Verkehrsrechtsanwältin Dr. Daniela Mielchen von der Kanzlei Mielchen & Hettwer erklärt, wann sich ein Einspruch lohnt – und welche Argumente wirklich Erfolg versprechen.
Nach ihrer Erfahrung sind technische Messfehler selten der entscheidende Grund, warum ein Bußgeldbescheid aufgehoben wird. "Geräte können falsch kalibriert oder fehlerhaft positioniert sein, doch das allein reicht nur in wenigen Fällen, um vor Gericht Erfolg zu haben", sagt Dr. Mielchen. Viel wichtiger sei es, den gesamten Vorgang prüfen zu lassen – vom Messprotokoll über das Foto bis zur Verjährungsberechnung.
Blitzer-Foto muss eindeutig sein
Oft zeigen sich Schwächen erst beim genauen Blick in die Akte. Ein typisches Beispiel ist das Beweisfoto, das häufig nicht eindeutig genug ist. "Wenn ein Sachverständiger etwa sagt, die Person auf dem Bild könne zu 85 % identifiziert werden, dann reicht das nicht aus – es gilt der Grundsatz: im Zweifel für den Betroffenen", erklärt die Fachanwältin. In solchen Fällen kann das Verfahren eingestellt werden.
Ein weiterer häufiger Ansatzpunkt sind formale Fehler. So kann etwa die Verjährungsfrist falsch berechnet sein oder die Behörde bestimmte Fristen versäumt haben. Auch dann ist der Bußgeldbescheid unwirksam. Dr. Mielchen betont, dass es sich bei Geschwindigkeitsverstößen um sogenannte Massendelikte handelt – standardisierte Verfahren, in denen individuelle Umstände oft keine Rolle spielen. Genau das kann sich aber ändern, wenn der Einzelfall vom typischen Muster abweicht.
Anwalt kann häufig Punkte und Fahrverbote vermeiden
"Wenn der Sachverhalt ungewöhnlich ist, steigen die Erfolgschancen deutlich", so Mielchen. Das könne etwa dann gelten, wenn ein vorausfahrender Lkw Ladung verloren hat und das Tempolimitschild verdeckte – oder wenn ein plötzliches Ereignis im Fahrzeug, etwa ein Kind auf der Rückbank, den Fahrer kurzzeitig abgelenkt hat. In solchen Fällen könne das Gericht den Fall außerhalb des üblichen Bußgeldrahmens beurteilen.
Dr. Mielchen empfiehlt, in jedem Fall einen Anwalt einzuschalten, bevor ein Einspruch aufgegeben wird. "Wir führen eine Statistik über Geschwindigkeitsfälle. In rund 85 % der Verfahren schaffen wir es, Punkte oder Fahrverbote zu vermeiden", sagt sie. Der Aufwand könne sich also durchaus lohnen – insbesondere, wenn das Foto unklar ist oder der Fall besondere Umstände aufweist.





