China hat schon vor mehr als 15 Jahren eine ganz klare, pragmatische und vor allem ganzheitliche Strategie gestartet, die an der Rohstoffmine beginnt und am Auto endet. Bei den Lithium-Eisenphosphat-Zellen, also bei LFP, kontrollieren chinesische Unternehmen heute 90 Prozent der Wertschöpfungskette.
Ursprünglich wurde die LFP-Technologie in der westlichen Welt entwickelt, auch in Deutschland. Aber man hat hier nie daran geglaubt, dass sie sich für den Massenmarkt eignet, weil man dafür hohe Reichweite und geringes Volumen der Batteriezellen braucht. Deshalb sind wir Europäer mit den Koreanern auf Nickel-Mangan-Kobaltoxid-Kathoden gegangen. In China hingegen wurde die LFP-Technologie konsequent weiterentwickelt, zunächst für den Einsatz in E-Scootern und Trucks. Und dabei ist diese Chemie so günstig und gut geworden, dass sie jetzt für mittelgroße E-Fahrzeuge in China die beste Wahl ist. Wir haben dieses Potenzial zu früh unterschätzt.
Da spielen mehrere Faktoren zusammen. Einer davon ist, dass Lithiumkarbonat als wichtigster Rohstoff derzeit auf dem Weltmarkt sehr günstig ist. Und dann gibt es die Faktoren vertikale Integration, Herstellungskosten und Subventionen.
So würde ich es nicht formulieren. China versteckt die Subventionen nicht, aber sie sind in sehr viele kleine Bausteine aufgeteilt, die auf sehr vielen Ebenen eingesetzt werden. Die Unterstützung beginnt bei günstigen oder kostenlosen Grundstücken für die Fabriken. Es geht weiter über die Infrastruktur – Stromleitungsbau und Kraftwerksbau –, und es geht bis hin zu Schulungs- und Ausbildungsprogrammen.
Da existieren zahlreiche Joint Ventures, teilweise mit Provinzregierungen, teilweise mit lokalen Behörden. Es gibt Minen-Joint-Ventures, es gibt Raffinations-Joint-Ventures und Aufbereitungs-Joint-Ventures. Wenn wir davon ausgehen, dass das Material 65 bis 70 Prozent der Gesamtkosten einer Zelle ausmacht, dann bringt eine Senkung von 10 bis 20 Prozent über Subventionen einen Preisvorteil von sechs bis zwölf Prozent.
Zum einen bei den Energiepreisen. Pro Kilowattstunde Speicherkapazität braucht man zwischen 40 und 60 kWh Stromäquivalent. Wenn wir 50 kWh als Mittelwert nehmen und in Deutschland zwölf Cent pro Kilowattstunde bezahlen, dann sind das sechs Euro Stromkosten pro hergestellter Kilowattstunde Zellkapazität. Den Energiepreis in China kenne ich nicht genau, aber er dürfte im niedrigen einstelligen Cent-Bereich liegen.
In China betragen die Lohnkosten für den Arbeiter am Band nur etwa ein Drittel des europäischen Niveaus – wobei gute Entwicklungsingenieure das Gleiche oder sogar mehr als bei uns verdienen. Trotz der niedrigen Lohnkosten setzen die Chinesen sehr stark auf eine Automatisierung mit ihren einheimischen Maschinenbauern.
Das stimmt so nicht ganz, wir haben sie durchaus zur Verfügung. In unserer Forschungsfabrik stehen 18 Maschinen, alle aus Europa. Aber auf dem ganzen Kontinent gibt es kein Unternehmen, das als Generalunternehmer bislang eine schlüsselfertige Gigafabrik mit Anlagen aus einer Hand geliefert hat. Erste Ansätze existieren, doch der größte Anlagenhersteller ist und bleibt Wuxi Lead in China.
In puncto Technologie sind wir Europäer in vielen Bereichen nach wie vor weltweit führend. Zum Beispiel sitzt nahe Münster ein Maschinenbauer, der seine Kalandriermaschinen erfolgreich in alle Welt exportiert. Ein Sensorhersteller aus Süddeutschland liefert Komponenten, die heute in nahezu jeder chinesischen Batteriefabrik verbaut sind. Wir sind also keineswegs komplett abgehängt, wie es manchmal dargestellt wird. Was uns allerdings fehlt, ist ein starker, etablierter Generalunternehmer.
Für mich als Wissenschaftler, der mit exakten Zahlen und Daten arbeitet, ist eine pauschale Aussage hier schwierig. Bei NMC-Batteriezellen gehe ich davon aus, dass der Vorsprung in der Fertigungstechnologie nicht wirklich groß ist, europäische Unternehmen sind hier konkurrenzfähig. Bei LFP-Zellen ist die Produktion in China per se wohl besser aufgestellt. Hier liegt der Vorsprung in der vertikalen Integration.
Hier baut Xiaomi in China gerade eine kleine Serienproduktion auf – davon sind wir in Europa und in den USA noch entfernt. In der Fertigungstechnologie würde ich den Vorsprung aktuell auf etwa drei bis fünf Jahre schätzen.
Bei den Materialien sind wir Europäer gut aufgestellt. Momentan stehen wir hier am Scheideweg – wenn wir Gas geben, können wir auf Augenhöhe bleiben. Beim Produktionsvolumen liegen wir zwar etwas zurück, aber technologisch sind wir noch in Schlagdistanz. In China wird die Entwicklung durch eine staatliche Vorgabe forciert. Dort gilt beispielsweise: Wer Stationärspeicher mit LFP-Zellen verkaufen will, muss auch Speicher mit Na-Ion-Zellen verkaufen. Das zwingt Unternehmen dazu, beide Technologien weiterzuentwickeln, um eine weitere kostengünstige Zukunftstechnologie aufzubauen. Stand heute sind Natrium-Ionen-Zellen zwar noch teurer als LFP-Zellen, aber das könnte sich innerhalb der nächsten drei, vier Jahre ändern.
Da kann ich nur eine Schätzung abgeben: etwa 100, vielleicht auch ein paar mehr. Um das einzuordnen, nutze ich gern ein Bild aus dem Fußball, wobei die Grenzen zwischen den Kategorien natürlich fließend sind. Ganz oben stehen CATL als Tabellenführer und BYD als härtester Verfolger. In der erweiterten Spitzengruppe finden sich zwei, drei Unternehmen, darunter EVE Energy Co. und Gotion. Die dritte Kategorie bilden etwa zehn bis fünfzehn Firmen im kleineren bis mittleren Maßstab. Und in der vierten Kategorie, also der Zweiten und Dritten Liga, finden sich kleinere Hersteller, die derzeit noch in der Konsolidierungsphase sind und nicht genau wissen, wohin die Reise geht.
Ja, und es ist klar zu sehen, dass unter den Zellherstellern nur die großen profitabel arbeiten. Die kleineren Unternehmen kämpfen um die Marge oder darum, überhaupt Gewinn zu erzielen. Das ist ein Phänomen des gesteuerten Kapitalismus in China. Die Firmen wurden von verschiedenen staatlichen Stellen dazu aufgefordert, Kapazitäten aufzubauen. Diese Kapazitäten stehen jetzt bereit, doch der Markt ist nicht im selben Maß mitgewachsen. Deshalb orientieren sich viele Unternehmen zunehmend Richtung Exportmärkte. Das ist die eine Seite der Medaille.
Das sind weitere strategische Initiativen der Institutionen, um die Stellung von China zu sichern. Seit Kurzem beispielsweise gibt es eine neue Norm, um die Black Mass, also die Recycling-Masse von Batterien, chemisch in mehreren Stufen zu definieren, sodass man sie an der Börse handeln kann. So etwas existiert in keinem anderen Land der Welt. Offenbar will China die Black Mass gezielt importieren, um seine Industrie weiter am Laufen zu halten.
Ich bin gar nicht so pessimistisch – ich glaube fest daran, dass wir es in Europa noch immer schaffen. Wir verfügen über exzellente Fachkräfte, wir haben jahrzehntelang aufgebautes Know-how, und wir haben Maschinen und Anlagen auf Weltklasse-Niveau. Was wir darüber hinaus brauchen, sind Unternehmergeist, Kapital und eine gezielte, langfristige Unterstützung vom Staat.
In den USA und einigen anderen Ländern ist es üblich, dass Start-ups in der kritischen Hochskalierungsphase durch kleinere oder mittlere Projekte unterstützt werden und so Probleme überbrücken können. Das wäre auch hier eine starke Hilfe für die Batteriezellfertigung. Aber wir müssten es schaffen, über Regionen und Länder hinauszudenken und das Thema gesamtheitlich zu betrachten. Das eigentliche große Ziel muss es sein, ein europäisches Netzwerk für die Wertschöpfungskette aufzubauen.
Zwei Gebäude für beide Welten
Bei der Batterietechnologie klafft in Deutschland eine Lücke zwischen Forschung und industrieller Anwendung. Die neue Fraunhofer-Einrichtung FFB in Münster will sie schließen.
In der Forschung liegt Deutschland noch immer weit vorn, auch in der Batterieforschung. Aber zwischen Hochschule und Fabrik tut sich häufig ein Graben auf. Die noch junge Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle (FFB), im Süden von Münster gelegen, will ihn überbrücken. Ihr Ziel ist es, gemeinsam mit externen Partnern neue Prozesse für die Fertigung von Zellen zu entwickeln und sie in den industriellen Maßstab hochzuskalieren. Strikt anwenderorientiert ausgelegt, steht die FFB allen Interessierten aus Wissenschaft und Wirtschaft für Kooperationen offen, ob Start-up oder Großkonzern.

Rendering des FFB-Campus: Die „Pre Fab“ (rechts) steht bereits, die „Fab“ (links) ist im Bau.
Der FFB-Campus besteht aus zwei Komplexen, deren Bau vom Bund und vom Land NRW gefördert wird. Bereich eins, die "Pre Fab", ist seit 2024 in Betrieb. Die Musterlinie, die dort steht, bildet den Produktionsprozess von Zellen bis zur Pilotfertigung ab und liefert damit Grundlagen für das Upscaling. Die "Pre Fab", die momentan etwa 140 Wissenschaftler beschäftigt, fokussiert sich auf die Produktion von Pouch- und prismatischen Zellen – für die Autoindustrie, aber auch für Branchen wie Energiewirtschaft, Robotik oder Maschinen- und Anlagenbau.

Detail einer Slitting-Maschine, die breite Elektrodenbänder teilt.
Der zweite, wesentlich größere Komplex ist die "Fab" – sie soll es ermöglichen, neue Ansätze und Projekte in den Industriemaßstab und in den Gigawattbereich zu übersetzen. Dafür entsteht eine komplett digitalisierte Fertigungslinie mit allen Prozessschritten und für alle gängigen Zellformate. Ihre Kapazität wird bei etwa 6,8 Gigawattstunden im Jahr liegen – zum Vergleich: VW errichtet in Salzgitter eine 40-GWh-Fabrik. Der Bau der "Fab" hat im Frühjahr 2025 begonnen, die Inbetriebnahme ist für 2028 geplant.





