Deutschland und die Königsklasse – das war Anfang der Achtziger alles andere als eine Liebesbeziehung. Zwar zeigten BMWs Turbomotoren, dass die Bundesrepublik bei der Technik auf Weltniveau agiert. Aber am Lenkrad gestaltete sich die Lage düster. Hans-Joachim Stuck hatte sein F1-Abenteuer bereits 1979 aufgegeben. Routinier Jochen Mass manövrierte sich mit unterklassigem Material um die Kurven. Und der noch unverbrauchte Schwabe Manfred Winkelhock versuchte meist vergeblich, das deutsche ATS-Team voranzubringen.
In der Ferne machte sich allerdings eine Hoffnung auf. Stefan Bellof, Sprössling einer rennverrückten Familie, erklomm nach erfolgreichen Kartsport-Jahren die Formel-Leiter. Schon damals funktionierte Talent nur im Zusammenspiel mit Geld sowie politischem Geschick. Beide Nebenaspekte sollten den Aufstieg des – positiv gemeint – unbekümmerten Bellof wiederholt zurückwerfen. Doch eine Allianz aus überzeugten Unterstützern hielt den jungen Traum am Laufen.
Der Österreicher Walter Lechner senior brachte dem Gießener das Handwerk bei, Journalist Rainer Braun hatte die nötigen Szenekontakte im Notizbuch, und vom Formel-3-Teamchef Bertram Schäfer bekam der "pfenniglose" Junior gar einen Extraeinsatz gewährt. Außerdem halfen die guten Beziehungen des älteren Bruders Georg ("Goa"), der selbst kurz vor einer größeren Karriere stand.
Nebenjob: Gruppe-C-Gott
Alle Konzentration wanderte jedoch auf den Blondschopf Stefan. Nach hart erkämpften Erfolgen im Unterbau stand die bis dahin schwierigste Hürde an: der Aufstieg in die Formel-2-EM 1982. Eine riesige finanzielle Kraftanstrengung eröffnete ein Cockpit bei Willy Maurer. Bellof nutzt die Chance und gewinnt den Saisonauftakt von Silverstone.
Sofort wurden Parallelen zur Legende Jochen Rindt gezogen. Der Mainzer stürmte wie der Gießener in die zweite Liga. BMW-Funktionär und Bellof-Förderer Dieter Stappert beschrieb: "Beide haben sich nicht um Ruf oder Konventionen geschert, und beide hatten unglaubliche Reflexe."
Auf den anschließenden Hockenheim-Sieg folgte ein Hin und Her. Unfälle, darunter ein recht glimpflich geendeter Abflug in Eau Rouge, verhinderten Größeres. Sein wie zu Kartzeiten furioser Fahrstil sollte die Fanherzen erobern. Bei den Gegnern machte sich Bellof aber keine Freunde. Förderer Rainer Braun dokumentierte das sorglose Motto für die Ewigkeit: "Du musst nur ordentlich Gas geben, sonst nichts."
- Geburtsort: Gießen
Karriere
- 1980: Deutscher Kartmeister
- 1980/1981: Siege und Titel in der Formel-Ford-Szene
- 1981: Platz 3 der Dt. Formel 3
- 1982/1983: Siege und Podien für das Maurer-Formel-2-Team
- ab 1982: Sportwageneinsätze in der DRM und WM
- 1983: Nordschleifen-Rekord im Qualifying und Rennen
- ab 1984: Formel-1-Starts, bester Platz: 4. (Detroit 1985)
- 1984: Weltmeister auf der Langstrecke für Porsche
Bellof wird Porsche-Werksfahrer
Parallel öffnete Stefan Bellof das Kapitel Sportwagen: Porsche berief den Youngster in seinen WM-Kader und sollte die durchaus mutige Wahl des Mittzwanzigers nicht bereuen. Während Technikzoff die F2-Saison 1983 zu einer Qual machte, wirbelte Bellof durch die Altherren-Szene. Auf Anhieb glänzte er in den beängstigend schnellen Gruppe-C-Rennern. Obwohl seine Premierensaison viele Erfolge aufwies, sollte sich das "Wunderkind" mit einem sieglosen Wochenende in die Geschichtsbücher eintragen.
Im Qualifying für das 1.000-Kilometer-Rennen in der Eifel durchbrach Bellof die 200-km/h-Schallmauer der Nordschleife. Zunächst dachten viele an einen Fehler der Zeitnahme. Doch bei den 6.11,13 Minuten handelte es sich um die Realität – und um eine Ohrfeige für die alte Garde. Im Lauf selbst legte Bellof ebenfalls eine Rekordzeit hin. Später zerstörte er den Porsche 956 spektakulär. Typisch Stefan Bellof.
1984 stand der F1-Traum vor der Erfüllung. Ein McLaren-Test im Herbst 1983 stattete den Youngster mit guten Referenzen aus. Die Suche gestaltete sich dennoch schwierig. Fast hätte er resigniert und sich auf die Sportwagen konzentriert. Doch dann nahm sich Ken Tyrrell ein Herz und setzte den deutschen Shootingstar neben die englische Hoffnung Martin Brundle.

Durch sein Talent und seine furchtlose Fahrweise erreichte Stefan Bellof schon früh eine große Popularität bei den Fans.
Von der Ewigkeit überholt
Porsche hatte durch Tyrrells Beharren auf veraltete Saugermotoren keine Marketingbedenken. In Diensten der Zuffenhausener feierte Bellof den Titel des Langstrecken-Weltmeisters. Außerdem triumphierte er für Brun in der Deutschen Rennsport-Meisterschaft.
Die Königsklasse bot ihm trübe Aussichten. Wegen der konventionellen Ford-Antriebe waren Bellof und Brundle für die Belanglosigkeit bestimmt. Trotzdem holten beide viel raus. Bellof feierte in Zolder den ersten Punkt. Im regnerischen Monaco düpierte er die Turbo-Goliaths und lief als Dritter ein. Dabei kassierte der fliegende Junior sogar Ferrari-Star René Arnoux. Rainer Braun zitierte ein euphorisches Telefonat: "Dem Arnoux mit seiner Ferrari-Schleuder habe ich gezeigt, wo im Regen gebremst wird." Es folgte doppelte Ironie.
Erst hatte man Tyrrell nach dem Vorwurf eines illegalen Tankzusatzes aus der Jahreswertung geworfen, wodurch Bellof alle Punkte gestrichen wurden. Später nahm dann Ferrari Kontakt zu ihm auf. Bevor sich der rote Deal anbahnte, zerstritt sich Bellof zunächst mit Ken Tyrrell. Sponsor-Chaos kostete ihm den Saisonstart 1985. Das Versprechen eines Turbomotors in der zweiten Hälfte versöhnte.
Dessen Potenzial konnte Bellof nie ausreizen. Beim Sportwagenrennen in Spa funkte das Schicksal dazwischen. Als Brun-Pilot legte er sich mit Werksfahrer Jacky Ickx an. Die Intensität des Duells war hoch – und unnötig: Beide hätten Sprit sparen müssen.
Am 1. September 1985 ging es um die Ehre. Sie kollidierten in Eau Rouge. Der Mix aus einem fiesen Winkel und einer zu rustikalen Begrenzung raubte Stefan Bellof das Leben und einem Land nur wenige Wochen nach dem Unfalltod Manfred Winkelhocks seine ganze Hoffnung. Doch die Strahlkraft des Shootingstars verglühte nie.





