Ab dem 01.01.2027 dürfen in China zugelassene Pkw unter 3,5 Tonnen keine rein elektrisch betriebenen, versenkten Türgriffe mehr haben. Türen müssen dann innen wie außen über mechanische Notfreigaben verfügen, die auch bei Stromausfall funktionieren. Grundlage ist ein Entwurf des Ministry of Industry and Information Technology, veröffentlicht im Dezember 2025.
Der Schritt ist konsequent und folgerichtig. Elektrisch betriebene Türgriffe sind komfortabel und gestalterisch attraktiv, versagen aber genau in dem Moment, in dem sie zuverlässig funktionieren müssten. Nach schweren Unfällen fällt häufig die Bordelektrik aus. Bleibt dann nur ein elektrischer Öffnungsmechanismus, wird das Auto zur Falle, der Zugang für Retter zu Insassen zur oftmals unüberwindbaren technischen Hürde.
Tragische Unfälle durch Design-Schnickschnack
Dass es sich dabei nicht um ein theoretisches Risiko handelt, zeigen mehrere schwere Unfälle. Im August 2022 sterben in Brandenburg zwei Jugendliche in einem Tesla Model S nach einem Unfall mit anschließendem Brand. Ein Gutachten kommt später zu dem Ergebnis, dass sich die hinteren Türen wegen ausgefallener elektrischer Türgriffe weder von innen noch von außen öffnen ließen.
Im Oktober 2024 gerät in Toronto ein Tesla Model Y nach einem Unfall in Brand. Helfer können die Türen nicht öffnen. Erst das Einschlagen einer Scheibe ermöglicht die Rettung eines Überlebenden. Vier weitere Insassen kommen ums Leben.
Am 07.09.2025 prallt in Schwerte in Nordrhein-Westfalen ein Tesla Model S gegen einen Baum und fängt Feuer. Ein 43-jähriger Fahrer und zwei neunjährige Kinder sterben. Zeugen und Rettungskräfte scheitern beim Öffnen der Türen, weil die elektrischen Griffe nach dem Stromausfall nicht ausfahren. Ein weiteres Kind kann sich selbst befreien.
China macht, Europa diskutiert
Diese Fälle stehen nicht isoliert. Feuerwehren und Polizei warnen weltweit. In den USA führt die National Highway Traffic Safety Administration Untersuchungen zu entsprechenden Vorfällen. Auch der ADAC weist seit Längerem auf Risiken elektrisch betriebener Türgriffe hin.
China reagiert jetzt auf diese Gemengelage mit einer klaren technischen Vorgabe. Die neue Regel verbietet nicht jede Form versenkter Türgriffe, wohl aber Lösungen ohne mechanische Redundanz. Entscheidend ist nicht die Form des Griffs, sondern die sichere Bedienbarkeit im Ausnahmefall. Elementare Funktionen sollen unabhängig von Elektronik verfügbar sein.
Und Europa? Die Problematik ist bekannt, Hinweise von Rettungskräften und Fachorganisationen liegen seit Jahren vor. Konkrete, verbindliche Vorgaben bleiben jedoch aus. Stattdessen dominieren Prüfaufträge, Empfehlungen und der Verweis auf Herstellerlösungen. Das Ergebnis ist ein regulatorisches Vakuum.
Für die Auto-Industrie ist die chinesische Entscheidung sicher maßgeblich. Wer für den größten Automarkt der Welt entwickelt, richtet Plattformen und Designs entsprechend aus. Mechanische Notfreigaben dürften damit nicht nur in China, sondern auch in Europa und anderen Märkten in Zukunft zum neuen Normalfall werden – hoffe ich. Danke China!





