Die Flucht an sich stellt keinen eigenständigen Straftatbestand dar, doch in der Realität verstößt ein flüchtender Autofahrer fast zwangsläufig gegen zahlreiche Vorschriften. Das Spektrum der Sanktionen reicht dabei von Verwaltungsmaßnahmen (Bußgelder, Punkte, Fahrverbote) bis hin zu strafrechtlichen Verurteilungen mit langfristigem Führerscheinentzug und Freiheitsstrafen, insbesondere wenn Unbeteiligte zu Schaden kommen.
Szenario 1: Haltesignal ignoriert
Ein häufiger Fall im Straßenverkehr ist die Missachtung eines polizeilichen Haltesignals. Das kann etwa eine Leuchtschrift wie "Stopp Polizei" auf dem Einsatzfahrzeug sein oder eine Aufforderung per Winkerkelle durch einen Beamten. Gemäß § 36 Abs. 5 StVO sind Fahrzeugführer verpflichtet, diesen Signalen unverzüglich Folge zu leisten. Wer das unterlässt, begeht eine Ordnungswidrigkeit, für die der aktuelle Bußgeldkatalog 70 Euro und einen Punkt in Flensburg vorsieht (§ 49 StVO).
Für Fahranfänger in der Probezeit gilt diese Missachtung als A-Verstoß. Die Konsequenz ist eine Verlängerung der Probezeit um zwei Jahre und die verpflichtende Teilnahme an einem Aufbauseminar. Fahrverbot oder Führerscheinentzug drohen in diesem Szenario allerdings nicht, sofern es bei der bloßen Nichtbeachtung bleibt. Strafrechtlich ist die Flucht in dieser Form nicht relevant, da kein aktives körperliches Einwirken auf die Beamten erfolgt. Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss (Az. 4 StR 566/16) betont: "Allein die Fortbewegung in einem Kraftfahrzeug stellt noch keinen aktiven körperlichen Widerstand dar."
Szenario 2: Kontrolle wird umgangen
Wird eine Kontrollstelle bewusst umfahren, ohne dass eine direkte Anhalteaufforderung ausgesprochen wurde, hängt die rechtliche Bewertung vom Einzelfall ab. Erkennt der Fahrer eine polizeiliche Kontrollmaßnahme – etwa durch Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht oder Beamte an der Straße –, kann auch ein gezieltes Ausweichen oder Wenden als Missachtung gewertet werden. In solchen Fällen wird ebenfalls eine Ordnungswidrigkeit angenommen, wobei das Verhalten als Indiz für mangelnde Kooperationsbereitschaft gewertet werden kann.
Auswirkungen auf den Führerschein ergeben sich hier in der Regel nicht direkt. Problematisch wird es aber, wenn das Verhalten als Anlass für eine umfassende fahrerlaubnisrechtliche Prüfung genommen wird. Das kann dann der Fall sein, wenn der Fahrer bereits durch andere Delikte auffällig geworden ist. In Verbindung mit dem Fahreignungsregister kann die Summe aus Punkten und früherem Verhalten zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen, wenn sich Zweifel an der charakterlichen Eignung zum Führen eines Fahrzeugs ergeben.
Szenario 3: Flucht mit Fahrverstößen
Wird während der Flucht massiv gegen Verkehrsregeln verstoßen, etwa durch riskante Überholmanöver, das Überfahren roter Ampeln oder das Abdrängen anderer Verkehrsteilnehmer, kommt der Straftatbestand der Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c StGB in Betracht. Voraussetzung ist, dass es durch grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten zu einer konkreten Gefährdung von Leib, Leben oder bedeutenden Sachwerten kommt.
Die rechtlichen Folgen sind deutlich: Es drohen Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen. Hinzu kommen in der Regel drei Punkte in Flensburg. Vor allem aber ist ein Entzug der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) nahezu zwingend, da der Gesetzgeber bei solchen Delikten regelmäßig von einer Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeht. Die Sperrfrist für eine Neuerteilung liegt bei mindestens sechs Monaten. Auch nach Ablauf dieser Frist kann eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) verlangt werden, bevor ein neuer Führerschein ausgestellt wird.
Szenario 4: Verfolgungsfahrt mit hoher Geschwindigkeit
Kommt es zu einer Verfolgungsfahrt mit überhöhter Geschwindigkeit, bei der der Fahrer versucht, sich durch maximales Tempo der polizeilichen Kontrolle zu entziehen, kann § 315d StGB zur Anwendung kommen. Dieser Straftatbestand wurde 2017 eingeführt und stellt auch sogenannte Alleinrennen unter Strafe. Entscheidend ist, dass sich der Fahrer grob verkehrswidrig und rücksichtslos mit dem Ziel der höchstmöglichen Geschwindigkeit fortbewegt. Die Flucht vor der Polizei gilt in der Rechtsprechung als hinreichender Anlass für die Annahme dieses Vorsatzes.
Bei Verurteilung drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren, bei Personenschäden sogar bis zu zehn Jahren. Führerscheinrechtlich wird in solchen Fällen regelmäßig die Fahrerlaubnis entzogen. Das Fahreignungsregister wird um drei Punkte erweitert. Je nach Ausgangslage kann zusätzlich die Einziehung des Fahrzeugs angeordnet werden, insbesondere wenn das Auto bewusst als Mittel zur Straftat eingesetzt wurde. Auch hier ist eine spätere Wiedererteilung der Fahrerlaubnis an die Vorlage eines positiven MPU-Gutachtens geknüpft.
Szenario 5: Polizeieinsatz wird behindert
Wird während der Flucht aktiv gegen Polizeikräfte vorgegangen – etwa durch gezieltes Zufahren auf Beamte oder das Rammen eines Streifenwagens –, sind die Schwellen zum Straftatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) oder des tätlichen Angriffs (§ 114 StGB) überschritten. Maßgeblich ist das Vorliegen eines tätlichen Verhaltens, also einer aktiven körperlichen Einwirkung oder einer unmittelbaren Bedrohung mit einem Fahrzeug.
Solche Fälle ziehen neben der eigentlichen Strafandrohung – Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren – auch fahrerlaubnisrechtliche Konsequenzen nach sich. Die Fahrerlaubnis wird in der Regel entzogen, da eine grobe Ungeeignetheit angenommen wird. Für die Wiedererteilung ist nicht nur eine Sperrfrist einzuhalten, sondern auch eine sorgfältige Begutachtung durch die Fahrerlaubnisbehörde notwendig. In der Praxis bedeutet das häufig eine mehrjährige Unterbrechung der Fahrberechtigung.
Polizeiliches Vorgehen bei Fluchtfällen
Die Polizei darf Verkehrsteilnehmer jederzeit kontrollieren. Wird eine Anhalteaufforderung ignoriert, folgen die Beamten meist mit Blaulicht und Martinshorn. Trotzdem müssen sie dabei aber stets die Verhältnismäßigkeit wahren. Bei zu hoher Gefährdungslage – etwa in Innenstädten – kann die Verfolgung abgebrochen werden. Kennzeichen, Fahrzeugtyp und weitere Merkmale werden dokumentiert, um den Halter nachträglich zu ermitteln.
Unterstützt wird der Einsatz je nach Lage durch weitere Streifen, Straßensperren, mobile Nagelbänder oder auch Hubschrauber. Ziel bleibt immer, die öffentliche Sicherheit zu wahren und eine Gefährdung Unbeteiligter zu verhindern. Auch wenn die Verfolgung abgebrochen wird, hat die Polizei weitreichende Möglichkeiten, den verantwortlichen Fahrer im Nachhinein zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen.





