, Oberpräsident der Rheinprovinz, zelebrierte nahe der Stelle, an der ab Mitte 1927 die Rennen gestartet werden sollten, die Grundsteinlegung. Auch heute steht der Stein noch nahe seinem ursprünglichen Standort und kann dort seit fast 100 Jahren bewundert werden – was wir auf diesem jedoch nicht finden können, ist der Name der Rennstrecke.

Zu dem seit fast 100 Jahren in der ganzen Welt bekannten Namen "Nürburg-Ring", damals tatsächlich noch mit Bindestrich geschrieben, kam es erst Ende Oktober. Dieser wurde durch einen Vorschlag im Rahmen eines Preisausschreibens gefunden, der glückliche Gewinner war Regierungspräsident a. D. Dr. Francis Kruse. Sein Vorschlag verband den Namen der mittelalterlichen Burg, deren Standort schon den Römern ein wichtiger Orientierungspunkt gewesen sein soll, nicht nur mit der automobilen Zukunft, sondern vor allem mit der Zukunft einer ganzen Region.

Die politischen Hürden waren genommen, die Finanzierung stand, der Grundstein war gelegt, und ein Name war gefunden. Von nun an bestimmten Baumaschinen, Steinbrüche und zu Spitzenzeiten rund 2.300 Arbeiter gleichzeitig das Bild der Hocheifel. Das entstehende Werk betrachtend, freuten sich die Menschen im Kreis Adenau sowie die gesamte Motorsportwelt auf das, was in weniger als zwei Jahren eröffnet werden würde.

Fazit