Deutschlands schärfstes Feuerwehrauto im Test: Ineos Grenadier mit Blaulicht und Portalachsen

Ineos Grenadier mit Blaulicht und Portalachsen
Deutschlands schärfstes Feuerwehrauto im Test

ArtikeldatumVeröffentlicht am 30.12.2025
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Wenn Feuerwehrleute Wunschzettel für Autos schreiben könnten, dürfte wohl so etwas wie der Ineos Grenadier mit Portalachs-Umbau herauskommen. Und das ist tatsächlich so passiert. Für diesen Zweck hat sich der Geländewagenhersteller Ineos mit den Spezialisten von LeTech aus Welzheim zusammengetan. Erste Prototypen waren 2024 zu sehen, im Sommer 2025 war offizieller Bestellstart. Und die Berufsfeuerwehr aus Mülheim an der Ruhr zählt zu den ersten Kunden, die so einen Boliden in Uniform stecken durfte. Genauer gesagt gleich drei davon; zwei Grenadier Station Wagon und ein Quartermaster Pick-up traten ihren Dienst an.

Blaulicht-Einsatz im Katastrophenschutz

Dass sich die Feuerwehr aus Mülheim für die aufgerüsteten Grenadiere entschied, liegt an deren vorrangigem Einsatz für den Katastrophenschutz. Ausschlaggebend für die Entscheidung war die Möglichkeit, Einsatzkräfte und umfangreiche Ausrüstung auch unter extremen Bedingungen zu transportieren. Grund dafür sind die Hochwasserkatastrophen der vergangenen Jahre in der Region, bei denen zerstörte Straßen, Schlamm und Trümmer die Arbeit der Rettungskräfte erheblich erschwerten – Stichwort Flut-Katastrophe im Ahrtal. Gegenüber im Gelände ähnlich kompetenten schweren Lkw ist der Grenadier, unter anderem als Kommandofahrzeug, viel handlicher und effektiver einsetzbar.

Die Grenadier-Basisfahrzeuge wurden von LeTech umfassend an die Anforderungen des Feuerwehrdienstes angepasst. Auffällig ist der passend zur verklebten Reflex-Folie gelb lackierte Dachgepäckträger, der neben einem Lichtbalken auch Rundumkennleuchten und Arbeitsscheinwerfer trägt. Damit lässt sich der Einsatzbereich auch bei Dunkelheit oder schlechter Sicht großflächig ausleuchten. Eine Heckleiter ermöglicht den Zugang zum Dach. An den Fahrzeugseiten schützen sogenannte Rockslider die Karosserie vor Beschädigungen im Gelände; integrierte Trittstufen erleichtern zugleich den Einstieg, während Aufnahmen für spezielle Hi-Lift-Wagenheber das Anheben des Fahrzeugs in Extremsituationen ermöglichen.

Für besseren Grip abseits befestigter Straßen sorgen Mud-Terrain-Reifen in herrschaftlicher 37-Zoll-Größe, fast einen Meter hoch. In Kombination mit einem Höherlegungsfahrwerk steigt die Bodenfreiheit um weitere 40 Millimeter, insgesamt beträgt sie nach dem Umbau 450 Millimeter unter den Achsen. Und deutlich mehr unter der Fahrzeugmitte. Die Wattiefe, also die freigegebene Wassertiefe für Durchfahrten, liegt nach dem Umbau bei über einem Meter.

Die riesigen Reifen sind nicht das einzige Schmankerl der Räder. Montiert sind sie auf sogenannten Beadlock-Felgen. Bei denen ist der Außenring verschraubt, die Reifen können dadurch auch bei extrem niedrigem Luftdruck nicht von der Felge springen. Wichtig ist das wegen eines weiteren Details: Die Feuerwehr-Grenadiere bekamen ein integriertes Reifendruck-Kontrollsystem. Mit einer Luftleitung, die durch die Radnabe geführt ist, kann der Luftdruck der Reifen vom Fahrersitz aus verstellt werden. Ein leistungsfähiger Kompressor und Druckluftbehälter im Heck des Autos übernehmen die Ausführung. Zweck der Übung ist, bei extrem schwierigem Untergrund den Luftdruck bis unter 0,5 bar ablassen zu können. Dadurch kann die Aufstandsfläche des Reifens maximal verdreifacht werden, was die Traktion auf weichem Untergrund massiv verbessert.

Portalachsen-Umbau

Besonders aufwendig ist der Umbau der Fahrzeuge mit Portalachsen. Dabei werden an die bestehenden Starrachsen des Grenadier sogenannte Radvorgelege-Getriebe montiert. Anstelle der ursprünglichen Radbefestigung an der Achse sitzt nun der Eingang des Zusatzgetriebes, während der Befestigungsflansch des Rads darunter liegt. Dadurch steigt die Bodenfreiheit am tiefsten Punkt des Fahrzeugs, also unterhalb der Achse, deutlich an. Zusätzlich wird mehr Raum geschaffen, um größere Reifen ohne Änderungen an der Karosserie montieren zu können. Schließlich verringern die in den Portalen integrierten Stirnradgetriebe die Achsübersetzung und gleichen damit den Raddrehzahlunterschied aus, der durch die größeren Reifen entsteht. Wichtig ist das auch, weil die serienmäßigen Assistenzsysteme auf diese Weise unverändert übernommen werden können.

Portalachse Vorgelegeachse schematische Darstellung
mps

Um herauszufinden, wie sich das Ganze fährt, ist zunächst ein bisschen Gymnastik angesagt. Die Einstiegskante liegt ungefähr auf Hüfthöhe, schnell mal reinschlüpfen ist nicht. Auf der Fahrerseite hilft das Lenkrad, beifahrerseitig ein stabiler Haltegriff an der A-Säule, um den hochgebockten Feuerwehrler zu entern. Die Fahreindrücke hinter dem Steuer liefert ein ziviler Grenadier Quartermaster mit identischem LeTech-Umbau, aber ohne Feuerwehrtechnik.

Bemerkenswert zügig legt das Schiff vom Parkplatz ab. Der feine Sechszylinder-Diesel (B57 von BMW, drei Liter Hubraum, 249 PS, 550 Nm) scheint nicht besonders beeindruckt von dem weder besonders kleinen noch übermäßig leichten Auto, das mit der Zusatzausrüstung an der Drei-Tonnen-Grenze kratzen dürfte. Dass mit dem weit über zwei Meter hohen Extrem-Offroader in der Kurve keine Bestzeiten winken, ist klar. Dennoch fährt der Portalachs-Grenadier auch bei höherem Tempo sicher und stabil durch Biegungen. Die lustige Seitenneigung wird bei flinkerem Tempo als Folklore verbucht und bleibt harmlos. Einen Pylonen-Ausweichkurs möchte man mit dem Riesen-Gerät eher nicht absolvieren, aber dafür ist er auch nicht gebaut.

Die echte Sternstunde beginnt nämlich im Gelände des Offroadpark Bayern, das beim Fahrtest mit durchaus selektiven Herausforderungen wartet. Stramme Steigungen, tiefe Schlammdurchfahrten und Löcher im Fahrweg, in denen man einen Smart Fortwo formschlüssig versenken könnte. Die Seelenruhe, mit der sich der aufgerödelte Grenadier hier hindurchbugsieren lässt, beeindruckt. An kniffligen Steigungen lässt der BMW-Diesel die Muskeln spielen, die beiden Diff-Sperren in den Achsen sorgen für den nötigen Kraftschluss auf dem glitschigen Untergrund. Die Kugelumlauflenkung, die auf der Straße noch mit hoher manueller Rückstellkraft auffiel, zeigt jetzt ihren Sinn: Die Entkopplung von Stößen durch Hindernisse und Spurrillen im Fahrweg.

Gewaltige Verschränkung

Die schon beim Serienfahrwerk des Grenadier bemerkenswerte Achsverschränkung wird durch die Hebelwirkung aufgrund der Portalachsgetriebe und des überarbeiteten Fahrwerks nochmals verbessert, selbst bei massiven Löchern und Auswaschungen ist es kaum möglich, dass ein Rad den Bodenkontakt verliert. Das führt ganz nebenbei dazu, dass der Grenadier selbst bei heftigster Achsverschränkung aufrecht durch die Botanik fährt, statt wild hin- und herzuschaukeln. Dazu kommt das perfekt agierende ZF-Automatikgetriebe, mit dem sich der schwere Offroader in der Geländeuntersetzung zentimetergenau dirigieren lässt. Ein echter Offroad-Traum, der stark an den Unimog erinnert.

Die Performance muss man sich freilich leisten können, mit allen Extras liegt der Grenadier mit Portalachs-Umbau jenseits der 200.000-Euro-Marke. So mancher Hobby-Offroader wird jetzt schlucken, allerdings ist der umgerüstete Ineos auch ein Fall für Profis. Und für ein uniformiertes Einsatzfahrzeug mit diesen Kompetenzen verhältnismäßig günstig. Die Mülheimer Feuerwehr wird wohl nicht die einzige Blaulicht-Kundschaft bleiben: Eine spezielle Behördenversion des Grenadier mit spezifischen technischen Vorbereitungen für die Installation der Einsatz-Technik ist schon angedacht. Natürlich können auch betuchte Privatkunden zuschlagen, die schon immer mal mit einem halben Meter Bodenfreiheit durchs Jagdrevier cruisen wollten.

Fazit