Am Anfang stand etwas Überragendes. Nein, nicht in der Automobilgeschichte, so pathetisch wird es nicht. Sondern auf dem Hof der Autowelt Michael im niedersächsischen Beckdorf, einem unserer Lieferanten für Gebrauchtwagen, die meist eher vernünftig ausfallen. Diese reichen dem schwarzen Ungetüm gerade mal bis zur Fensterlinie, das sich darauf stützende Dach verriet schon aus der Entfernung: G-Modell (der schon etwas gesetztere Autor verfällt immer noch gern in diese nur bis 1993 übliche Bezeichnung). Der nähere Blick auf die Flanken besagt: V8 BiTurbo – also AMG. Kurz die Redaktion kontaktiert, alles klar, das wird der nächste Gebrauchte. Aber bitte nicht nur die Spaßmobile von AMG oder Brabus, sondern die gesamte Baureihe, zumindest die neuzeitliche.
Also doch noch ein bisschen Autogeschichte, schließlich erfolgte der Urknall des G-Mod..., Pardon, der G-Klasse bereits 1979. Dies ist durchaus wörtlich zu nehmen, denn die Entwicklung in Zusammenarbeit mit Steyr-Daimler-Puch erfolgte fürs Militär. Doch die Bundeswehr befand den G für zu schwer und zu teuer, daher gab man dem VW Iltis den Vorzug. Vorläufig, denn später schob der Mercedes unter dem Tarnnamen Wolf doch noch Dienst in Oliv. Was 1979 als karge Militärmaschine startete, legte ab Anfang der 90er immer mehr an Luxus zu. Trotzdem ist sich die G-Klasse über die Jahre stets treu geblieben, behielt ihre hervorragenden Geländeeigenschaften auch in den potenten AMG-Versionen – sofern passende Reifen montiert waren.
Aktuelle Pseudo-Geländewagen überragt die G-Klasse wie ein preußischer Offizier, aufrecht und gerade. Eine Kaufberatung über ein rollendes Monument? Geht das überhaupt? Schließlich kann sich ja jeder glücklich schätzen, der eine Mercedes G-Klasse besitzt. Oder ist sie am Ende doch nur ein gewöhnliches Auto?
Karosserie: Massiv, aber auch rostgefährdet
Die G-Klasse ist eine stabile Konstruktion. Zwei schwere Starrachsen, ein solider Leiterrahmen, zahlreiche Versteifungen – so was hält sicher ewig? Die Qualitätsanmutung ist extrem solide, jeder Hebel wirkt massiv wie aus einem alten Eisenbahn-Stellwerk. Auch wer je einen G von unten gesehen hat, fühlt sich an Schwermaschinenbau erinnert. 1990 erschien die erste große Modellpflege – der W 463 als neue, rein zivile Ausführung mit permanentem Allradantrieb. Damit begann auch die Verbreitung der G-Klasse in den besseren Wohnvierteln, der viereckige Kasten war plötzlich schick. Das größte Problem des G ist jedoch der Rost. Der Scheibenrahmen, die Türen unter den Dichtungen, der Heckbereich untenrum und über dem Tank, der Vorderachsträger und die Federteller sind die typischen Bereiche. Ob es daran liegt, dass die Autos zu einem großen Teil in Handarbeit entstehen oder dass man es mit dem Korrosionsschutz im Werk in Graz nicht so genau nimmt, bleibt offen. Auch unser Foto-Kandidat zeigt schon erste Ansätze, die nicht so ganz zum ansonsten exzellenten Pflegezustand passen. Die zerklüftete Unterseite der Karosserie speichert jede Menge Schmutz, der dann Feuchtbiotope bildet. Aber auch obenrum sind Fensterrahmen und Türkanten oft von der braunen Seuche betroffen. Rostsucher: Unter den Rückleuchten befindet sich die typische Gammelecke der G-Klasse. Ursache ist dahinter sedimentierender feuchter Schmutz. Gern gammelt der G unter der Dichtung der Frontscheibe, gerade in den unteren Ecken. Ruhig mal darunter nachsehen. Ungewöhnliche Korrosion mitten auf der Tür an der Öffnung des Schließsystems tritt ebenfalls auf.

Trotz der einmalig stämmigen Optik, ist die G-Klasse kompakter als viele moderne Fullsize-SUVs.
Innenraum: Reisen, wie im Tresor
Der W 463 als neue, rein zivile Ausführung bekam 1990 eine etwas wohnlichere Ausstattung wie etwa das Cockpit aus dem W 124. Hier begann die Eloquenz von Leder und Holz, und besagter Erfolg als Privatwagen für gut situierte Stadtbewohner. Sicher auch, weil seine perfekte Übersichtlichkeit Vorteile im Großstadtdschungel bot. Bei der ersten großen Mopf, sprich Modellpflege im Frühjahr 2001, wuchs drinnen das Edelholz in die Breite, der Tacho bekam das Küchenwaagen-Design aus der C-Klasse und die Lenkräder orientierten sich an der jeweils aktuellen E-Klasse. So entstand ein gewisser Stilmix: Uhren im modernen Bling-Bling-Design, kantige Grundform der Instrumententafel als Relikt der 1980er. Die Sitzposition ist kutschig. Es gibt wenig Sitz-Verstellweg für lange Beine, aber das Auto ist sehr übersichtlich. Länge ist relativ: Der Knieraum hält sich in Grenzen, die Bank ist hart, aber gerecht. Es gibt viel Platz für große Hüte. Der Kofferraum hat 480 bis 2.250 Liter. Für viele G-Nutzer ist sicher wichtiger, dass die Anhängelast 3.500 Kilo beträgt. Alles, aber auch wirklich alles, fasst sich schwer und wertvoll an, sodass das Geborgenheitsgefühl schon mit dem charakteristischen Türschließgeräusch beginnt.

In seiner letzten Facelift-Ausbaustufe von 2012 ähnelt das Cockpitdesign der E-Klasse W212, die auch das Infotainment stiftete. Qualitativ ist hier alles aus allerfeinster Güte.
Motoren: Riesige Vielfalt
Das Wörtchen "Antriebsvielfalt" wäre im G maßlos untertrieben, schon allein aufgrund der langen Bauzeit. Los ging es damals im 240 GD mit 72 PS aus dem Taxidiesel des W 123 oder mit 156 PS aus dem 280er-Benziner. Beide waren keine Idealbesetzung, aber im 240er schwang beim Fahren zumindest die Freude darüber mit, dass er sich überhaupt bewegte. Wogegen der 280er mit seiner Rennpferd-Charakteristik in dem schweren Allrad-Gerät völlig fehl am Platz war. Hinzu kamen noch ein 230er mit Vergaser, für die Bundeswehr abgestimmt auf Normalbenzin, das er sich wie der 280er eimerweise hinter die Drosselklappe kippte. Und schließlich der 300 GD mit seinem Fünfzylinder-Vorkammerdiesel OM 617.

Motoren wie dieser 2,5-Liter-Saugdiesel waren schon mit dem verhältnismäßig leichten Bundeswehr-Wolf dezent überfordert. Die heutigen Luxus G-Klassen sind hier deutlich gehaltvoller.
Und schon bald stellte sich heraus, dass diese Motoren, die aus den Limousinen kamen, wo sie zumeist untadelig ihre Arbeit taten, in der schweren G-Klasse überfordert waren. Das besserte sich erst gegen Ende der 80er-Jahre, als die Fünfzylinder-Diesel aus W 201 und 124 in der G-Klasse Einzug hielten. Doch auch sie erreichten in der ungewohnten Umgebung ihre gewohnten Laufleistungen nicht. Was blieb, waren die Motorenprobleme.
Sie verschärften sich ab 1992 sogar noch mit dem ersten Turbodiesel, dem 350 GD Turbo. Denn wie bereits zuvor bei den 250ern und 300ern der Limousinen hatte Mercedes wieder auf einen Ladeluftkühler verzichtet, und das Ergebnis war ein thermisch kranker Motor. 1997 flog der 350 Turbo wieder raus, dafür kam ein 300er. Mit Vierventiltechnik war er endlich standfest. Von den Benzinern darf solches ab ungefähr 1994 behauptet werden. Die schwächlichen Vierzylinder wurden ausgemustert, und mit Einführung des G 320 war der Gelände-Benz dann auch standesgemäß ottomotorisiert.
Im Maschinenraum zog 2001 der erste Turbodiesel-Direkteinspritzer ein, der 270 CDI. An dem gibt’s nichts zu meckern, Leistung, Drehmoment und Verbrauch passen. Beim wenig später nachgereichten 400 CDI auch, doch dieser V8 offenbarte auch diverse Probleme mit Einspritzung, Laufbuchsen und dem Fünfgang-Automatikgetriebe. 560 Newtonmeter waren dann wohl doch etwas zu viel. In ähnlichen Regionen bewegten sich die ab 2006 eingeführten V6-Diesel. Sie bilden so etwas wie die Idealbesetzung im G, mit guten Fahrleistungen bei gemäßigtem Durst.

Kraftpakete wie unser G 63 AMG mit 571 PS sind nicht selten zu finden. Dass der Motor leicht schief im Rahmen sitzt, ist übrigens völlig normal und hat mit der Einbaulage des Verteilergetriebes zu tun.
Und dann wären da noch die AMG. Der erste kam 1999, 354 PS aus dem damals recht verbreiteten 5,5-Liter-V8 schoben die rollende Schrankwand in den Club 200. Diverse weitere Modelle folgten, den Gipfel bildete ab 2012 der G 65 mit einem aufgeladenen Sechsliter-V12, der je nach Baujahr 612 bis 630 PS und 1.000 Newtonmeter stemmte. Beeindruckende Werte, aber die gleichen Fahrleistungen realisiert auch der deutlich leichtere G 63 aus der Autowelt Michael. Seine Eckdaten: 571 PS, 760 Newtonmeter, Erstzulassung März 2017, 113.000 Kilometer, zwei Vorbesitzer, 74.990 Euro.
Getriebe: Je mehr Gänge, desto besser
Handgeschaltete G parken höchstens noch vor dem Forsthaus Falkenau. Viel häufiger sind die bei Mercedes stets selbstkonstruierten Automatikgetriebe anzutreffen. Egal ob mit vier oder fünf Gängen (über die ersten Jahrzehnte) freuen sie sich über einen Getriebeölwechsel mit Spülung alle 60 bis 100.000 Kilometer. Gleiches gilt für die ab 2006 eingeführten V6-Diesel mit der noch stabileren Siebengangautomatik. Das Verteilergetriebe ist selten völlig öldicht. Die Funktion der Sperre sollte geprüft werden. Die Differenzialsperren an den Achsen sind unzuverlässig, weshalb ein Check nötig ist.

Mit Einführung der Siebenstufen-Automatik 2012 erhielt jeder zivile G den elektronischen Wählhebel der AMG-Pkw-Modelle. Zuvor saß hier die charakteristische Zickzack-Automatikkulisse.
Fahrwerk: Schwerst geländegängig
Das mit der Urgewalt ist wörtlich zu nehmen, es ist schon beinahe dekadent, wie aufreizend lässig der V8 den zweieinhalb Tonnen schweren Kasten vom Startblock schnippt. Weniger lässig agiert die Lenkung, deren Präzision eher an die Pinnen von Segeljollen denn an ein Kraftfahrzeug erinnert. Und man muss kurbeln, kleine Lenkeinschläge, die in aktuellen SUV für die meisten Kurven genügen, nimmt der G gar nicht zur Kenntnis. Kurven-Eskapaden unterbindet das ESP im Ansatz. Bei älteren G ist der Fahrer verantwortlich. Das Fahrverhalten ist schwabbelig. Die Lenkung ist unpräzise. Gewisse Kenntnisse auf dem Gebiet der Nautik sind also zu empfehlen.

Die freiliegenden Achskugeln müssen regelmäßig abgeschmiert werden. Nach schmutzintensiven Geländeeinsätzen sollte hier außerdem gezielt gereinigt werden.
Mängel: Rost, und...
Fahrwerksmängel. Eines der häufigsten Probleme bei der Hauptuntersuchung sind ausgeschlagene Fahrwerksteile, wie die Gummis der Achslenker oder die Stoßdämpferaufnahmen. Ein Kapitel für sich bildet die Vorderachse mit ihren Gelenkkugeln und den darin befindlichen Antriebswellengelenken. Dort gehören pro Seite 400 Gramm eines bestimmten Radlagerfetts nach Mercedes-Betriebsstoffvorschrift 267.1 hinein. Rinnt es in größeren Mengen heraus, deutet das auf defekte Lager der Achsschenkel hin; die Abdichtung selbst macht eher selten Probleme. Die Kugeln der Vorderachse benötigen einen leichten Fettfilm.

An allen Ecken und Kanten (und davon gibt's am G Unmengen) kann sich Rostfraß einnisten. Kleinere Bläschen hier und da sind nach einigen Jahren unvermeidlich, wenn nicht peinlichst auf Konservierung geachtet wird.
Das Verteilergetriebe und die Differenziale haben einen Hang zur Inkontinenz, in manchen Fällen auch das Lenkgetriebe. Dieses und das umfangreiche Gestänge fallen zudem sehr häufig mit zu viel Spiel in den Gelenken auf. Stark gefordert: Lenkgestänge mit Dämpfer und Zwischenhebel, selten wirklich spielfrei. Ein gewisses Maß ist unvermeidlich, aber wenn sich das Lenkrad bei fast voll eingeschlagenen Rädern und abgeschaltetem Motor mehrere Zentimeter ohne Widerstand hin- und herdrehen lässt, ist das Lenkgetriebe austauschreif. Wann das eintritt, lässt sich nicht vorhersagen, aber Lenken im Stand bei 295er-Reifen und bis zu 800 Kilo Radlast fördert den Verschleiß immens. Das Lenkgetriebe hat ein schweres Leben, wird oft unpräzise oder verliert Öl.
Die Buchsen der Stoßdämpfer werden rissig und austauschreif, der Rost zeigt beginnendes Spiel an. Die Achslenker-Gummis verhärten oder bekommen Spiel, das Fahrverhalten leidet. Die Bremsschläuche werden mit der Zeit porös oder quellen auf – diese sollten ersetzt werden. Die Bremse hat mit dem gewichtigen Benz ihre Mühe, verschleißt zügig.
Preise: Kollossal
Kurzer marktwirtschaftlicher Einwurf: Nach Dienstzeitende wurden die motorisierten Bundeswehr-Kameraden von der Verwertungsgesellschaft VEBEG versteigert, Zuschlagpreise bewegten sich in der Region um 12.000 Euro, mit schwerwiegenden Durchrostungen am Auto auch mal darunter. Und die zivilen Boulevard-Versionen? Nicht erschrecken: 75.000 Euro! Ja, das ist das Preisniveau. Wer zum Beispiel nur 50.000 Euro ausgeben will oder kann, landet schnell bei astronomischen Laufleistungen oder bei Baujahren vor 2010, meistens jedoch beides vereint. Dagegen wirkt unser obsidianschwarzer Bollerwagen fast schon wie ein Sonderangebot.
Rund 1.100 Exemplare vom Mercedes G-Modell werden aktuell online angeboten, zu Preisen ab 5.000 Euro für einen Ex-Bergwerk-Sklaven. Selbst Bastelbuden liegen bereits in fünfstelligen Bereichen. Wer eine halbwegs reelle G-Klasse haben möchte, das sind Exemplare ab etwa Baujahr 2002, muss sogar mit Preisforderungen ab 50.000 Euro rechnen – völlig abgehoben! Das hohe Preisniveau zählt zu den negativen Aspekten. Der Werterhalt ist ausgezeichnet. Für das, was geboten wird, sind die Preise geradezu absurd hoch. Auch dabei überragt die G-Klasse die meisten anderen Autos.












