Das erste Training ist in Las Vegas immer ein bisschen wie Schießen auf ein bewegliches Ziel. Mit jeder Runde kommt mehr Gummi und damit Grip auf die Bahn. Deshalb bringt es nicht viel, das Setup anzupassen. Erst in den letzten 20 Minuten ergeben Longruns Sinn, weil sich dann die Bedingungen stabilisieren. Normalerweise hätten die Teams die Dauerläufe auf die zweite Trainingssitzung gelegt, doch weil der Wetterbericht leichten Regen vorhersagte, haben neun Fahrer noch eine verkürzte Rennsimulation abgespult.
Drei Stunden später waren sie froh darum. Zu Beginn der zweiten Sitzung nieselte es tatsächlich. Und dann störten zwei rote Flaggen wegen eines losen Abflussschachts den Trainingsbetrieb und klauten den Teams 20 Minuten. An Longruns war nicht zu denken.
Mercedes sammelte die meisten Erfahrungen im Renntrim. Max Verstappen war zwar wie George Russell sechs Runden unterwegs, musste aber zwischendrin zwei langsame Runden drehen. Das Ergebnis war wenig aufschlussreich. Bei Ferrari schaffte nur Charles Leclerc mehrere Runden am Stück, bei McLaren nur Oscar Piastri, allerdings mit weniger Sprit im Tank.
Viele Teams haben jetzt keine Longrun-Erfahrung, dafür aber schon zwei Satz Medium-Reifen verheizt. Ihnen bleibt nichts anderes übrig im dritten Training einen Satz der harten Reifen zu opfern, wenn sie doch noch einen Dauerlauf Erfahrung sammeln wollen.
Sechs Dinge, die Sie wissen müssen:

Charles Leclerc rollte zwar kurz vor dem Ende des zweiten Trainings aus, davor überzeugte der Ferrari-Pilot aber.
1) Kann Ferrari endlich gewinnen?
Bestzeit im ersten Training für Charles Leclerc, schnellste Medium-Runde im zweiten. Ferrari startete gut in den ersten Trainingstag. Bis sich Leclerc bei seinem ersten Versuch auf Soft-Reifen in Kurve 9 verbremste. Dann beendete ein Getriebeschaden seinen Tag. So reichte es am Ende nur für den dritten Platz. Lewis Hamilton schaffte es gerade so auf den zehnten Platz. Auch er schaffte keine saubere Runde auf den Soft-Reifen.
Der zweitbeste Longrun lässt die Tifosi hoffen. Bringt Las Vegas doch noch den ersten Ferrari-Sieg in dieser Saison? Leclerc war im Schnitt über vier Runden eine Zehntel schneller als George Russell, der allerdings zwei Runden mehr auf den Medium-Reifen zurückgelegt hat. Die starke Vorstellung der Ferrari ist mit Vorsicht zu genießen. Ferrari war zuletzt am Freitag immer stark. Seit der Sommerpause testet man in den Freitagssitzungen mit etwas weniger Sprit und etwas mehr Motorleistung als die Konkurrenz.

Die McLaren scheinen dieses Jahr besser aufgestellt zu sein als noch 2024.
2) Warum ist McLaren besser als 2024?
McLaren hat aus den Fehlern der Vorsaison gelernt. Da zählte Las Vegas zu den schlechtesten Rennen der Saison. Modifikationen am Frontflügel und ein Monza-Heckflügel mit noch weniger Abtrieb haben den Topspeed verbessert. Lando Norris drehte mit einer Zeit von 1.33,602 Minuten die schnellste Runde. Der Vorsprung auf Andrea Kimi Antonelli war mit 29 Tausendsteln jedoch minimal. Oscar Piastri hinkte seinem Teamkollegen die meiste Zeit zwei Zehntel hinterher. Der Australier schaffte keine saubere Runde auf Soft-Reifen. Als er das korrigieren wollte, stoppte ihn die rote Flagge.
Piastri legte im ersten Training den mit Abstand schnellsten Longrun auf die Bahn. Seine außergewöhnlich schnelle erste Runde lässt vermuten, dass er mit einem leichteren Auto unterwegs war als die Mercedes, Ferrari und Red Bull. Der WM-Zweite war trotz Platz 14 zufrieden: "Das Auto war ordentlich schnell. Um ganz nach vorne zu kommen, muss ich noch etwas am Setup tüfteln."

George Russell und Mercedes wurden ihrer Favoritenrolle am ersten Trainingstag von Las Vegas gerecht.
3) Kann Mercedes seine Vorjahresshow wiederholen?
Im ersten Training hielt sich Mercedes noch zurück. Statt auf Zeitenjagd zu gehen, spulten George Russell und Andrea Kimi Antonelli am Ende der ersten Sitzung Longruns auf Medium-Reifen ab. Russell über sechs, Antonelli über fünf Runden. Im zweiten Training waren die Vorjahressieger bei der Musik. Antonelli setzte seine gute Form der letzten Rennen mit dem zweiten Platz fort. Russell war auf dem Weg zur drittschnellsten Tageszeit, als die rote Flagge fiel. Der Vorjahressieger schaffte im Gegensatz zu seinem Teamkollegen nicht auf Anhieb eine perfekte Runde. Er brach den ersten Versuch ab, legte eine Abkühlrunde ein und versuchte es noch einmal, bis ihm die rote Flagge dazwischen kam. Unter dem Strich wurden die Silberpfeile ihrer Favoritenrolle gerecht.

Max Verstappen und Red Bull müssen noch zulegen, um die Titelchance zu wahren.
4) Wo steht Verstappen?
Bei Red Bull rätselt man, wo Max Verstappen steht. "Es müsste für die Top 3 reichen", rechnete Sportchef Helmut Marko hoch. "Der Max ist mit dem Soft-Reifen keine volle Runde gefahren. Der war eine halbe Sekunde schneller als der Medium-Reifen. Zieht man die ab, sind wir so schnell wie Norris." Der Grazer warnt aber auch vor Ferrari und Mercedes. "Beide sehen stark aus." Red Bull spielte wieder mit den Abstimmungen herum. "Die Änderung nach dem ersten Training ging schon in die richtige Richtung", lobte Marko. Verstappen wählte wie in Brasilien den älteren Monza-Unterboden.
Mit seiner schnellsten Runde auf Medium-Reifen landete der Niederländer nur auf dem neunten Platz. Da muss er sich mit Leclerc vergleichen, der ebenfalls keine schnelle Runde auf den Soft-Reifen zustande brachte, aber vier Zehntel schneller war. Hier sind Fragezeichen über den Tankinhalt und die Motorleistung angebracht. Obwohl der Honda V6-Turbo im Auto mit der Startnummer 1 noch mit gedrosselter Leistung betrieben wurde, zählten die Red Bull mit 348 km/h auf dem Strip zu den schnellsten Autos auf den Geraden. Dafür verlor man die Zeit in den Kurven. Mehr Sorgen macht Marko der Longrun. Der fiel im ersten Training enttäuschend aus. Und im zweiten konnte Red Bull seinen Setup-Eingriff wegen der roten Flaggen nicht mehr verifizieren. "Vielleicht müssen wir im dritten Training eine Rennsimulation nachschieben", fürchtet Marko.

Toro Rosso überzeugte am Freitag in Las Vegas nicht nur wegen der Sonderlackierung.
5) Wer ist Best of the Rest?
Auf dem Papier Nico Hülkenberg und die beiden Toro Rosso. Doch das Bild täuscht. Alle drei Fahrer waren früh auf Soft-Reifen unterwegs und konnten noch eine schnelle Runde durchziehen. Ihre Gegner blieben entweder im ersten Versuch im Verkehr stecken, brachen ihre Runden nach Fehlern ab oder sie wurden von der roten Flagge ausgebremst. Hülkenberg will seinen vierten Platz deshalb nicht überbewerten. "Es sieht so aus, als hätten viele Kollegen keine saubere Runde hingekriegt, bevor das Training abgebrochen wurde. Wir haben unser Standardprogramm abgearbeitet, müssen aber noch Feintuning am Setup betrieben und die Fahrzeugbalance verbessern."
6) Welche Rolle spielen die Reifen?
Die Reifen spielen eine Schlüsselrolle in Las Vegas. In der Qualifikation dreht sich alles darum, wer die Reifen am schnellsten auf Temperatur bringt. Die Teams probierten alle Varianten aus. Eine Aufwärmrunde, zwei Aufwärmrunden, zwei schnelle Runden mit einer Abkühlphase dazwischen. Die Rangliste im zweiten Training zeigt, wer für die Reifenvorbereitung die beste Lösung gefunden hat. Das kann sich aber ändern. Es soll immer wärmer werden. Am Renntag werden für den Start 18 Grad erwartet. Am Freitag waren es noch 14 Grad.
Im Renntrim trat das Körnen plötzlich wieder auf. Speziell mit viel Sprit im Tank. Betroffen waren sowohl der Soft-Reifen als auch der Medium-Gummi. Da schälte sich am rechten Vorderreifen der Gummi von der Lauffläche. "Das hatten wir dieses Jahr nur ein Mal in Montreal", berichtete Pirelli-Sportchef Mario Isola. Seine Begründung: "Es war heute einfach zu kalt. Wer da den Reifen zu stark belastet, bezahlt mit Körnen." Der harte Reifen dagegen scheint gegen Körnen immun zu sein. Sauber hat als einziges Team die C3-Mischung ausgepackt und der Konkurrenz die Augen geöffnet. Der harte Reifen ist der populärste Reifen für das Rennen. Neun von zehn Teams halten sich deshalb zwei Garnituren in der Hinterhand.












