"Die Zukunft des Automobils ist elektrisch", sagt unter anderem Audi-Chef Gernot Döllner. Die meisten Autobosse sehen das ähnlich bis genauso. Aus dieser Perspektive ist es eigentlich erstaunlich, dass das sogenannte Verbrenner-Verbot Teile der Politik derart aufbringt.
Wann diese elektrische Zukunft zu 100 Prozent eintritt, darüber herrscht schon mehr Uneinigkeit. Zu 100 Prozent bei den neuzugelassenen Fahrzeugen ab 2035, wohlgemerkt. Denn beim Verbrenner-Aus ging es immer nur um ein Neuzulassungsverbot für Fahrzeuge, die beim Betrieb CO₂ emittieren. In 10 Jahren. Ja, das mag heute schwer vorstellbar sein, weil der Elektroauto-Anteil an den Neuzulassungen hierzulande deutlich unter 20 Prozent dümpelt. Aber Experten prophezeien einen exponentiellen Anstieg der E‑Auto-Zulassungen und einen Kipppunkt, ab dem kaum mehr jemand die fast 140 Jahre alte Verbrenner-Technik wird kaufen wollen.
Kein Aus fürs Verbrenner-Aus, nur eine Aufweichung
Für den Fall, dass es 2035 noch nicht so weit ist, hilft es natürlich, das "Verbrenner-Verbot" aufzuweichen, statt es wie ein Damoklesschwert über einer ganzen Branche schweben zu lassen. Am Kernziel der möglichst großen CO₂‑Reduktion ändert das nichts.
Manfred Weber, Chef der konservativen Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, sagte am 11.12. zur "Bild": "Bei Neuzulassungen ab 2035 soll nun statt 100 Prozent eine 90-prozentige Reduktion des CO₂-Ausstoßes für die Flottenziele der Automobilhersteller verpflichtend werden. Auch ab 2040 wird es kein 100-Prozent-Ziel geben. Damit ist das Technologieverbot für den Verbrenner vom Tisch. Alle derzeit in Deutschland gebauten Motoren können damit weiterproduziert und verkauft werden."
Verbrennungsmotoren aus Deutschland?
Das nie vorhandene Technologieverbot mag damit vom Tisch sein. Aber dass alle "derzeit in Deutschland gebauten Motoren" dann weiterproduziert werden können, geht von einem Status Quo der 90er-Jahre aus: In Deutschland entstehen immer weniger Motoren: Audi baut sie v.a. in Ungarn, BMW seit 2023 nicht mehr in München, sondern Österreich, Mercedes bezieht seine Vierzylinder aus China. Und insgesamt wird Europa auch ohne Verbrenner-Aus immer weniger davon brauchen. Denn auch eine 90-prozentige Reduktion des CO₂-Ausstoßes wird nach Lage der Dinge nur mit einem E-Auto-Anteil in ähnlicher Größenordnung gelingen – oder mit vielen Plug-in-Hybriden bzw. E-Autos Range-Extender, deren Fahranteil mit Verbrenner limitiert ist (Verbrauchsmonitoring).
Dafür müssen die Hersteller die Verbrenner-Technik bis über 2035 hinaus weiterentwickeln, für Abgasnormen fit halten und verbrauchsoptimieren, was nur noch in kleinen Schritten möglich ist. Im Gegenzug wird das Aus fürs Verbrenner-Aus den Hochlauf der E-Mobilität sicher nicht beschleunigen, die längst getätigten Entwicklungskosten für Batterie- und Antriebstechnologie lassen sich so entsprechend später wieder reinholen. Andererseits lebten die deutschen Autohersteller bislang vor allem vom Export und nicht überall verbreiten sich E-Autos gleich schnell.
Warum die deutsche Autobranche kriselt
Was die deutschen Hersteller aber wirklich in wirtschaftliche Schwierigkeiten gebracht hat, ist nicht das Verbrenner-Aus. Die Gründe sind vielmehr:
- In China, auf dem größten Automarkt der Welt, schmelzen ihre Marktanteile wie Eis in der Sonne – aus zwei Gründen: Die Deutschen haben weder konkurrenzfähige E-Autos, denen sich die Chinesen mit rasender Geschwindigkeit zuwenden (exponentielles Wachstum?) noch leistungsfähige Elektronik und Software (Software Defined Vehicle), was bei der hochgradig digital vernetzten Kundschaft im Reich der Mitte eines der Hauptkriterien für die Kaufentscheidung ist.
- In den USA hat die Trump-Administration zwar die Antriebswende radikal zurückgedreht – an sich gut für die deutschen Autobauer, die bislang vor allem renditestarke großvolumige Modelle mit Verbrennungsmotor ordentlich verkaufen konnten. Aber Trumps Lieblingswort "Zölle" schickt auch jenseits des Atlantiks die Absätze deutscher Hersteller auf Talfahrt – besonders die derer, die nicht in den USA produzieren, wie etwa VW-Tochter Audi.
- An den immer noch großen Produktionsstandorten hierzulande kämpfen die deutschen Autobauer mit den gleichen Schwierigkeiten wie die Zulieferer und die gesamte Industrie: Arbeit und Strom sind teuer, die Bürokratie langsam.
- Selbst im europäischen Kontext ist es bislang nicht gelungen, die Batteriefertigung – Schlüsseltechnologie der Elektromobilität – zu etablieren. Anders als in China, wo genau das Teil von staatlichen Fünf-Jahres-Plänen war, scheitert in Europa jeder für sich allein.
- Bei der Digitalisierung des Autos (und im Allgemeinen) hinken die deutschen Autobauer (und Deutschland im Allgemeinen) hinterher. Wenn sie mehr und mehr auf allen Märkten, nicht nur in China, Basis für zentrale Features wird, fallen deutsche Produkte bei der Summe der Produkteigenschaften zurück, die Kaufargumente schrumpfen.
Angesichts dessen ist schwer vorstellbar, dass bei VW & Co. nach dem "Durchbruch bei den Verhandlungen in der EU" (Bild) die Sektkorken knallen. Vielleicht wird, wie es das Blatt formuliert, die Branche zumindest kurzzeitig "aufatmen". Aber nur so lange, bis die Landesgesellschaften in China die nächsten sinkenden Absatzzahlen meldet oder bis Donald Trump definiert, dass selbst Autos aus US-Werken nur dann nicht mit Zöllen belegt werden, wenn jede Schraube daran in den USA hergestellt wurde.












