VW Sharan im Gebraucht-Check: Fast so groß wie ein T6, aber viel billiger

Gebrauchtwagencheck VW Sharan II
Kaum kleiner als ein T6, aber viel günstiger

ArtikeldatumVeröffentlicht am 04.11.2025
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Die ersten VW Sharan können bereits 2026 das H-Kennzeichen bekommen, und das Debüt des hier geprüften Nachfolgers liegt auch schon 14 Jahre zurück. Doch während die erste Generation ein Bestseller war, fiel die Geburt der zweiten in eine andere Zeit: Inzwischen waren SUVs angesagt, die praktischen Vorteile eines Vans zweitrangig. Manchmal sind die Gesetze des Marktes schwer zu verstehen. Da stürzen sich die Kunden auf SUVs, weil das automobile Pendant zur Outdoorjacke ungeachtet praktischer und monetärer Unzulänglichkeiten gerade schwer in Mode ist. Der Familienfreund der Jahrtausendwende, die klassische Großraumlimousine, ist hingegen im Aussterben begriffen. Doch eine halbe Nummer größer, bei den domestizierten Kastenwagen, tobt wiederum ein Hype um Autos wie gebrauchte VW T6, dessen preisliche Auswüchse jeglichem gesunden Menschenverstand widersprechen. Wie kommt es also, dass XXL-Raumfahrzeuge seit Jahren ungebrochenen Erfolg genießen, jedoch die handlicheren Van-Ausführungen so sehr ins Hintertreffen geraten, dass es sie schon gar nicht mehr als Neuwagen gibt? Und: Verbergen sich da echte Gebrauchtwagen-Schnäppchen?

Karosserie: Abmessungen und Design

Ein T6 ist nicht mal eine halbe Nummer größer als der VW Sharan der zweiten Generation, in den meisten Dimensionen beträgt der Unterschied lediglich eine Handbreite. Gleichzeitig wirkt der Sharan im Alltag deutlich handlicher als der Bulli, was auch an der niedrigeren Sitzposition liegt – man sitzt mehr im Auto, als auf dem Lkw-Kutschbock. Ebenfalls ein Sharan-Vorteil im Vergleich mit dem Bus: die gute, weil Pkw-mäßige Geräuschdämmung. Während in kargen Bullis stets ein gewisser Raumklang durchs Auto hallt, bleibt es im gut gedämmten und an Windgeräuschen armen Sharan stets ruhig. Das gilt auch dann, wenn man beherzt die Türen zuschlägt. Hier gehen allerdings die kleinen Unzulänglichkeiten los, die angesichts der manchmal schwankenden Verarbeitungsqualität zu erwarten sind. Bei schlecht eingestellten Schiebetüren verhaken sich z.B. die Zierleisten, was eine Kollisionsgefahr darstellt. Die elektrisch angetriebenen Schiebetüren oder die Heckklappe überlebten zwar den Dauertest über 100.000 Kilometer, doch aus Kundenkreisen sind Defekte der Antriebe bekannt. Die Führungen der Schiebetüren reagieren allergisch auf Sand. Die Halterung der Gasfeder von der Heckklappe kann sich lösen (betroffen war das Modelljahr 2014). Die Kabeldurchführung zur Heckklappe kann schrumpfen, sodass Wasser reinläuft, darin herumplätschert und beim Öffnen der Klappe in den Kofferraum tropft. Rostgefahr besteht an den Türunterkanten hinter den Leisten, beginnend an den Halteschrauben. Diese Kleinigkeiten nehmen das Mängelkapitel in gewisser Weise vorweg: Fast jedes Exemplar nervt mal mit einer der vielen möglichen (günstig zu behebenden) Kleinigkeiten. Chronische Mängelriesen sind jedoch selten.

Gebrauchtwagencheck VW Sharan II
Sven Krieger

Innenraum: Alltagstauglichkeit und Komfort

Man muss den Sharan ganz ausdrücklich für seine Alltagstauglichkeit loben. Die Vordersitze müssen nicht erklommen werden, man nimmt einfach Platz. Die Sitze sind sehr bequem, da muss man sich bei VW nicht sorgen. Unabhängig von ihrer Anzahl – zwei bis fünf – lassen sich die hinteren Sitze zusammenklappen und halbwegs bündig im Boden versenken. Das Raumangebot ist dabei überragend, sogar in voller Bestuhlung. Dann reicht der Platz hinter der dritten Sitzreihe noch immer für Reisetaschen und Co. aus. Auch ganz hinten können Erwachsene in Würde sitzen, zumindest kurz. So reicht das Ladevolumen von 267 (siebensitzig) bis 2.430 Liter (zweisitzig). In der wohl am häufigsten verwendeten Fünsitzer-Konfiguration sind es je nach Sitzstellung um die 800 Liter. Kolossal! Das Cockpit ist gut verarbeitet, die Bedienung so selbsterklärend, wie es seinerzeit bei VW üblich war. Selbst wer heute ein Exemplar mit Minimal-Infontainment erwischt, findet im Zubehör kostengünstige Plug-and-Play-Lösungen, die von der Smartphonespiegelung bis zum DAB-Empfang sämtliche modernen Kompetenzen abbilden, und dabei wie ein Werksgerät wirken.

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Sven Krieger

Motoren: Leistung und Zuverlässigkeit

Bei den Motoren ist die Lebensdauer unterschiedlich verteilt. Der Zweiliter-TDI motorisiert ungefähr drei Viertel der Sharan und ist mechanisch durchaus als nahezu unzerstörbar anzusehen, was Zylinderkopf, -block, Kolben und Kurbeltrieb betrifft. Die haltbaren Zweiliter kommen bei den Benzinern nur auf 2,5 Prozent Marktanteil. Der 1.4 TSI dagegen beinahe das Zehnfache. Doch Vorsicht: Bis Sommer 2015 basierte dieser auf der Baureihe EA111, deren Steuerkettenprobleme VWs Qualitäts-Image nachhaltig beschädigten. Zudem besitzt er mit doppelter Aufladung per Turbolader und Kompressor die maximal mögliche Komplexität. Ab Modelljahr 2016 gab es dann den 211er-Motor, der bei fast gleichen Leistungsdaten (auch 150 PS, aber mit 250 dann 10 Newtonmeter mehr) als weitgehend unverwüstlich gilt. Mit den deutlich drehmomentstärkeren Dieseln ist der 1,8-Tonner souverän motorisiert, bei oft verblüffend geringem Verbrauch. Die Leistung ist eigentlich zweitrangig, aber Euro 6 erfüllen die Diesel erst ab Modelljahr 2016. Zum Schluss war der Sharan dann wiederum nur noch als 1,4er-Benziner zu haben.

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Sven Krieger

Getriebe: Doppelkupplung oder Handschaltung

Eines der beliebtesten Extras ist das Automatikgetriebe, mit dem 57,3 Prozent der Gebrauchten ausgerüstet sind. Zumeist kommt die Sechsgang-Ausführung zum Einsatz. Ab 2015 kommt bei den stärkeren Dieseln in Verbindung mit Allradantrieb auch die Version mit sieben Stufen zum Einsatz. Beiden ist gemein, dass ihre Doppelkupplungen im Ölbad laufen und daher relativ geringem Verschleiß unterliegen. Dies gilt jedoch nur, wenn die Ölwechsel regelmäßig erfolgen. VW schreibt alle 60.000 Kilometer vor und ruft dafür bis zu 600 Euro auf. Weshalb das Öl häufig länger darin verweilt, als es der komplizierten Mechatronik in so einem DSG-Getriebe zuträglich ist. Im Zweifel stellt also ein Handschalter das geringere Risiko dar. Die manuelle Schaltung verspricht weniger Unbill als DSG-Getriebe mit verschlamptem Ölwechsel. Für 600 Euro lassen sich – falls nötig – in einer freien Werkstatt die Kupplung erneuern und das bei VW stets problematische Zweimassenschwungrad gegen ein massives austauschen, das den Rest des Fahrzeugs überlebt.

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Sven Krieger

Fahrwerk: Abstimmung und Kompromiss

Man muss sich nicht über die Fahrwerksabstimmung sorgen. Zwar lässt sich eine gewisse Grundstraffheit nicht leugnen, aber schließlich müssen bei Bedarf auch über 600 Kilo Zuladung abgefedert und gedämpft werden. Dafür bietet das Fahrwerk einen gelungenen Kompromiss. Wer gesteigerten Wert auf noch mehr Komfort legt, kann nach einem Exemplar mit adaptiven Dämpfern Ausschau halten, dann wird das Fahrwerk eine Nummer flauschiger. Allerdings widerspricht das auch dem Grundsatz des Gebrauchtwagenkaufs: Was nicht dran ist, kann nicht kaputtgehen. Kurven gehören nicht unbedingt zu den Kernkompetenzen des Sharan, werden aber in Würde durchfahren. An Präzision mangelt es nicht. Bei Übertreibung schwenkt das voluminöse Heck gutmütig aus, ehe das aufmerksame ESP größere Ausfallschritte unterbindet. Das Fahrwerk bietet sichere Fahreigenschaften und hohen Fahrkomfort. Die Lenkung ist präzise und problemfrei.

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Sven Krieger

Die Achillesferse des Sharan liegt im Fahrwerksverschleiß der Komponenten, die aus dem Konzernbaukasten zusammengesucht sind. Das Gewicht übertrifft das von Golf und Co. doch recht klar. Die Vorderachse stammt im Wesentlichen vom Passat, die vorderen Radführungsgelenke vom Golf VII, die Komponenten wiederum vom Golf V/VI. Alles bewährte Teile, die im Sharan aber auf bis zu 2,6 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht treffen und entsprechend zügig verschleißen. Das äußert sich dann in völlig maroden Querlenkerbuchsen oder ausgeschlagenen Koppelstangen. An der Hinterachse betrifft es vor allem die Buchsen der Längslenker sowie die oberen Sichellenker. Auch ausgeschlagene Querlenker zählen zu den möglichen Problemen.

Mängel: Schwachstellen und Pannenstatistik

Wie schon erwähnt – und von anderen Konzernmodellen bekannt – gibt es nicht die eine große Schwachstelle am Sharan, dafür aber eine Unzahl an Kleinigkeiten, an denen der Van ins Straucheln kommen kann. Probleme an den TDI-Motoren betreffen z.B. höchstens deren Peripherie. Mechanisch gilt der TDI als unzerstörbar, aber die Abgasnachbehandlung vermag es, tiefe Sorgenfalten in die Stirn des Sharanisten zu buddeln. Beginnt man bei A wie AdBlue: Die Dosierpumpe macht öfter mal schlapp, ist aber immerhin seit Kurzem im freien Teilehandel zu haben. Beim zugehörigen Heizelement ist es meist nur das Anschlusskabel, das unterbrochen ist; auch das gibt’s einzeln im Handel. Der AdBlue-Tank im Kofferraum ist ein echter Mist, da die Kristalle der eingetrockneten Harnstofflösung in der Seitenverkleidung Zeugnis ablegen von den Schwierigkeiten beim Nachfüllen. Weiter geht’s mit der Abgasrückführung, deren Ventil verschmutzt und dann festhängt. Reinigen reicht in den meisten Fällen aus, ein neues AGR-Ventil in Erstausrüster-Qualität kostet um 200 Euro, plus 1,5 Stunden Einbau. Noch mal sechs Minuten länger dauert der Wechsel des AGR-Kühlers. Der neigt zu Undichtigkeiten und ist der erste Verdächtige, wenn Kühlwasser verschwindet, ohne dass irgendwo eine Pfütze zu sehen ist. Bei unserer Probefahrt war der Wasserverlust hingegen unübersehbar, die Hauptwasserpumpe inkontinent. Daneben gibt es noch zwei weitere, schließlich hat so ein TDI mit DSG drei Wasserkreisläufe und damit entsprechend viele Thermostate, Temperaturfühler, Schläuche und weitere Fehlerquellen. Wer also einen Kühlwasserverlust bemerkt, tut gut daran, dessen Ursache zu ergründen, bevor der Motor (im Austausch: 8.000 Euro) überhitzt.

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Sven Krieger

Laut ADAC häufigste Pannenursache ist die Batterie, womit sich der Sharan nur in die Phalanx sämtlicher Pkw einreiht. Allerdings registrieren die hauptberuflichen Pannenhelfer zunehmend auch defekte Diesel-Injektoren. Undichte oder lockere Injektoren lassen sich leichter erschnüffeln, wenn man die Motorabdeckung abnimmt. Was insgesamt zu einem eher mäßigen Abschneiden in der Pannenstatistik führt. Das Baujahr 2015 wird gar als Flop tituliert und mit diesem fiesen Dunkelrot unterlegt, das sonst nur den übelsten Gurken vorbehalten ist. Oft fehlt der Batterie die Wärmeschutzhülle. Der zu Undichtigkeiten neigende Dieselfilter ist eine Fehlkonstruktion. Das Gemeine: Hier tritt nicht Kraftstoff aus, sondern Luft ein und sorgt bei nächster Gelegenheit für Startprobleme. Doch es gibt auch Lobenswertes: den seltenen Ölverlust, die sehr haltbare Abgasanlage und die zuverlässige Wirkung der elektrischen Feststellbremse. Der Endschalldämpfer ist aus nicht rostendem Stahl gefertigt. Wenn etwas kaputtgeht, dann höchstens weiter vorn das Flexrohr, das Motor und Abgasanlage entkoppelt.

Die Airbags und ihr Steuergerät waren Gegenstand diverser Rückrufe. An 51.198 Fahrzeugen in Deutschland konnte es zu unbeabsichtigten Auslösungen kommen. Ein Rückruf beschäftigte sich mit den vorderen Kopfstützen des Modelljahres 2014, deren Arretierung nicht ausreichte. Weitere Rückrufe betrafen das Abgasverhalten und den Anlasser, der nicht abschaltet. Eher selten hingegen ist Elektronikstress.

Preise: Auswahl und Kosten

Ein T6 ist nicht mal eine halbe Nummer größer als der VW Sharan der zweiten Generation, unterscheidet sich jedoch stark im Preis. Auf dem Schild unseres Fotoautos von der Autowelt Michael stehen knapp 23.000 Euro. Der Gegenwert ist ein gut ausgestatteter 2.0 TDI von Juli 2018 aus erster Hand, 150 PS, Handschaltung, rund 108.000 Kilometer auf dem Zähler, sieben Sitze, keine Kratzer oder Dellen. Ein vergleichbarer T6 in ähnlich wohnlicher Caravelle-Ausstattung liegt mindestens 4.000 Euro drüber. Wer also auf den Hipness-Faktor eines VW Busses verzichten kann, bekommt in Gestalt des Sharan mehr Auto fürs Geld.

Es geht auch noch wesentlich günstiger. Die Auswahl am Markt ist groß. Die meisten Sharan haben Motoren um die 150 PS – etwa ein Viertel mit dem kleinen Benziner, der Rest mit dem TDI. Stärkere Benziner sind kaum im Angebot, Diesel schon etwas mehr. Rund 2.800 Sharan und Alhambra stehen online auf dem Markt. Preislich geht es für ausgeleierte Taxis jenseits der 300.000 Kilometer bei 4.800 Euro los. Wer noch Luft zu sechsstelligen Tachoständen lassen möchte, legt mindestens 16.000 Euro an. Auch mit dem stärksten, 184 PS leistenden TDI ist der Sharan fair eingestuft: in der Haftpflicht in Typklasse 21, in der Teilkasko in TK 22 und in der Vollkasko wiederum in TK 21.

Fazit