E-Kleinwagen von VW: Kommen Radnabenmotoren für die Allradmodelle?

VW ID.Polo, ID.Cross und Cupra Raval als Allradler
Kommen jetzt die Radnabenmotoren bei VW?

ArtikeldatumVeröffentlicht am 02.10.2025
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Seit Jahren kündigt der Volkswagen-Konzern bezahlbare Elektroautos für das Kleinwagen-Segment an – doch bislang blieb es bei Ankündigungen. Unterhalb der 25.000-Euro-Marke gibt es weder bei VW noch bei Škoda oder Cupra ein Angebot. Das soll sich 2026 ändern: Mit der neuen "Electric Urban Car Family" startet der Konzern eine Elektro-Offensive im Einstiegsbereich. Geplant sind vier Modelle von drei Marken: VW ID.Polo, ID.Cross, Škoda Epiq und Cupra Raval (siehe Fotoshow über dem Artikel), die alle unter 25.000 Euro kosten sollen.

Allrad-Option für die Topmodelle

Nicht nur für die Mini-SUVs VW ID.Cross und Skoda Epiq dürfte der Konzern bereits an einer Verallradungs-Option arbeiten. Auch für die sportlichen Topmodelle GTI oder R könnte der Allrad für bessere Performance sorgen. Doch wie soll das technisch aussehen? Bisher ist der kleine MEB+-Baukasten für kleine Elektroautos mit Frontantrieb ausgelegt. Für das Antreiben der hinteren Räder müsste also mindestens ein zusätzlicher Motor nach hinten wandern – denn einen Kardantunnel für einen mechanischen Durchtrieb gibt es wegen der Unterflur-Batterie nicht.

Normalerweise setzen Hersteller in so einem Fall einen extra Antriebsstrang an die zweite Achse. Das kostet allerdings reichlich Platz. Für einen Heckmotor samt Leistungselektronik, Zuleitung, Antriebswelllen, Getriebe und Differential ist in Kleinwagen einfach nicht genug Platz – zumindest nicht, ohne den Kofferraum gravierend einzuschränken. Als Alternative kommen da eigentlich nur Direktantriebe in den Hinterrädern in Frage. Die gibt es bisher allerdings nirgendwo – bis jetzt.

DeepDrive-Motoren als Allrad-Schlüssel?

DeepDrive arbeitet an einem besonders effizienten und kostengünstig produzierbaren Doppelrotor-Antrieb, der schon bald in ersten Großserienmodellen zum Einsatz kommen könnte. Wir haben die nahezu serienreifen Radnabenmotoren bereits getestet. Das Konzept nutzt einen Stator, der gleichzeitig einen innen- und einen außenliegenden Rotor antreibt – kompakt gebaut, leicht und mit außergewöhnlich hoher Drehmomentdichte.

Eigentlich würden zwei solcher Motoren in den Hinterrädern (gibt es ab Größen von 14 Zoll) als Hauptantrieb ausreichen. Die Radnabenmotoren lassen sich eben aber auch als zusätzliche Allrad-Antriebsoption für Fronttriebler nachrüsten. Ein zusätzliches Getriebe oder Antriebswellen brauchen die Direktantriebe nicht. Und eine wartungsfreie Trommelbremse ist ebenso im kompakten Gehäuse integriert wie die Leistungselektronik.

Vorteile von Radnabenmotoren als Allrad-Extra

Die Vorteile einer späteren Integration an der Hinterachse liegen auf der Hand. Einerseits würden Volkswagen oder andere Hersteller – denkbar ist die Technik etwa auch beim Renault 5 oder beim Elektro-Mini – die besagte Bauraumproblematik umgehen. Dazu sind die Anpassung an Radaufhängung und Hinterachse minimal. Im Grunde reicht die Zuleitung der Hochstromkabel. Einen hydraulischen Anschluss an die Bremse gibt es ohnehin bei den Serienautos bereits.

Dazu steigt die Leistungsfähigkeit durch die kompakte Bauweise immens. Zwei solcher DeepDrive-Motoren könnten locker die Leistung eines Elektrokleinwagens verdoppeln – wenn gewünscht. Dazu dürfte sich das Fahrzeug durch den Allradantrieb sicherer auf der Rennstrecke oder über Schnee und Eis bewegen lassen. Hinzu kommen neue Möglichkeiten durch die direkte Ansteuerung jedes einzelnen Hinterrads. Man denke nur an Torque-Vectoring, proaktive ESP-Eingriffe oder eine Wendekreisverkleinerung.

DeepDrive selbst verspricht obendrein, dass die Motoren als Freiläufer gewissermaßen in Sekundenbruchteilen mechanisch entkoppelt werden können. Durch diese extrem geringen Schleppmomente soll sich der Mehrverbrauch beim Allradmodell kaum bemerkbar machen. Bisher leiden bei Elektro-Allradlern mit mehreren Motoren die Effizienz und die Reichweite. Beispiel VW ID.7. Hier kommt das Modell mit einer angetriebenen Achse bis zu 709 Kilometer weit. Das Allradmodell GTX mit der zusätzlichen Asynchronmaschine an der Vorderachse reduziert den Wert auf 595 Kilometer. Hier gäbe es durch eine andere Motortechnologie tatsächlich großes Steigerungspotenzial. Das ist für die Autohersteller vor allem deswegen interessant, weil die Top- und Allradmodelle deutlich teurer und mit höherer Rendite verkauft werden können.

Nachteile von Radnabenmotoren als Allrad-Extra

Da wäre zunächst das Gewicht. Wie bei anderen Allradantrieben auch, bringen zusätzliche Motoren auch mehr Masse ins Auto. Immerhin hält sich der Aufschlag wie oben beschrieben in Grenzen. Dafür sitzt die Masse allerdings im Rad – was die ungefederten oder reifengefederten Massen um etwa 30 Kilogramm erhöht. Leichte Anpassungen am Fahrwerk sollten den Nachteil aber kompensieren können. Bei unserer ersten Testfahrt ist das Thema veränderter Federungskomfort jedenfalls nicht aufgefallen.

Ein weiterer eher technischer Nachteil ist die Installation zweier zusätzlicher Motoren inklusive Kühlanschlüssen. Das bringt zusätzliche Komplexität ins Auto. Dazu muss die Ansteuerung doppelt erfolgen, was einige extra Ansprüche an Soft- und Hardware stellt. Laut DeepDrive sind diese Herausforderungen allerdings von Anfang an in das Software-Fundament eingeflossen. Im Vergleich zur Installation eines zusätzlichen Asynchronmotors ist der Aufwand also ähnlich.

Zuletzt drängt sich für Hersteller noch ein eher philosophischer Nachteil auf. Schließlich soll die Doppelrotor-Technologie von DeepDrive deutlich effizienter sein, als bisherige E-Maschinen. Einen ohnehin schon sehr sparsamen Tesla hat das Münchener Start-up bereits 20 Prozent sparsamer gemacht. Bei einer Allrad-Option mit Radnabenmotoren würde die vermeintlich bessere Technologie also nur zum Sekundärantrieb degradiert. Vielleicht stellt sich VW also in Zukunft die Frage – sollte ein vierradgetriebener ID.Polo GTI oder ein ID.Cross GTX demnächst also mit Heckantrieb fahren und damit 20 Prozent weiter kommen? Wir dürfen gespannt sein, wann es die ersten Ankündigungen zu den kommenden Allradmodellen gibt.

Fazit