F1-Reporter Michael Schmidt im Unruhestand: So ganz geht er nicht!

Michael Schmidt im Unruhestand
So ganz geht er nicht!

ArtikeldatumVeröffentlicht am 21.12.2025
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Kollegen kommen und gehen. Dass einer von ihnen hier mit einem eigenen Beitrag verabschiedet wird, kommt eher selten vor. Aber in diesem Fall ist es nicht nur angebracht, sondern mehr als verdient. Michael Schmidt, das Gesicht der Formel-1-Berichterstattung unseres ganzen Verlagshauses, hat das Rentenalter erreicht und wird uns künftig leider etwas seltener mit seinen Geschichten beglücken.

Bei seinem vorerst letzten Rennen in Abu Dhabi hat sich bereits der ganze Grand-Prix-Zirkus vor ihm verneigt. Es gab Applaus, anerkennende Worte, eine Party mit viel Prominenz und alten Freunden. Und F1-Boss Stefano Domenicali überreichte "Schmidti" einen Pass, der ihm die Tore zum Fahrerlager für den Rest seines Lebens öffnet. Wer den rasenden Reporter kennt, der weiß, dass er kein Fan davon ist, im Mittelpunkt zu stehen. Er hat es tapfer ertragen. Und manch einer sagt, er hätte sogar ein paar Emotionen gezeigt.

Aufmerksamkeit auf seiner Person ist gar nicht sein Ding. Ich erinnere mich noch gut an ein Rennen in Bahrain vor vielen Jahren, als ich die anderen Journalisten-Kollegen per Tweet auf seinen Geburtstag aufmerksam gemacht hatte. Wenige Minuten nach Absenden des Posts kam er total aufgebracht ins Pressezentrum gestiefelt: "Tobi, lösch' das sofort wieder! Mir wollen hier alle gratulieren. So kann ich nicht arbeiten!" So sauer habe ich ihn selten gesehen.

Michael Schmidt & Tobias Grüner - GP Abu Dhabi 2025
ams

F1-Reporter mit Kultstatus

Seit 2009 gehen wir zusammen auf Reisen. 18 gemeinsame Jahre. Tausende Kilometer um die Erde geflogen. Viele spannende Abenteuer erlebt. Alles von ihm gelernt, was man über den Sport und den Beruf wissen muss. Mehr Zeit mit ihm verbracht als mit der eigenen Frau. Und immer sofort in die geheimsten Geheimnisse eingeweiht worden. Volles Vertrauen, volle Loyalität und volle Unterstützung. Dafür kann ich ihm nicht genug danken.

Auch bei unseren Lesern hat Michael Schmidt Kultstatus erreicht, wie man aus vielen Zusendungen und Kommentaren unter seinen YouTube-Videos herauslesen kann. Seine Jahrbücher, die am Ende der Saison in den Handel kommen, sind immer sofort ausverkauft. Seine auto motor und sport Sonder-Editionen, ob zu Fahrern, Teams oder anderen Formel-1-Jubiläen, werden stets zu beliebten Sammlerobjekten.

Schmidti hat ein halbes Jahrhundert für und mit der Königsklasse gelebt. Abu Dhabi war Rennen Nummer 750. Damit hat er fast zwei Drittel aller jemals gefahrenen Grands Prix an der Strecke verfolgt. Das geht nur mit Leidenschaft – und auch mit einer guten Portion Leidensbereitschaft. Gerne erzählt er von den alten Zeiten, in denen es noch kein Google Maps gab und transkontinentales Fliegen etwas ganz Besonderes war. Für Reisen in andere Welten, wie die nach Japan in den 80ern oder nach Budapest, zum ersten Rennen hinter dem Eisernen Vorhang (1986), brauchte man schon eine gute Portion Neugier und Abenteuerlust.

Norbert Haug & Michael Schmidt 1987
ams Archiv

Norbert Haug erkannte das Talent

Zu seinem zweiten Grand Prix in Monza tuckerte er 1977 noch als Fan im kleinen Fiat aus seiner bayerischen Heimat über die Alpen. Ab 1981 machte er das Hobby zum Beruf. Zunächst als Freier Journalist, ab 1987 dann fest angestellt bei der Motor Presse Stuttgart. Norbert Haug, damals Chefredakteur von sport auto, sicherte sich die Dienste des jungen Schreiberlings, der nicht aufhören konnte, in die Tasten zu hauen.

Mittlerweile ist er zu einer echten Legende des Fahrerlagers geworden. Die meisten meiner Kollegen halten ihn für den bestinformiertesten Journalisten der Formel-1-Welt. Und das, obwohl Schmidti bis zuletzt auf ein eigenes Handy verzichtet hat. Fragen Sie mich nicht wie, aber irgendwie hat er es geschafft, ohne Mobiltelefon immer erreichbar zu bleiben und auch ohne eigene Accounts in den sozialen Netzwerken zu einer Marke zu werden.

Die Handy-Allergie war nur eine von vielen Marotten. Eine Uhr? "Würde mich am Handgelenk nur nerven." Einen Rucksack: "Finde ich schrecklich!" Online-Banking oder Geldautomaten? "Viel zu unsicher!" Bargeld wird nur am Bankschalter oder in Wechselstuben geholt. Auch mit seinem Notebook stand Schmidt meistens auf Kriegsfuß, dabei hatte er früher mal Informatik studiert.

Michael Schmidt
Ferrari

Faszination Formel-1-Technik

Beim Thema Formel-1-Technik war er kurioserweise immer auf dem neuesten Stand. Komplizierte Aerodynamik-Tricks hatte er oft schneller entschlüsselt als die Mehrheit der Ingenieure. Es war für mich immer wieder beeindruckend, wie tief er in der Materie drinsteckte. Ich erinnere mich noch an einen Streit über mögliche Tricksereien bei der Ansaugtechnik. Er schrieb daraufhin einen Artikel über Walzenschieber und Schmetterlingsklappen, bei dem auch ich irgendwann ausgestiegen bin.

Man müsse den Leser manchmal auch etwas überfordern, lautete sein Credo. Ein Nerd schrieb Geschichten für viele andere Nerds. Lange Abhandlungen, gerne auch noch mit einer Tabelle am Ende, die selbst das Excel-Programm an seine Grenzen brachte. Die Formel 1 wird durch Zahlen erst erklärbar, von G-Kräften über Abtriebspunkte bis zu Sektorzeiten. Es gibt kaum etwas, worüber er sich mehr ärgerte als das heutige Technik-Reglement, in dem alle Dimensionen mit CAD-Formeln beschrieben werden, die kein normaler Mensch entschlüsseln kann.

Am Kampf der Menschen mit ihren Maschinen faszinierten Michael Schmidt zuerst die Autos und die Technik. Danach kamen dann irgendwann auch die Helden hinter dem Lenkrad. Deshalb schwärmt er heute auch noch von verrückten IMSA-Zeiten, in denen fast alles erlaubt war, oder von den Ausdauerschlachten in Le Mans. Bitte keine Rennserien mit Einheitsrennwagen!

Bernie Ecclestone & Michael Schmidt
xpb

Auf Augenhöhe mit den F1-Bossen

Einen direkten Draht fand er aber nicht nur zu legendären Ingenieuren, wie Adrian Newey, Mario Illien, John Barnard, Paul Rosche oder Ross Brawn, sondern auch zu vielen Piloten. Sein guter Kumpel Nelson Piquet lädt ihn jedes Jahr auf seine Ranch in Brasilia ein, wo er dann ein paar freie Tage verbringen darf. Max Verstappen ist auch meistens vor Ort. Gerhard Berger, Sebastian Vettel, Niki Lauda – zu vielen Fahrern hielt er auch nach der aktiven Karriere den Kontakt.

Am faszinierendsten war für mich aber immer, wie Schmidti mit den wirklich Mächtigen der Formel 1 auf Augenhöhe diskutierte. Ob F1-Bosse, FIA-Präsidenten oder Teamchefs – alle waren immer interessiert an seiner Meinung. Lobende Worte konnte man sich durch ein gutes Verhältnis mit ihm aber nicht erkaufen. Wenn Kritik nötig war, wurde sie auch angebracht. Jeder bekam irgendwann mal sein Fett weg. Klagen gab es aber nie.

Ich bin 2009 mit dem Plan in meine erste Formel-1-Saison als Nachwuchsredakteur gegangen, ihm einfach alles nachzumachen. Kann ja so schwer nicht sein, dachte ich. Doch beim zweiten Rennen in Malaysia ließ mich Ferrari-Teamchef Domenicali im Fahrerlager einfach abblitzen. Da wusste ich, dass man nicht nur schlaue Fragen stellen muss, sondern dass es auch viel Zeit und Geduld braucht, bis der nötige Respekt und das Vertrauen aufgebaut sind.

Michael Schmidt
ams Archiv

Wie geht's jetzt weiter?

Dank unserer Zusammenarbeit habe ich auf diesem Weg einige Abkürzungen nehmen dürfen. Einen zweiten Michael Schmidt wird es aber niemals geben. Das fängt schon damit an, dass heute keiner mehr 24 Wochenenden für die Formel 1 opfern will. Und fast kein Arbeitgeber bereit ist, das Grand-Prix-Vollprogramm zu bezahlen.

Es war mir eine Ehre, so lange sein Wingman sein zu dürfen. Sein Navigator, sein IT-Experte, sein YouTube-Stichwortgeber, sein Kollege und sein Freund. Daran wird sich hoffentlich nichts ändern, auch wenn sich unsere Wege nun wohl etwas seltener kreuzen. Es war ein wilder Ritt, den ich jederzeit noch einmal starten würde.

Wie es weitergeht, ist noch nicht ganz klar. Er habe die ganze Welt gesehen, sagt er. Jetzt müsse er erstmal ein paar unbekannte Ecken in Deutschland erkunden. Bei vier Rennen will er sich aber nächstes Jahr noch einmal blicken lassen. "Aber nur bei Rennen, die auch Spaß machen." So ganz verlässt er die Bühne hoffentlich nicht. Deshalb sagen wir auch nicht endgültig Tschüss, sondern auf Wiedersehen – und natürlich Servus!