Bisher durften Inhaber der Pkw-Führerscheinklasse B in der EU Fahrzeuge bis zu 3.500 Kilogramm zulässiger Gesamtmasse (zGM) führen. Diese Grenze war seit Jahrzehnten unverändert, führte aber in der Praxis zunehmend zu Problemen. Vor allem elektrische Transporter, größere Wohnmobile und batterieelektrische Kleinlaster überschreiten diese Grenze oft um mehrere Hundert Kilogramm – ohne dass sie in die Lkw-Kategorie gehören sollten.
Mit der neuen Richtlinie, die der EU-Rat am 29.09.2025 verabschiedet hat, wird diese starre Obergrenze erstmals angepasst. Ziel ist es, technologische Entwicklungen zu berücksichtigen, ohne zusätzliche Hürden für private Fahrer zu schaffen.
Die 4.250-Kilogramm-Regel
Die erste Stufe der Erweiterung erlaubt künftig das Führen von Fahrzeugen bis 4.250 Kilogramm Gesamtmasse. Diese Regelung gilt nicht pauschal, sondern nur nach bestimmten Voraussetzungen. Sie betrifft Fahrzeuge, die aufgrund ihres Aufbaus oder einer alternativen Antriebstechnik schwerer als 3.500 Kilogramm sind, also vor allem Elektrofahrzeuge, Wasserstoffmodelle, Wohnmobile oder leichte Einsatzfahrzeuge.
Wer diese Fahrzeuge mit dem normalen Pkw-Führerschein fahren möchte, muss die Fahrerlaubnis seit mindestens zwei Jahren besitzen und eine zusätzliche Schulung oder Prüfung absolvieren. Der genaue Ablauf wird von jedem Mitgliedstaat selbst festgelegt.
In der Praxis kann die Schulung Fahrsicherheit, Bremsverhalten, Fahrphysik und den Umgang mit schwereren Fahrzeugen umfassen. Nach erfolgreichem Abschluss wird eine Schlüsselzahl (z. B. 96 oder eine neue EU-Erweiterungsnummer) im Führerschein eingetragen. Ohne diesen Eintrag bleibt die 3.500-Kilogramm-Grenze bestehen.
Die erweiterte Fahrerlaubnis gilt für Fahrzeuge mit oder ohne Anhänger, sofern die Gesamtmasse des Zuges 4.250 Kilogramm nicht überschreitet. Bei Fahrzeugen mit Anhänger gelten die nationalen Kombinationstabellen, etwa analog zu B96-Regelungen.
Was bedeutet das für die Praxis?
Für Fahrer ist diese Erweiterung vor allem beim Wohnmobilurlaub oder bei Elektrotransportern relevant. Große Reisemobile oder vollelektrische Lieferwagen erreichen durch Batterien oder Aufbauten schnell 3.800 bis 4.200 Kilogramm – bisher war dafür eine Lkw-Fahrerlaubnis der Klasse C1 nötig. Diese Einstufung entfällt künftig, sofern die oben genannten Bedingungen erfüllt werden. Auch freiwillige Hilfsdienste und Rettungsorganisationen profitieren: Fahrzeuge für Feuerwehr, THW oder Sanitätsdienste dürfen künftig ebenfalls unter Klasse B geführt werden, wenn die nationale Umsetzung das vorsieht.
Die 5.000-Kilogramm-Sonderregel
Eine zweite, engere Ausnahme betrifft Fahrzeuge bis 5.000 Kilogramm zulässiger Gesamtmasse. Sie gilt ausschließlich für Fahrzeuge mit alternativem Antrieb, also Elektro-, Brennstoffzellen- oder Gasfahrzeuge, deren höheres Gewicht nachweislich durch die Antriebstechnik entsteht.
Diese Fahrzeuge müssen weiterhin der Pkw-Kategorie (M1 oder N1) angehören und dürfen nicht gewerblich zur Güterbeförderung eingesetzt werden. Die Regelung ist als technologische Übergangslösung gedacht, bis künftige Batterie- und Tanksysteme leichter werden.
Auch hier gilt eine zusätzliche Schulung oder Prüfung als Pflicht. Diese soll sich gezielt auf das Fahren mit schwereren Elektrofahrzeugen konzentrieren – etwa auf Bremswege, Schwerpunktlage, Rekuperation und Sicherheitsaspekte bei Hochvolttechnik. Erst nach erfolgreichem Abschluss darf die Fahrerlaubnis auf 5.000 Kilogramm erweitert werden.
Wichtig ist zudem: Die Gesamtmasse des Zuges – also Fahrzeug plus Anhänger – darf auch hier nicht über 5.000 Kilogramm liegen. Wird ein Anhänger gezogen, reduziert sich die zulässige Fahrzeugmasse entsprechend.
Unterschied zwischen 4,25 und 5 Tonnen
Die beiden Gewichtsstufen unterscheiden sich sowohl in ihrem Anwendungsbereich als auch in den technischen Voraussetzungen.Die 4.250-Kilogramm-Regel ist eine allgemeine Erweiterung, die für viele Fahrzeugtypen gilt – etwa für Wohnmobile, Transporter oder Einsatzfahrzeuge, deren Mehrgewicht aus Aufbauten, Ausstattung oder Anhängelasten resultiert. Sie ist damit vor allem eine praktische Alltagserleichterung für private und dienstliche Fahrer.
Die 5.000-Kilogramm-Regel hingegen ist eine spezialisierte Ausnahmeregelung für Fahrzeuge mit alternativem Antrieb. Sie darf nur angewendet werden, wenn das höhere Gewicht eindeutig auf technische Komponenten wie Batterie, Brennstoffzelle oder Tanksystem zurückzuführen ist. Ziel ist, das zusätzliche Gewicht moderner Antriebstechnologien auszugleichen, ohne Fahrer in die Lkw-Kategorie zu drängen.
Beide Regelungen verlangen eine nationale Umsetzung, eine Zusatzschulung und mindestens zwei Jahre Fahrpraxis. Die 4.250-Kilogramm-Grenze wird voraussichtlich von den meisten EU-Staaten übernommen, während die 5.000-Kilogramm-Ausnahme wegen ihres engen Rahmens nur in ausgewählten Ländern Anwendung finden dürfte.
Nationale Umsetzung bis 2030
Die neuen Gewichtsausnahmen gelten nicht automatisch EU-weit, sondern müssen von den einzelnen Mitgliedstaaten in nationales Recht übertragen werden. Deutschland muss die Regelung also erst noch in seine Fahrerlaubnis-Verordnung übernehmen, bevor sie wirksam wird. Die EU gibt dafür eine Frist von drei Jahren plus einem Jahr Vorbereitung, also bis 2030. Erst danach können entsprechende Schulungen angeboten und neue Schlüsselzahlen vergeben werden.
Es ist zudem möglich, dass die Umsetzung in den Ländern unterschiedlich streng ausfällt. Einige Staaten könnten beispielsweise nur die 4.250-Kilogramm-Grenze erlauben, andere auch die 5.000-Kilogramm-Option für Elektrofahrzeuge übernehmen.
Kein Freibrief für alle Fahrzeuge
Wichtig ist: Die Neuregelung erweitert die Nutzungsmöglichkeiten, ersetzt aber keine professionelle Fahrerqualifikation. Wer gewerblich Waren transportiert oder Fahrzeuge über 3.500 Kilogramm regelmäßig im Berufsverkehr nutzt, benötigt weiterhin die entsprechenden C-Klassen und eine Berufskraftfahrerqualifikation (CPC). Auch Fahrzeuge, deren Gewicht durch Zuladung oder Umbauten steigt – etwa Transporter mit schwerer Ladung – fallen nicht unter die Ausnahmeregelung.
Beispielhafte Fahrzeuge
Zu den Fahrzeugtypen, die künftig unter die 4.250- oder 5.000-Kilogramm-Regel fallen könnten, zählen:
- elektrische Transporter der oberen Mittelklasse wie Mercedes eSprinter oder Ford E-Transit,
- große Elektro-Wohnmobile auf Fiat-Ducato- oder MAN-TGE-Basis,
- batterieelektrische Kleinbusse für Kommunen und soziale Dienste,
- Rettungs- und Feuerwehrfahrzeuge mit schweren Aufbauten.
Für herkömmliche Verbrenner ohne Sondertechnik bleibt alles beim Alten: Sie dürfen weiterhin nur bis 3.500 Kilogramm bewegt werden.





