Kia EV6 GT, Polestar 4 und Tesla Model Y: Warum Effizienz allein keinen Sieger macht

Kia EV6 GT, Polestar 4 & Tesla Model Y im Test
Warum Effizienz allein keinen Sieger macht

ArtikeldatumVeröffentlicht am 28.12.2025
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Nach dem Rauswurf aus dem Weißen Haus kann Elon Musk immerhin behaupten, dort noch ein paar Teslas platziert zu haben. In Europa dagegen bröckeln die Verkaufszahlen. Dabei galt Tesla als Benchmark in Sachen Elektro-Effizienz. Ob das noch stimmt, muss das geliftete Model Y im Vergleichstest gegen den kräftigen Kia EV6 GT und den feinen Polestar 4 zeigen.

Tatsächlich begnügt sich das an Front und Heck stark an den Cybertruck angelehnte Juniper-Modell mit dem Namenszusatz "Maximale Reichweite AWD" im Testschnitt mit 18,7 kWh auf 100 km. Nicht schlecht, und wer den Fahrpedaleinsatz zügelt, kommt mit 14,8 kWh (ams-Eco-Runde) sogar noch deutlich darunter. Daraus resultiert eine Testreichweite von 443 km. Fast genauso weit stromert übrigens der Polestar 4, allerdings schleppt das Long-Range-Modell einen Akku mit 100 kWh statt der 78 kWh des Tesla mit sich herum. Und der Kia EV6? Nun, dessen Batteriekapazität liegt knapp über Tesla-Niveau. Allerdings versteht er sich als sportlicher GT und opfert Reichweite (358 km im Test) für E-Power.

Kia EV6 GT, Tesla Model Y, Polestar 4
Achim Hartmann

Tesla: Spürbare Fortschritte beim Fahrkomfort

Lange Strecken sind für die Insassen des Model Y jetzt deutlich leichter zu ertragen, denn es hat das Federn gelernt. Nachdem es einem bislang beim Überfahren von Querfugen die Plomben aus den Zähnen geschüttelt hat, schlagen Unebenheiten nun kaum mehr durch. Zudem sperren mehrlagige Scheiben Außengeräusche sehr effektiv aus.

Weniger Fortschritt verzeichnen wir bei der Assistenz: Teslas "Autopilot" agiert weiter kamikazef liegerhaft, lässt sich nur bis 150 km/h nutzen und muss nach jedem Spurwechsel neu aktiviert werden. Statt auf Radar und Lidar setzt Tesla auf kamerabasierte Erkennung – was vor allem bei Regen kaum funktioniert.

Elektronisch angezeigte Tempolimits werden zudem konsequent ignoriert, und das Ausschalten des Geschwindigkeitswarners verlangt wegen der winzigen Touchfläche viel Fingerspitzengefühl.

Tesla Model Y, Cockpit
Achim Hartmann

Bedienung radikal reduziert

Wer dachte, das alte Model Y sei bereits maximal reduziert, wird vom Juniper überrascht: Selbst der Gangwahlhebel verschwindet und wandert als Touchfläche in den zentralen Infotainment-Screen. Spiegel oder Lenkrad einzustellen war dort schon mühsam, und nun ist selbst das Losfahren nur noch ein Menüpunkt. Am Bedienkonzept ändert sich wenig: kein Extratacho oder Head-up-Display und kaum Tasten. Für die Fondpassagiere gibt’s einen eigenen Bildschirm. Wie der vordere Touchscreen reagiert er schnell, ist jedoch teils unübersichtlich gegliedert und zu tief montiert. Eine Stärke des Model Y bleibt die Google-basierte Navigation samt Ladeplanung, zumal sich Drittanbieter-Säulen nun besser integrieren lassen.

Tesla Model Y
Achim Hartmann

Während des Ladens bleibt Zeit, sich umzusehen. Optisch ist der Innenraum clean. Die Materialien wirken hochwertiger als zuvor; mit Teppich bezogene Einstiege überraschen positiv. Und auch die Verarbeitung ist, abgesehen von ungleichen Spaltmaßen, besser geworden. Die vollklimatisierbaren Sitze sind bequem geschnitten, könnten aber längere Oberschenkelauf lagen und mehr Seitenhalt bieten, und auf dem hoch montierten Fahrersitz fühlt sich der Pilot ein wenig wie auf der Abschussrampe einer SpaceX-Rakete.

Gutes Stichwort, denn Power hat der Tesla. Die zweimotorige Maximale-Reichweite-Version bringt es auf 378 kW, beschleunigt in glatt fünf Sekunden auf Tempo 100. Kurvenspaß kommt in dem Zweitonner jedoch kaum auf. Das geschrumpfte Lenkrad erinnert an PC-Zubehör aus den Nullerjahren. Präzision oder Gefühl? Fehlanzeige.

Und das Platzangebot? Großzügig: vom geräumigen Frunk (117 Liter) über 40 : 20 : 40 umklappbare Rücksitzlehnen bis zum rund zwei Kubikmeter großen Laderaum samt tiefem Bodenfach. Ja, hier könnte Musk dank Camping-Modus und hoher Zuladung (527 kg) für eine Nacht unterkommen.

Polestar: Premium statt Praktikabilität

Da wird’s im Polestar eng. Denn so praktisch und geräumig ist der 4 trotz variablen Kofferraumbodens längst nicht. Er schluckt zwar 526 bis 1.536 Liter, darf aber nur 444 kg zuladen (Kia: 480–1.250 Liter, 468 kg). Doch wenn man durch die minimalistischen Heckscheiben von Kia und Tesla schaut, fragt man sich, ob Polestar nicht den konsequenteren Weg geht, sie komplett wegzurationalisieren.

Polestar 4
Achim Hartmann

Zwar erfordert der digitale Spiegel immer den Bruchteil einer Sekunde mehr Fokussierung vom Auge als optisches Spiegelglas, immerhin aber ist die Kamera so positioniert, dass sie bei Schmuddelwetter nicht verdreckt. Tesla ermöglicht es, während der Fahrt Ansichten von Kameras am Heck und an den Seitenspiegeln einzublenden, während Kia beim Blinken den toten Winkel durch Außenspiegelkameras minimiert.

Durch die Auswahl der hellen und teils hinterleuchteten Materialien im Innenraum des Polestar weht ein Hauch von Volvoness – so hochwertig wie der Vierer wirken EV6 und Model Y lange nicht. Der Umstieg aus dem Tesla fällt in puncto Bedienung – leider – leicht: Auch Polestar erachtet Tasten für die Spiegel- und Lenkradeinstellung als überflüssig, und die unbeleuchteten Lenkradtasten sind im Dunkeln kaum vernünftig zu treffen. Erfreulicher ist das Head-up-Display, das Informationen direkt auf die Windschutzscheibe beamt. Auch die Menüführung haben die chinesischen Schweden besser im Griff als die Amis: Große Kacheln, auch in Untermenüs, erleichtern den Zugriff auf alltägliche Funktionen. Navigiert wird ebenfalls via Google-Maps, wobei dem Sprachassistenten mehr Aufgaben übertragen werden.

Polestar 4, Cockpit
Achim Hartmann

Komfortabel, aber nicht wirklich sportlich

Polestar versteht sich als sportliche Marke, doch sportives Fahren bietet der Vierer nur ansatzweise. Zwar lassen sich Parameter wie Lenkung, Dämpferhärte und auch ESP zuspitzen, aber die Lenkung reagiert stets künstlich überspitzt und lässt Gefühl vermissen. Zudem gerät das Auto schnell ins Untersteuern. Immerhin haben es die Ingenieure mit der Dämpferhärte, anders als in der Vergangenheit, nicht übertrieben. Im Gegenteil: Nummer vier federt trotz der mächtigen 22-Zoll-Räder am komfortabelsten.

Die Bremswege hingegen sollten kürzer ausfallen als 37,1 Meter aus Tempo 100. In umgekehrter Richtung hat der Polestar-Antrieb mit seinen 400 kW Systemleistung genug Dampf: Beim 0–100-Spurt in 3,8 Sekunden fliegt schon mal das Smartphone aus der Ladeschale und landet im Fond. Dort hinten geht’s sehr luftig zu. Die Platzverhältnisse ähneln denen des Kia, jedoch wecken die elektrisch verstellbare Rücksitzlehne und das herunterklappbare Mittelteil Business-Class-Gefühle. Auch wenn die Füße kaum unter den Vordersitz passen, eignet sich der Polestar am ehesten als Chauffeurswagen.

Kia als kompromissloser Performance-Stromer

Der Kia EV6 GT ist dagegen ein Sportfahrer-E-Auto mit Leistung satt: 478 kW entsprechen 650 PS in alter Währung. Das maximale Drehmoment: 770 Nm. Mit Launch Control zeigt der digitale Tacho nach 3,5 Sekunden einen dreistelligen Wert, und abgeregelt wird erst bei 260 km/h. Da können die anderen mit ihren rund 200 km/h Vmax nicht mithalten.

Kia EV6 GT
Achim Hartmann

Klingt nach Sportwagen. Und doch schaffen es die Koreaner, dem EV6 ein unvernünftiges Hot-Hatch-Feeling einzuimpfen. Wie? Mit einem elektronisch geregelten Differenzial, das künstlich Kicks ins Fahrverhalten mischt, einem Drift-Modus und mit virtuellem Schalten. Wie sein Plattform-Bruder Hyundai Ioniq 5N simuliert der Stromer ein Doppelkupplungsgetriebe (jedoch mit sechs statt acht Gängen) inklusive Drehmomentaufbau beim Beschleunigen, Begrenzer und Schaltruckeln. So werden aus den Rekuperations- tatsächlich Schaltpaddles. Okay, das Gefühl bleibt künstlich, das liegt aber vor allem am Klang. Denn elektronisches Warp-Rauschen ist nun mal kein sexy Motorsound.

Und querdynamisch? Der 2,2-Tonner tackert sich mit seinem tiefen Schwerpunkt gut auf den Asphalt. Der Grip ist beachtlich, auch wenn sich die Tendenz zum Untersteuern nicht wegdiskutieren lässt. Der tendenziell schwergängigen Lenkung fehlt es zudem an Feingefühl. Das gilt auch für die Leistungsregulierung: Die E-Power überfordert das Griplevel der durchaus sportlichen Bereifung, und das ESP regelt im Grenzbereich unsanft. Dafür steht der EV6 bereits nach 33,6 Metern aus Tempo 100 – also eine halbe Fahrzeuglänge und mehr vor Polestar und Tesla. Schade nur, dass sich das Bremspedal im Alltag nicht so fein dosieren lässt.

Beim Kurven profitiert der GT von seiner sportlichen Fahrwerksabstimmung. Trotz der adaptiven Dämpfer ist schlechter Asphalt deutlich spür-, hör- und aufgrund des wackelnden Beifahrersitzes auch sichtbar. Apropos: Hat man sich mal an die Elektroauto-typisch zu hohe Sitzposition im EV6 gewöhnt, schaut man recht erhaben über die sehr kurze Haube und fühlt sich fast schon verloren neben der frei schwebenden Mittelkonsole. Dafür packen einen die Integralsitze fest an, ihnen fehlt aber eine Lordosenstütze. Wenig zu meckern gibt’s an der Bedienung, die – abgesehen von der zentralen Touchleiste für Klimaanlage und Infotainment – viele Tasten zu bieten hat.

Kia EV6 GT, Cockpit
Achim Hartmann

Und die Preise? Alles wird immer teurer, glauben Sie? Nun, im Vergleich zum Vor-Facelift vom Frühjahr 2025 ist der fast voll ausgestattete EV6 GT mit rund 70.000 Euro sogar etwas günstiger geworden. Am preiswertesten kommt aber der Tesla-Testwagen als "Premium"-Modell mit 62.820 Euro, am teuersten der Polestar 4 mit rund 85.000 Euro. Am Ende gewinnt der Kia EV6 GT auch ohne Musks Hilfe deutlich.

HPC-Ladetest: 300 km in rund 30 min

Beim Gleichstromladen erreicht der 800-Volt-Kia über 200 kW in der Spitze. Da er dieses Niveau rund 15 Minuten hält, gelingt ihm der 10-bis-80-Prozent-Hub am schnellsten. Tesla und Polestar schaffen keine 200 kW. Immerhin hält der Vierer mit der größten Akkukapazität das Ladetempo lange über 100 kW. Und an der Redaktions-Wallbox lädt er mit 22 kW AC statt nur mit 11 kW wie seine Gegner.

Fazit

Technische Daten
Kia EV6 GT GTPolestar 4 dual Motor Tesla Model Y Maximale Reichweite AWD Premium
Außenmaße4695 x 1890 x 1570 mm4839 x 2008 x 1534 mm4790 x 1921 x 1624 mm
Kofferraumvolumen480 bis 1250 l526 bis 1536 l938 l
Höchstgeschwindigkeit260 km/h200 km/h201 km/h
Verbrauch0,0 kWh/100 km20,1 kWh/100 km0,0 kWh/100 km